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Besser als jeder Benefit: Lob! Und zwar so viel, bis es peinlich wird

Fehlersuche? Schuldzuweisung? Nicht in skandinavischen Unternehmen – dort gibt es einen liebevollen Anstupser – mit überraschender Wirkung.

Es ist so einfach, Menschen ein positives, liebevoll ermutigendes Feedback zu geben. In Skandinavien ist es gang und gäbe, die Schweden haben sogar ein eigenes Wort dafür: Uppåtpuff. Das bedeutet, dass wir die Dinge erst einmal positiv sehen, Menschen wohlwollend begegnen, das Gute in den Fokus nehmen und dann auch benennen ... und dann schauen, wie man etwas vielleicht noch besser machen kann.

Man kann nicht genug Komplimente verteilen

Manchmal halte ich auch Keynotes in Schweden – einfach nur, um den Schweden und Schwedinnen mal zu zeigen, worin sie denn so gut sind. Die haben ja keine Ahnung. Die machen einfach ihr Ding. Und wenn ich dann erzähle, dass wir in Deutschland sagen: „Nicht gemeckert ist Lob genug“, dann fangen die herzlich an zu lachen – finden die total witzig!

Ihr seht, ein ganz anderer Approach! Nämlich: Du kannst nicht genug loben. Prähistorisch ist unser Gehirn sowieso darauf programmiert, vom Schlimmsten auszugehen. Deshalb fokussieren wir uns gern auf das, was nicht läuft oder gefährlich sein könnte – denn durch Glück ist noch keine*r gestorben, durch einen Säbelzahntiger schon.

Deshalb müssen wir dem Negativen etwas entgegensetzen! Das habe ich in allen 13 Glücksländern gehört, die ich 2015 besucht habe. Man spricht oft von einem Verhältnis von 3:1 – im persönlichen Kontext sogar 5:1. Du brauchst fünf positive Impulse, um dich nach einem negativen Impuls wieder in Balance zu fühlen.

Und dann werde ich in Workshops oft gefragt: „Ja Maike, wann ist denn dann genug mit Loben?“ Ganz einfach: Wenn du denkst, es wird peinlich, dann hast du ungefähr das Niveau der Skandinavier erreicht.

Also – Mensch! Lasst andere hochleben, gebt Komplimente bis zum Abwinken und lobt, als gäbe es kein Morgen. Wenn ihr etwas Positives denkt, dann raus damit!

Fehler? Schuld? Irrelevant!

Denn Uppåtpuff gilt nicht nur für Menschen, denen man unglaublich viel Liebe und Aufmerksamkeit schenkt, sondern auch für all die Fehler, die sie täglich machen. Uppåtpuff bedeutet auch, eine konstruktive Sichtweise auf alles zu haben, was schiefläuft. Schuld? Irrelevant. Die Lösung ist echt interessanter – und es ist erst einmal toll, dass du da bist und beitragen möchtest!

Denn in den skandinavischen Ländern gehen wir davon aus, dass diese Fehler nicht aus böser Absicht entstehen. Man fragt sich: Habe ich etwas unterlassen, wodurch dir dieser Fehler unterlaufen konnte?

Kuschelkurs?

Die „Übersetzung“ für Uppåtpuff aus dem Schwedischen lautet: „Ehrliches, positives Feedback. Ein Uppåtpuff soll die empfangende Person bestärken und ihr ein warmes Gefühl im Herz- und Bauchbereich schenken.“

Und falls ihr euch überlegt: „Gut, ehrliches Feedback – aber was, wenn’s einfach scheiße war?“ Wir können in allem Negativen auch das Positive entdecken. Es hängt einfach davon ab, worauf wir uns fokussieren – und was uns vor allen Dingen weiterbringt.

Oder, wie eine schwedische Vertriebsmanagerin Nadja sagte:

„Anstatt immer zu schauen, was nicht funktioniert, einfach schauen: Was funktioniert denn? Und warum funktioniert es? Und wie können wir die anderen Probleme umgehen, sodass der Rest auch funktioniert?“

(Auszug aus Acht Stunden mehr Glück: Warum Menschen in Skandinavien glücklicher arbeiten und was wir von ihnen lernen können.)

Menschen intakt lassen

Wie kann ich mein Gegenüber und ihren oder seinen Selbstwert heil lassen? Wie kann ich dafür sorgen, dass diese Person das nächste Mal wieder den Mut findet, etwas Neues auszuprobieren? Mit sehr viel Liebe, Anfeuern und einem liebevollen Anstupser. Jedes Mal aufs Neue.

Nun denkt vielleicht der oder die eine von euch: Dafür haben wir keine Zeit, das ist auch viel zu teuer, und Fehler können wir uns nicht leisten. Aber: Dass Menschen sich nicht trauen, innovativ zu denken und neue Ideen einzubringen, das kostet Geld! Und eventuell auch die Zukunft des Unternehmens. Es wäre auch traurig, wenn Menschen vor lauter Angst nicht lernen – denn das ist aus neurologischer Sicht nicht möglich. Angst blockiert. Menschen in Schockstarre fällen keine Entscheidungen.

Vergesst nicht, dass Schweden, Dänemark und Finnland die europäischen Innovationsanführer und auch im Lifelong Learning ganz weit vorn sind. Dafür gibt es einen Grund: Weil sie ein Umfeld haben, das sie anfeuert, mit Uppåtpuffs unterstützt und Menschen ermutigt, jeden Tag neue Wege zu gehen. Weil sie einen liebevollen Anstupser zur Arschbombe bekommen. 😄

Maike van den Boom schreibt über Glück, Führung, Skandinavien, Wirtschaft & Management

Maike van den Boom ist Glücksforscherin und Bestsellerautorin und wohnt in Stockholm und Weinheim. Seit über zehn Jahren begleitet sie Unternehmen und hält Vorträge zu Glück, innovatives Arbeiten und Happy Nordic LeaderShip. Sie unterrichtet Nordic Leadership an diversen Business Schools.

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