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EU-Beschluss: Die Veggie-Wurst wird zum Endgegner im politischen Glaubenskrieg

Das EU-Parlament hat den Erfolg der pflanzenbasierten Fleischersatzprodukte als Problem entdeckt. Das nun beschlossene Verbot von Bezeichnungen wie "Veggie-Wurst" oder "Veggie-Burger" befeuert eine Scheindebatte, die nichts mit den wirtschaftlichen Realitäten zu tun hat und am Ende dem Wirtschaftsstandort Europa sogar schaden könnte.

Wenn das EU-Parlament den Plan hatte, Demokratieskeptikern die Sinnlosigkeit von parlamentarischen Institutionen anschaulich vorzuführen, dann war der Beschluss zum Verbot von Fleischbezeichnungen für pflanzenbasierte Proteinprodukte zweifellos ein überragender Erfolg. Wenige Stunden nach der Abstimmung waren die sozialen Netzwerke geflutet mit satirischen Memes über die möglichen sprachlichen Konsequenzen für Scheuermilch und Fleischkäse. Und viele Online-Kommentatoren entwickelten bemerkenswerte Fantasie bei der Suche nach Ersatznamen für die Fleischersatzprodukte.

Offiziell klingt die von der konservativen französischen Politikerin Céline Imart eingebrachte Gesetzesvorlage durchaus nach einem ernsthaften Thema: Eine klare Kennzeichnung der Inhaltstoffe eines Produkts ist sicher hilfreich, um im Lebensmittelhandel eine klare Kaufentscheidung zu treffen. Doch wer auch nur fünf Sekunden über dieses Argument nachdenkt, wird sofort bemerken, dass dieses Argument nichts mit der sprachlichen Realität zu tun hat, in der wir leben. Warum darf Tofu kein Würstchen sein, aber Fleisch darf sich selbstverständlich Käse nennen?

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Man könnte das ganze als lächerlichen Theaterdonner der europäischen Politik abhaken. Aber selbst wenn dieser Beschluss, der Teil eines größeren Gesetzespakets zur Stärkung der Landwirtschaft ist, wohl kaum die weiteren Beschlussstufen überleben wird, ist diese Affäre nicht zum Lachen.

Denn in den USA zeigt sich schon jetzt, welche Folgen es haben kann, wenn die Politik aus ideologischen Gründen Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen in ein Freund-Feind-Raster einsortiert und entsprechend abstraft. Das Resultat ist dann oft das Gegenteil des eigentlich gewünschten Ziels. Branchen, die man schützen will, werden in ihrer Innovation behindert und ihre Überlebensfähigkeit gefährdet.

Und gerade die deutsche Politik sollte wissen, wie schnell aus vermeintlichen Straflabels ein Wettbewerbsvorteil werden kann. Schließlich beschloss auch einmal das englische Parlament, dass deutsche Produkte mit "Made in Germany" zu kennzeichnen seien, um auf ihre schlechtere Qualität hinzuweisen und so der "Verwechslungsgefahr" bei den Kunden vorzubeugen.

Erreicht hat das Label das genaue Gegenteil. Made in Germany ist bis heute (wenn auch mittlerweile mit deutlich weniger Glanz) ein international anerkanntes Erfolgs-Label und die britische Industrie wurde dadurch nicht gerettet. Wer jetzt eine künstliche Trennung zwischen traditionellen Fleischprodukten und Fleischersatzprodukten schaffen will, begeht denselben Fehler, die Urteilskraft von Kunden und die Macht von wirtschaftlichen Entwicklungen zu unterschätzen. Dabei wäre es gerade für die alten Platzhirsche entscheidend, Teil dieser Innovation zu sein, wenn sie nicht zu veralteten Platzhirschen werden wollen.

Noch ist das – zum Glück – nicht so. Die Industrie der pflanzenbasierten Proteine ist gerade in Deutschland eine echte Erfolgsgeschichte und wurde wesentlich von Marken getrieben, die wie Rügenwalder aus der fleischerzeugenden Industrie kommen.

Aber während Händler wie Aldi und Lidl Plant-based längst zu einem integralen Teil ihrer Zukunftsstrategie gemacht haben, führen europäische Politiker Rückzugsgefechte für ein ideologisch verklärtes Bild der "guten alten Zeit". Dem europäischen Wirtschaftsraum ist damit nicht gedient, genauso wenige der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Marken. Am Ende profitiert davon nur das Geschäft der Online-Trolle und Social-Media-Spaßvögel.

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