60+ und immer noch fit für den Job? Warum Bewerber über 60 oft chancenlos sind
Trotz besserer Gesundheit und mehr Aktivität haben Bewerber über 60 auf dem Arbeitsmarkt oft keine Chance. Vorurteile wie steigende Krankentage und sinkende Produktivität halten Unternehmen zurück. Dabei können gerade erfahrene Fachkräfte im Außendienst unschätzbare Vorteile bieten. Der demografische Wandel zeigt: Es ist Zeit, diese Potenziale zu nutzen.
Immer wieder sehe ich in meiner Arbeit, dass Bewerber Mitte 50 noch realistische Chancen auf eine neue Stelle haben. Doch sobald eine 6 vorn steht, wird es fast unmöglich. Dabei sind 60-Jährige heute nicht mehr vergleichbar mit denen vor 10 oder 15 Jahren. Sie sind gesund, aktiv und motiviert, noch Jahre zu arbeiten. Doch der Arbeitsmarkt sieht das oft anders.
Warum tun sich Unternehmen so schwer mit älteren Bewerbern?
Es gibt bestimmte Annahmen, die sich hartnäckig halten:
• „Mit 60 geht es ja bald in Rente“ – Doch wann ist „bald“? Ein Renteneintritt mit 67 oder sogar 70 Jahren ist längst Realität. Das bedeutet für Unternehmen: Ein 60-jähriger Bewerber hat noch 7 bis 10 Jahre Arbeitsleistung vor sich! Das ist eine Zeitspanne, in der viele jüngere Arbeitnehmer längst wieder die Stelle gewechselt haben.
• „Ältere Arbeitnehmer sind häufiger krank“ – Auch das ist nicht zwingend der Fall. Jüngere Bewerber mögen vielleicht weniger mit chronischen Beschwerden zu kämpfen haben, aber es gibt genug fitte 60-Jährige, die seltener ausfallen als mancher 30-Jährige.
• „Produktivität sinkt im Alter“ – Doch ist das wirklich so? Besonders im Vertrieb oder in beratenden Tätigkeiten kann Erfahrung ein enormer Vorteil sein. Jeder, der sich in diesem Bereich auskennt, weiß: Im Außendienst zählen nicht nur Schnelligkeit oder digitale Affinität – sondern vor allem Fachwissen, Netzwerke und Überzeugungskraft. Ein Mitarbeiter mit 20 oder 30 Jahren Branchenerfahrung bringt oft schnellere Erfolge als ein junger Kollege, der sich erst einarbeiten muss.
Den Blick auf die Realität richten
Berührungsängste mit der 6 in der Altersangabe? Ich vermute, dass wir uns noch immer von der Zahl 6 in der Altersangabe abschrecken lassen. Während 59-Jährige oft noch als erfahrene, aber durchaus attraktive Bewerber wahrgenommen werden, scheint mit 60 plötzlich eine unsichtbare Grenze überschritten. Doch warum? Hat sich die Person über Nacht verändert? Wohl kaum. Es ist eine rein psychologische Hürde, die wir endlich überwinden müssen.
Was sich ändern muss
Ich bin überzeugt, dass Unternehmen umdenken müssen, wenn sie langfristig wettbewerbsfähig bleiben wollen. Dazu gehören einige grundlegende Veränderungen:
• Bewusstseinswandel in Unternehmen fördern: Viele Vorurteile gegenüber älteren Bewerbern beruhen auf veralteten Vorstellungen. Eine gezielte Aufklärung durch Studien, Best Practices oder Erfolgsgeschichten könnte helfen, Entscheider umzustimmen. Unternehmen müssen verstehen, dass 60 nicht mehr „alt“ bedeutet.
• Bewerbungsprozesse anpassen: Oft scheitern ältere Bewerber schon daran, dass ihre Lebensläufe aussortiert werden, weil sie „zu viel Erfahrung“ haben. Anonyme Bewerbungsverfahren oder eine stärkere Fokussierung auf Fähigkeiten statt auf das Geburtsjahr könnten hier helfen.
• Erfahrung gezielt nutzen: Gerade in beratenden, vertriebsorientierten oder strategischen Rollen kann langjährige Erfahrung ein riesiger Vorteil sein. Unternehmen sollten prüfen, wo gezielt Senior-Positionen oder Mentorenprogramme ältere Mitarbeiter einbinden können.
Ein bewussterer Umgang mit dem Thema wäre wünschenswert. Warum nicht gezielt prüfen, wann der tatsächliche Renteneintritt geplant ist? Warum nicht den Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit eines Bewerbers individuell betrachten, anstatt ihn allein wegen des Geburtsjahres auszusortieren?
Die Arbeitswelt hat sich verändert – doch viele Unternehmen haben ihre Einstellung zu älteren Bewerbern nicht angepasst. Die demografische Entwicklung zeigt klar, dass es immer mehr ältere Arbeitnehmer geben wird. Können es sich Firmen wirklich leisten, dieses Potenzial nicht zu nutzen?
Ich erlebe es immer wieder: Ältere Bewerber sind hochmotiviert, loyal und bringen wertvolle Erfahrung mit. Doch sie bekommen oft nicht einmal die Chance, das zu zeigen.
Es ist an der Zeit, dass sich das ändert.