23 Jobwechsel – und jeder hatte einen Grund
Was wir aus brüchigen Lebensläufen über den Arbeitsmarkt (und seine Abgründe) lernen können.
23 Stationen in wenigen Jahren – für viele Personaler:innen wäre das ein Warnsignal. Doch wer genauer hinsieht, erkennt nicht Inkonsequenz, sondern Konsequenz. Nämlich die, toxische Strukturen zu verlassen.
Ich habe 23-mal den Job gewechselt. Nicht aus Unentschlossenheit. Nicht, weil ich mich nicht festlegen wollte. Sondern weil ich es für MICH tun musste.
Ein Streifzug durch diese Stationen gleicht weniger einem Karriereweg, als einer Landkarte prekärer Arbeitsrealitäten:
– Vorgesetzte, die handgreiflich wurden – mehrfach.
– Personalunterkünfte ohne Heizung oder warmes Wasser – im Dezember.
– Kollegen, die gar nicht hätten arbeiten dürfen – rechtlich, medizinisch oder schlicht menschlich betrachtet.
– Chefs, die keine Unternehmen führten, sondern organisierte Betrugsmodelle.
– Aufforderungen zu systematischem Lohn- und Versicherungsbetrug.
– Führungskräfte, die Mitarbeitenden explizit das Mitdenken verboten.
– Weihnachtsgeld, das wenige Tage vor Heiligabend „aus strategischen Gründen“ gestrichen wurde.
– Löhne, die ausblieben – oder erst nach mehrfacher Nachfrage gezahlt wurden.
– Überstunden, die plötzlich aus dem System verschwanden.
– Dienstpläne mit Bleistift – mit der ausdrücklichen Anweisung, bei Zollkontrollen falsche Angaben zu machen.
– Polizeibesuche im Büro – wegen der Geschäftsführung.
– Feedbackgespräche, die aus einem Satz bestanden: „Joa, ne – passt nicht.“
Was nach Ausnahmefällen klingt, ist für viele Arbeitnehmer:innen Realität. Besonders in schlecht regulierten Branchen, in der Gastronomie, im Einzelhandel, in der Pflege, in Start-ups ohne HR-Kompetenz – oder schlicht überall dort, wo Kontrolle fehlt und Menschen austauschbar erscheinen.
Ich habe viele dieser Stationen nicht verlassen, weil ich unzufrieden war.
Ich habe sie verlassen, weil ich bleiben nicht verantworten konnte – mir selbst gegenüber.
Und heute?
Schaue ich anders auf Lebensläufe. Ich suche keine Stringenz mehr. Ich frage mich nicht, warum jemand gegangen ist – sondern wohin er nicht bleiben konnte.
Denn in manchen Fällen ist ein Jobwechsel kein Bruch. Sondern eine Entscheidung für den Selbstschutz. Und oft der einzig gesunde Schritt.
Deshalb verurteile ich keine Lücken, keine Sprünge, keine Unruhe im Lebenslauf. Ich höre lieber hin.
Denn wer 23-mal gegangen ist, hat nicht 23-mal versagt.
Sondern womöglich 23-mal den Mut gehabt, für sich einzustehen.