„60 Stunden als Sweet Spot der Produktivität“: Bringt mehr Arbeit wirklich mehr Leistung?
Google muss im KI-Rennen gegen OpenAI aufholen. Dazu fordert Co-Gründer Sergey Brin eins: höhere Arbeitszeiten. Bringt das die ersehnte höhere Produktivität?
„60 Stunden sind der Sweet Spot der Produktivität“, soll Brin an das Googles-KI-Team DeepMind geschrieben haben. Das berichtet die „New York Times“. Der Wettbewerb um KI-Anwendungen habe sich so stark intensiviert, dass voller Einsatz gefragt sei, heißt es weiter in dem Schreiben. Die 60 Stunden seien allerdings nur eine grobe Orientierung. Denn bei einer noch höheren Arbeitszeit würden die Mitarbeiter ausbrennen und ihre Kreativität verlieren.
Bei den von Brin vorgeschlagenen 60 Stunden befinden sich Arbeitnehmer bereits „tief im roten Bereich“, sagt Enzo Weber, Leiter des Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. „Die Forschungsergebnisse sind klar: Wenn wir überlange Arbeitszeiten haben, dann ist das gesundheitsschädlich und leistungsschädlich“, ergänzt er.
Wer lange arbeitet, ist unkonzentrierter, macht mehr Fehler und verursacht häufiger Unfälle. Hinzu kommt, dass lange Arbeitszeiten die Gesundheit schädigen. Das kann zu kurzfristigen, aber auch zu langfristigen Ausfällen führen.
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NICHT NUR AUF ARBEITSZEIT FIXIEREN
Doch auch hierzulande wird viel aufgrund der stagnierenden Produktivität über die Arbeitszeit diskutiert. So forderte CDU-Vorsitzender Friedrich Merz, dass Deutschland mehr arbeiten muss, um die Wirtschaft zu stärken. Tatsächlich liegt die Wochenarbeitszeit in Deutschland mit 38,19 Stunden unter dem weltweiten Schnitt. Allerdings liegt das vor allem an dem hohen Anteil an erwerbstätigen Frauen, die oftmals nicht in Vollzeit arbeiten. Ein Arbeitszeitproblem hat Deutschland nicht.
Währenddessen fordern andere Stimmen sogar die Vier-Tage-Woche. Doch: „Eine Stundenreduktion erhöht die Produktivität nur, wenn dadurch überlange Arbeitszeiten reduziert werden“, erläutert Weber. Eine starre Vier-Tage-Woche ist also nicht die Lösung.
Statt sich auf die Debatten zu fixieren, wie lange Angestellte arbeiten sollen, sollte über die Produktivität gesprochen werden. Denn: „Nichts ist produktiver als ein Beschäftigter, der zufrieden ist und aus eigenem Antrieb sich im Job weiterentwickeln will“, erläutert Weber. Arbeitszeit, Selbstbestimmung und Vereinbarkeit sind wichtige Zufriedenheitsfaktoren. Eine hohe Flexibilität und Mitbestimmung können die Produktivität besser steigern als eine 60-Stunden-Woche.
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