11 Fragen zu Positiver Führung an … Dr. Markus Ebner (#1)
Was ist, was bringt, wie geht Positive Leadership? Dazu stelle ich hier in nächster Zeit an verschiedene ExpertInnen aus Forschung, Training und unternehmerischer Praxis die immer mehr oder weniger gleichen Fragen. Den Auftakt macht Dr. Markus Ebner, Wirtschaftspsychologe, Speaker, Dozent, Trainer, Coach und Begründer des Perma-Lead-Modells positiver Führung
Was bedeutet Positive Leadership für dich persönlich?
Positive Leadership ist für mich nicht nur ein Führungsstil – es ist aus meiner Sicht eine Haltung. Die Entscheidung, den Fokus nicht nur auf Probleme, sondern auf Potenziale, Stärken und gelingende Beziehungen zu legen. Persönlich bedeutet es für mich, mit einer wertschätzenden Grundhaltung durchs Leben zu gehen – auch wenn’s mal nicht rund läuft. Ich versuche, mich in meiner Rolle als Führungskraft daran zu orientieren. Das gilt aber auch in Bezug auf mich selbst – mein Umgang mit mir selbst hat sich durch meine Arbeit auch verändert. Es ist wie ein innerer Kompass, der nicht nur in der Führung, sondern auch im Alltag Orientierung gibt.
Wie bist du zur Positiven Psychologie und zum Thema Positive Leadership gekommen? Über ein Auftragsforschungsprojekt an der Universität Wien vor mittlerweile vielen Jahren. Ich hatte mich bis dahin nicht mit Positiver Psychologie beschäftigt. Das PERMA-Modell von Martin Seligman war für mich da ein Aha-Moment. Ich habe es dann auf konkrete Führungsverhalten übertragen – daraus wurde PERMA-Lead. Und der Rest ist Geschichte (und Bücher und Publikationen und Forschungsarbeiten, …).
🔎 Du willst mehr über Dr. Markus Ebner und seine Arbeit zu Positive Leadership wissen? Hier lang. Und hier kannst Du Markus in einer Folge meines Podcasts "Positiv Führen" zuhören.
Welche Führungsherausforderungen lassen sich deiner Erfahrung nach besonders gut mit Positive Leadership angehen? Alles, was mit Motivation, Engagement und Beziehungsgestaltung zu tun hat – also mit den Menschen. Aber auch in schwierigen Situationen ist enorm hilfreich. Wenn es darum geht, Teams durch herausfordernde Zeiten zu führen, Resilienz zu stärken oder Kreativität zu fördern – da spielt Positive Leadership seine Stärken voll aus. Das können wir durch unsere Daten eindeutig belegen. Auch im Change Management hilft es enorm, wenn Führung nicht nur Probleme managt, sondern auch Perspektiven eröffnet.
Welche nicht? Wenn die Hütte brennt und eine Entscheidung in zehn Sekunden fallen muss, ist Positive Leadership vielleicht nicht das Mittel der Wahl. Auch toxische Strukturen oder systematische Fehlanreize kann man nicht mit einem Lächeln wegmoderieren. Und: Positive Leadership ersetzt kein klares Management-Fundament – aber es kann es wirksam ergänzen.
Mit welchem Missverständnis von positiver Führung hast Du häufig zu tun? Der Klassiker: „Positive Leadership heißt, immer nett zu sein. Ab sofort darf nur mehr gelobt werden“ Nein – es geht nicht um rosa Wattebäuschchen oder Schönfärberei. Positiv heißt nicht beliebig, sondern werteorientiert, auf Stärken fokussiert und gleichzeitig klar in der Sache. Manchmal ist ein ehrliches, respektvolles Nein sogar deutlich „positiver“ als ein halbgares Ja.
Wie lässt sich das PERMA-Lead-Modell in wenigen Worten beschreiben? PERMA-Lead beschreibt, wie sich Positive Leadership konkret im Führungsverhalten zeigt. Es basiert auf fünf Faktoren: Positive Emotionen, Engagement, gelingende Beziehungen, Sinn und Zielorientierung sowie Erfolge und Zielerreichung. Kurz gesagt: Es ist das PERMA-Modell von Seligman – weiterentwickelt für Führung.
Welcher der fünf PERMA-Faktoren wird deiner Erfahrung nach in der Praxis am häufigsten vernachlässigt – und warum? „Meaning“ – also Sinn – wird oft übersehen oder als Luxusproblem betrachtet. Dabei ist es ein zentraler Motivator. Viele Führungskräfte denken, sie müssten große Reden schwingen, um Sinn zu vermitteln. Oder sie sind verantwortlich dafür, dass Menschen einen großen Sinn im Leben haben. Dabei geht es oft um kleine Dinge: Warum machen wir das hier? Wen erreichen wir damit? Wer profitiert? Wenn dieser Link fehlt, verpufft auch die beste Strategie. Nur wenn Menschen etwas als Sinnhaft erleben, sind sie bereit, die Extrameile zu gehen – wie es in der Managementsprache heißt.
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Ein Lieblings-Tool oder -Hack, das Du einsetzt, um Positive Leadership in Teams zu fördern? Ich bin großer Fan, konkretes Feedback auf das zu geben, was gut gelaufen ist – also nicht nur ein "Gut gemacht", sondern z. B.: "Mir ist aufgefallen, wie ruhig und klar du das Meeting moderiert hast – das hat geholfen, dass wir konzentriert bleiben." Diese Form der Rückmeldung macht Stärken sichtbar, hebt sie auf eine bewusste Ebene und fördert das Selbstwirksamkeitserleben. Besonders schön: Man kann das ganz einfach in Meetings, Feedbackrunden oder auch spontan einsetzen. Und es funktioniert erstaunlich gut – sogar für Menschen, die sonst eher sparsam mit Wertschätzung sind.
Was hat eine Organisation von Positiver Führung? Sehr viel! Positive Leadership stärkt die psychologische Sicherheit, erhöht das Engagement und verbessert die Zusammenarbeit – ganz ohne Druck oder Kontrolle. Und die Effekte zeigen sich nicht nur auf der „menschlichen“ Ebene, sondern auch ganz konkret in Kennzahlen: niedrigere Fluktuation, weniger Krankenstände, höhere Produktivität. Was ich als Humanist besonders schätze: Die Menschen arbeiten nicht nur besser – sie arbeiten auch lieber.
Welche Voraussetzungen braucht eine Organisation, um Positive Leadership wirksam zu verankern? Zuerst einmal: den echten Willen, sich weiterzuentwickeln. Es braucht Führungskräfte, die bereit sind, sich selbst zu reflektieren – und ein Umfeld, das nicht nur „Hochglanzwerte“ plakatiert, sondern auch lebt. Und es hilft, wenn Positive Leadership nicht als Einzelmaßnahme daherkommt, sondern als Teil einer strategischen Kulturentwicklung.
Wie misst du den Erfolg oder die Wirksamkeit positiver Führung in Organisationen? Ich habe mit dem PERMA-Lead Profiler ein wissenschaftlich fundiertes Tool entwickelt, das genau das misst: wie stark Führungskräfte die fünf PERMA-Faktoren in ihrem Verhalten zeigen – und wie das von anderen wahrgenommen wird. Zusätzlich betrachten wir Zusammenhänge zu Faktoren wie Fluktuation, Krankenstand, Teamklima oder Innovationskraft. Mit dem 360 Grad Feedback und der Organisationskulturanalyse haben wir sogar noch weitreichendere Messinstrumente entwickelt, wo auch Mitarbeitende, Vorgesetzte und Peers ihre Fremdbewertung abgeben können. Mehr als 1500 Beraterinnen und Berater, du ja auch, sind übrigens derzeit bereits darauf zertifiziert, mit diesen Testinstrumenten zu arbeiten.
💪 Um das regelmäßige Erkennen, Ausbauen und Anerkennen von Stärken – ein wichtiger Teil von positive Leadership – geht es in meinem nächsten Online-Impulstag "Stärkenorientiert(er) Führen" für Personal- und Führungskräfte am 15.5.2025. Es ist noch Platz – ich freue mich! Anmeldung und Infos unter positiv-fuehren.com/termine
Wie siehst Du die Zukunft von Positiver Führung, was wird mehr, was weniger, was anders? Ich glaube, der Fokus auf Menschlichkeit und Sinn wird zunehmen – nicht aus Idealismus, sondern weil die Arbeitswelt das dringend braucht. Komplexität, Unsicherheit, Digitalisierung: All das fordert unsere psychische Stabilität. Führung wird in Zukunft weniger Hierarchie und mehr Beziehung sein. Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen. Und: weniger Worthülsen, mehr Haltung.
Wenn du Führungskräften nur einen einzigen Impuls aus der Positiven Psychologie mitgeben dürftest – welcher wäre das? Frag dich regelmäßig: "Was ist gerade gelungen – und warum?" Diese kleine Perspektivverschiebung öffnet Räume. Für Anerkennung, für Lernen, für Entwicklung. Und sie kostet nichts, außer ein paar Sekunden Aufmerksamkeit. Aber sie verändert, wie wir führen – und wie wir gesehen werden.
Wer mehr wissen will: ein Buch, einen TedTalk, einen Newsletter o.ä., die Du empfiehlst (oder auch 3…)?
Meine beiden aktuellen Bücher „Positive Leadership" und "Positive Leadership in der Praxis“ (facultas Verlag 2024) – sie zeigen, wie das PERMA-Lead Modell in der Praxis wirkt, mit vielen Beispielen, Übungen und echten Geschichten aus Unternehmen.
Natürlich Kim Cameron: Positive Leadership – der Klassiker mit viel Tiefgang und beeindruckenden Studien.
Schon älter aber noch immer gut: Der TED-Talk von Shawn Achor: The Happy Secret to Better Work – charmant, unterhaltsam und ein großartiger Einstieg in die Positive Psychologie.
Danke, lieber Markus, für Deine Antworten, Deine großartige Arbeit – und Deine Freundschaft!
PS: Du machst, Ihr macht, Sie machen das gut!