Blick auf den Eingangsbereich: Das Schloss Tucheim steht seit mehr als zehn Jahren leer. Foto: Rinaldo Hadler/HIC Berlin
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Warum selbst günstige Schlösser keine Käufer finden

In Deutschland locken leer stehende Schlösser und Herrenhäuser mit günstigen Kaufpreisen. Deren Sanierung ist aufwendig und teuer. Welche Nutzungskonzepte Erfolg versprechen.

Köln. Weiß verputzte Wände, ein Türmchen mit spitzem Schieferdach, nur eine Stunde von Berlin entfernt. Auf den ersten Blick ist Schloss Tucheim ein wahres Schnäppchen: knapp 1000 Quadratmeter Wohnfläche, ein weitläufiger privater Park, Kaufpreis 175.000 Euro.

Doch zur Wahrheit gehören auch ein baufälliger Keller, herausgerissene Böden und brachliegende Dachbalken. „Das Schloss steht seit mehr als zehn Jahren leer, es gibt weder Heizung noch Strom“, sagt Rinaldo Hadler von der Berliner Hadler Immobilien Consulting, der mit der Vermarktung der Immobilie aus einem Nachlass beauftragt ist.

„Wer das Objekt erwirbt, muss daher noch mehrere Millionen Euro investieren“, sagt er. Interessenten gibt es trotzdem eine Menge: Schon kurz nach dem Start der Vermarktung meldeten sie sich aus ganz Deutschland, ein erster Sammelbesichtigungstermin ist angesetzt. Hadler hat das überrascht. Für ihn ist die Lage der Trumpf: nahe der Autobahn, eine Stunde bis Berlin. „Gerade für Events oder Hochzeiten ist das günstig.“

Das Schloss steht seit mehr als zehn Jahren leer, es gibt weder Heizung noch Strom.
Rinaldo Hadler, Berliner Hadler Immobilien Consulting

Leer stehende Burgen, Schlösser und Herrenhäuser zu günstigen Kaufpreisen gibt es laut einer aktuellen Übersicht des Portals Immoscout24 bundesweit Dutzende. Viele stehen für weniger als 200.000 Euro zum Verkauf. Doch hinter dem verlockend niedrigen Kaufpreis versteckt sich meist ein Investitionsstau im Millionenbereich.

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Wo die Preise niedrig sind – und warum

Der Blick in die Angebotsportale zeigt ein Muster: Besonders viele leer stehende Schlösser und Herrenhäuser stehen in Ostdeutschland. „Dort wechselten viele Objekte nach der Wende überstürzt den Besitzer – häufig ohne tragfähiges Nutzungskonzept“, berichtet Matthias Helzel. Er ist Burgen- und Schlösser-Spezialist bei der Vermittlung historischer Immobilien OHG und Mitglied der Deutschen Burgenvereinigung.

Heute seien die Objekte wieder auf dem Markt, oft in schlechtem Zustand. „So kann man günstig erwerben, muss aber viel Geld und Arbeit in die historische Substanz hineinstecken.“ Und das können oder wollen offenbar viele Käufer nicht leisten. Je größer der Sanierungsaufwand, desto günstiger der Quadratmeterpreis, heißt es auch bei Immoscout24.

Schaut man nur auf die Quadratmeterpreise, sind sanierungsbedürftige Objekte daher besonders günstig. Schloss Tucheim markiert mit 183 Euro pro Quadratmeter das untere Ende der Immoscout24-Untersuchung. Aber selbst das teuerste der aufgelisteten Angebote – eine ehemalige Fabrikantenvilla im Vogtlandkreis – schlägt nur mit 1200 Euro je Quadratmeter zu Buche. Zum Vergleich: Der Landesdurchschnitt für Häuser in Brandenburg liegt laut Engel & Völkers bei etwa 2890 Euro pro Quadratmeter, in Sachsen bei rund 2000 Euro und in Dresden sogar bei rund 3500 Euro.

Entscheidend ist aber, wie immer, auch die Lage. Das zeigt die Vermarktungsdauer. In gefragten Lagen wie der Fränkischen Schweiz finden Burgen mitunter binnen vier Wochen einen Käufer, berichtet Experte Helzel. „In strukturschwachen Regionen kann es hingegen drei bis vier Jahre dauern, bis ein Abschluss gelingt.“

Warum Investoren zögern

Wie groß der Druck auf die historische Substanz tatsächlich ist, zeigen Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): Zwischen 2007 und 2021 wurden insgesamt 100.369 Wohngebäudeabgänge registriert, über 90 Prozent davon waren Abrisse. Grob ein Drittel mit Baujahr vor 1919 beziehungsweise 1919 bis 1948 – ein Alter, das viele denkmalgeschützte Gebäude umfasst.

Was den Leerstand in diesem Segment angeht, scheint es keinen Unterschied zu jüngeren Beständen zu geben. „Entgegen der landläufigen Meinung stehen, hochgerechnet auf die gesamte Anzahl, zumindest nicht mehr Denkmäler leer als andere Gebäude“, betont Steffen Skudelny von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. „Auffällig ist nur, dass es in strukturschwachen Regionen eben häufig die Schlösser, Burgen und Gutshäuser sind.“

Die Sanierung eines alten Gebäudes ist nicht einfach – als besonders aufwendig gelten der Brandschutz, die Energieeffizienz und Modernisierungspflichten. All das mit den Vorgaben des Denkmalschutzes unter einen Hut zu bekommen, ist durchaus eine Herausforderung. Skudelnys wichtigster Tipp ist, von Anfang an einen denkmalerfahrenen Experten zurate zu ziehen. Eine frühzeitige Abstimmung mit den Denkmalbehörden kann viel Stress und Ärger ersparen.

Immerhin können Eigentümer den Mehraufwand für denkmalspezifische Sanierungen steuerlich absetzen. Kapitalanleger, die die Immobilie vermieten, können 100 Prozent der Sanierungskosten abschreiben – acht Jahre lang je neun Prozent und weitere vier Jahre lang je sieben Prozent. Wer selbst in der Immobilie wohnt, kann insgesamt 90 Prozent abschreiben.

Welche Nutzungskonzepte tragen

Um eine historische Immobilie zu sanieren, sind nicht selten Millioneninvestitionen nötig. Damit die sich rechnen, brauchen Käufer also ein belastbares Nutzungsmodell, das zur Struktur des historischen Gebäudes passt. In der Regel läuft es auf Mischmodelle hinaus: Ein Teil wird privat bewohnt, ein Teil gewerblich genutzt.

Dafür eignen sich etwa Ferienwohnungen oder die Vermietung für Hochzeiten und Events – also Konzepte, die flexibel sind. Aufwendiger sind Hotels oder Gastronomiebetriebe, die eine konstante Bewirtschaftung erfordern. Besonders stabil zeigen sich Nutzungen im Bereich Seniorenwohnen und Pflege.

Rund um das Schloss Stetten im Nordosten Baden-Württembergs etwa wurde ein ganzes Dorf mit Seniorenangeboten aufgebaut – das Schloss bildet das Herzstück. Dass das ein mögliches Geschäftsmodell sein kann, zeigt auch die Berliner ADN Investment Group. Sie hat schon mehrere Schlösser, zuletzt etwa das Schloss Erichsburg in Niedersachsen, erworben und macht aus diesen eine Kombination aus Pflege- und Wohnangeboten.

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