1000 Kilometer joggen: Sechs Tipps, um eine neue Routine durchzuhalten
Unser Autor hat viel über die Kraft von Routinen geschrieben. Die Tipps verinnerlicht hat er aber erst, als er selbst mit einer startete. Ein persönliches Resümee.
Düsseldorf. Unter Läufern gibt es eine Binsenweisheit, die da lautet: Jeder Marathon fängt mit einem ersten Schritt an. Mein persönlicher Marathon begann vor etwa einem Jahr vor einem Röhrenlager im Düsseldorfer Osten. Es liegt auf dem Weg von meinem Zuhause in die Handelsblatt-Redaktion.
An einem Januarmorgen hatte ich die glorreiche Idee, zur Arbeit hin- und wieder zurückzujoggen – gute Vorsätze eben. Ich laufe ganz gerne und behaupte, mich selbst einigermaßen motivieren zu können.
Als ich aber an diesem dunklen, kalten und windigen Morgen an Lkws – parkend und fahrend – vorbeilief und aus der Ferne ein Haltestellenschild mit der Aufschrift „Röhrenlager“ erspähte, dachte ich: „Dunkel, kalt – und härtestes Industriegebiet, puh! Wenn ich das hier durchziehe, reicht die Motivation definitiv für mehr als ein paar morgendliche Joggingrunden.“
In der Redaktion angekommen und geduscht (Notiz an alle Unternehmen: Installiert Radfahrer- und Joggerduschen!), erinnerte ich mich an den guten Vorsatz eines Kollegen aus früheren Jahren. Er wollte 1000 Kilometer im Jahr joggen. Bei ihm kam damals eine Verletzung dazwischen. Leicht würde die Aufgabe also nicht werden, aber hey, ich war gerade in aller Früh an einem Röhrenlager vorbeigejoggt.
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Mit einem Extraschub Motivation nahm ich die Herausforderung an – und habe seitdem sechs Dinge gelernt. Die Liste ist nützlich für alle, die in diesen Tagen wieder Vorsätze für das neue Jahr schmieden.
Lehre 1: Realistische, aber ambitionierte Ziele setzen
Sport ist für mich schon länger ein wichtiger Ausgleich im Alltag. In der Coronazeit habe ich – wie gefühlt halb Deutschland – das Joggen für mich entdeckt. Ich lief in die Kita meiner Kinder, durch Parks, an Seen und Flussufern – und auch schon mal über Autobahnbrücken, weil ich auf der anderen Seite eine neue Route ausprobieren wollte. Ganz bei null angefangen habe ich also nicht. Trotzdem war die Zielmarke 1000 für mich eine Herausforderung.
Ich rechnete: 1000 Kilometer, das sind grob 100 Kilometer im Monat – und dann hätte ich noch etwas Puffer, für den Fall, dass ich mich mal erkälte oder verletze oder es sonst einen Grund gibt, warum ich gerade nicht laufen kann.
100 Kilometer im Monat – das sind wiederum rund 25 Kilometer in der Woche. Vor dem Start meiner Routine lief ich meistens um die zehn Kilometer am Stück. Heißt also: zwei bis drei Einheiten die Woche. Für jemanden, der vorher eher ein bis zwei Mal pro Woche joggen ging und zwischendrin auch mal zwei, drei Wochen die Laufklamotten im Schrank gelassen hatte, war das ambitioniert. Aber nicht unmöglich. Ich sollte bald auf dem Schotterboden der Tatsachen ankommen.
Lehre 2: Pläne gehen selten zu 100 Prozent auf
Im Januar zeigte meine App 54 Kilometer an, 46 weniger als geplant. Mitte Februar hat mich dann Corona erwischt – elf Tage Zwangspause. Futsch war die Routine. Und ein gutes Stück meines eingeplanten Puffers.
Ich bin bis heute sehr dankbar dafür, dass die Infektion bei mir keinerlei gesundheitliche Folgen hinterließ. Den ersten Tag nach meiner Quarantäne hatte ich so einen großen Bewegungsdrang, dass ich erst einmal bei uns um die Ecke an den See und wieder zurückgelaufen bin – sieben Kilometer. Zwei Tage später hab ich es dann schon wieder um den See geschafft – zehn Kilometer.
Das besser werdende Wetter und Jogger-Ich haben dafür gesorgt, dass ich in den folgenden Monaten mein Pensum meistens erreicht oder übererfüllt habe. Geholfen hat auch, dass ich nach einiger Zeit immer längere Strecken lief. Ich brauchte also nicht mehr so viele Einheiten, um auf 100 Kilometer im Monat zu kommen. Das Ziel kam zurück in erreichbare Nähe.
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Lehre 3: Morgens ist einfach am besten
Als Karriereredakteur habe ich viele Texte über die Kraft von Morgenroutinen geschrieben. Viele der Tipps, die mir Managerinnen oder Experten über die Jahre gaben, habe ich erst mit Beginn meiner Jogging-Challenge so richtig verstanden.
Auch bei mir war der Morgen die Primetime. Wann immer ich es geschafft habe, vor der Arbeit eine kurze Joggingrunde einzulegen, waren die Stunden danach so viel produktiver und frischer als sonst.
Zu der guten Laune hat auch meine Lieblingsstrecke hier bei uns um die Ecke beigetragen. Wir wohnen in der Nähe eines der großen Badeseen in Düsseldorf, ein echter Vorteil, wenn man sich morgens motivieren möchte – oder muss, weil man 1000 Kilometer im Jahr joggen will.
Mit jedem Überwinden wird das Laufen mehr zur Routine. Irgendwann ist es schwieriger, zehn Tage nicht zu laufen, als spätestens nach drei Tagen wieder die Laufsachen rauszuholen.
Was mir geholfen hat, in diesen Modus reinzukommen und auch morgens um sechs Uhr die Joggingschuhe anzuziehen, ist ein sehr stumpfer, aber effektiver Tipp. Er kommt von der US-Motivationstrainerin Mel Robbins, und ich habe ihn mir aus einem unserer Karrieretexte gemerkt: einfach von fünf Sekunden herunterzählen. Und spätestens bei eins aufstehen und mit der Sache anfangen, die man sich vorgenommen hat. Klappt wirklich. Meine Lauf-App hat zudem einen akustischen Countdown. So hatte ich das Runterzählen sogar im Ohr.
Lehre 4: Ein bisschen Druck von außen schadet nicht
In den ersten Wochen habe ich so gut wie niemandem von meinem 1000-Kilometer-Ziel erzählt. Doch je höher die Balken in meiner App jeden Monat stiegen, umso geringer war die Sorge, was passieren könnte, wenn ich das Ziel doch nicht erreiche.
Ein Freund, mit dem ich ab und zu meine Laufzeiten teile, erwies sich dabei für mich das ganze Jahr über als große Hilfe. Er fragte, wenn ich mich mal eine Weile nicht meldete: „Heute wieder einen Power-Run eingelegt?“ Oder: „Was macht deine Zeit?“ Diese Nachfragen haben bei mir dafür gesorgt dranzubleiben. Auch weil ich selbst den Anspruch hatte, ihm ein neues und besseres Ergebnis zu präsentieren.
Das Schöne: Auch er schickt mir seit einer Weile seine Ergebnisse, obwohl er längere Zeit aus gesundheitlichen Gründen mit dem Laufen pausieren musste. Ich habe mich sehr darüber gefreut, und die Nachrichten motivieren mich bis heute.
Andere finden es vielleicht toll, die eigene Timeline auf LinkedIn oder Facebook mit Joggingergebnissen zu pflastern. Ich habe mich eher für ein paar Leute entschieden, von denen ich weiß, dass sie mir guttun und mich weiterbringen. Im Job würde man sagen: ein Sparring bilden.
Lehre 5: Motivation ist keine Linie
Ich sagte ja: Ich kann mich einigermaßen selbst motivieren. Aber pro Monat 100 Kilometer oder mehr laufen? Da ist die Lust auch bei mir nicht immer gleich groß. Ich habe mir deshalb jeden Monat kleine Herausforderungen gesucht, bin neue Strecken abgelaufen, habe im Urlaub ein Höhentraining eingebaut oder einfach auf einen neuen Distanzrekord gesetzt.
Den stärksten Motivationsschub haben mir aber Gruppenläufe gegeben. Ich erinnere mich an einen Firmenlauf, bei dem ich so schnell gelaufen bin wie noch nie. Auch ein Zehn-Kilometer-Wettkampf an meiner Stammstrecke mit einem Freund hat viel Spaß gebracht.
Wenn ich eins gelernt hab, dann, dass ich bei einer nächsten Herausforderung noch viel mehr solcher Highlights einplanen würde. Die Trainings danach haben sich angefühlt wie ein Tagesticket in der Sauna.
Lehre 6: Blöd ist, wenn das Ziel erreicht ist
Ich habe mein 1000-Kilometer-Ziel am Ende tatsächlich erreicht – allerdings schon Ende November. Danach passierte etwas Interessantes. Alle Ausreden, die vorher für mich wenig zählten (Wetter, ein bisschen Schnupfen, Tagesform), waren plötzlich veritable Entschuldigungen, mal langsamer zu machen. Das Ergebnis: Der Dezember war mit Blick auf meine Laufleistung einer meiner dünnsten Monate – und das ohne Coronainfektion und Anfangsüberschätzung.
Ein Ziel hilft also nur dann als Motivation, solange es nicht erreicht ist. Zumindest bei mir. Darum feile ich am nächsten Vorsatz. Jetzt weiß ich endlich auch, wie ich ihn einhalten kann.
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