Bedingungslose Loyalität im Job? Absolut fehl am Platz (©Getty Images)

🚨 4 Gründe, warum „Wir sind wie eine Familie“ dein Unternehmen ruinieren kann

„Wir sind hier wie eine große Familie.“ Klingt nett, oder? Vertraut, warm, fast schon romantisch. Dieser Satz begegnet mir immer wieder – auf Karriereseiten, in Bewerbungsgesprächen, in Teambesprechungen. Und jedes Mal denke ich: Bitte nicht.

Denn so sehr dieser Satz vielleicht gut gemeint ist – er ist brandgefährlich für die Unternehmenskultur.

Ich bin seit über zehn Jahren CEO. Wir haben ADFERENCE gegründet, als wir noch zu dritt in einem winzigen Büro saßen. Und ja, wir waren damals eng verbunden. Aber eins war immer klar: Wir sind ein Team – keine Familie. Und genau das hat uns stark gemacht.

Hier sind vier Gründe, warum das Familiennarrativ deinem Unternehmen schadet:

1. Emotionaler Druck statt gesunder Performance

In einer Familie springt man füreinander ein – ohne zu zögern. Man opfert sich auf, stellt eigene Bedürfnisse zurück. Wenn man dieses Prinzip ins Unternehmen überträgt, entsteht schnell ein Klima, in dem Mitarbeitende das Gefühl haben, „Ja“ sagen zu müssen … zu allem.

👉 Überstunden werden zur stillschweigenden Norm.
👉 Kritik wirkt wie ein persönlicher Angriff.
👉 Wer mal nicht „voll da“ ist, wird als illoyal wahrgenommen.

So ein Umfeld erzeugt Burn-out statt Bindung.
Urlaub absagen? Klar, „die Familie braucht dich“. Überstunden? Selbstverständlich, „wir ziehen doch alle an einem Strang“.
Dabei geht es im Job um Leistung, Klarheit und Grenzen – nicht um emotionale Erpressung.

2. Keine klaren Grenzen zwischen Job und Privatleben

„Familie“ suggeriert, dass man jederzeit füreinander da sein muss. Klingt schön – aber im Unternehmenskontext kann das schnell zur Totalvereinnahmung führen. Wenn das Private nicht mehr als gleichwertig respektiert wird, sondern unter der gemeinsamen „Mission“ leidet, wird’s gefährlich.

Ich bin selbst Vater. Und ich weiß, wie wichtig es ist, nach Feierabend wirklich abzuschalten. Unternehmen sollten genau das ermöglichen – nicht subtil untergraben.

3. Verdeckte Konflikte statt offener Kommunikation

In vielen Familien wird Harmonie über alles gestellt. Man sagt nicht, was einen stört, um „den Haussegen nicht zu gefährden“. Das führt zu unausgesprochenem Groll – und genau das überträgt sich auf Unternehmen, die sich wie eine Familie sehen wollen.

👉 Feedback bleibt aus.
👉 Spannungen schwelen unter der Oberfläche.
👉 Probleme werden personalisiert, statt gelöst.

Dabei ist professionelle, ehrliche Kommunikation der Schlüssel zu jeder Weiterentwicklung – nicht emotionalisierte Zurückhaltung.

4. Unrealistische Erwartungen an Loyalität

In Familienbeziehungen geht es oft um bedingungslose Loyalität. Im Job? Absolut fehl am Platz. Mitarbeitende dürfen kündigen, neue Wege gehen oder Entscheidungen des Managements kritisch hinterfragen – und zwar ohne, dass ihnen das als „Verrat“ ausgelegt wird.

Wenn „Familie“ bedeutet, dass man bleiben muss, selbst wenn die Reise nicht mehr passt, dann ist das keine Unternehmenskultur – sondern emotionale Erpressung.

Fazit: Team statt Familie – und das ist gut so

Bei ADFERENCE haben wir uns ganz bewusst nie als Familie verstanden – sondern als leistungsorientiertes Team, das sich gegenseitig vertraut, unterstützt und auch mal fordert.

Wir feiern Erfolge zusammen, stehen in schwierigen Phasen füreinander ein – aber mit professioneller Distanz. Und das fühlt sich viel gesünder an als jede künstliche Familien-Rhetorik.

Denn echte Zugehörigkeit entsteht nicht durch emotionale Vereinnahmung – sondern durch Respekt, Klarheit und gemeinsame Werte.

Lass uns aufhören, Familie zu spielen – und anfangen, ehrliche Teams zu bauen.

Dr. Florian Nottorf schreibt über Marketing & Werbung, Amazon PPC, New Work

Dr. Florian Nottorf ist Mitgründer & Co-CEO der ABOUT YOU-Tochter ADFERENCE, die als AdTech-Spezialistin innovative Werbe-Technologien für Amazon entwickelt. PPC Hero listet Florian als Top 25 Most Influential PPC Expert. Zudem berichtet er über seine Erfahrungen als Familienvater & New Work CEO.

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