7 Gründe für mangelndes Vertrauen, Silent Quitting und Kündigungen

Viele wissen es. Genauso viele machen es falsch. Und Du?

Erfolgs- bzw. Misserfolgsfaktor für Vertrauen 1:

Die vernichtende oder viel zu harsche Kritik

Die erste Verhaltensweise für Vertrauensverlust? Es ist der Moment, wenn Dich jemand elendig zusammenstaucht, weil Du einen Fehler gemacht hast. Zugegeben, den Fehler hast Du ja selbst gemacht. Du bist dafür verantwortlich. Vielleicht hast Du etwas verschlafen, vergessen oder es nicht besser gewusst. Was auch immer der Grund sein mag, es ist Dein Fehler. Nur, wenn eine Führungskraft einen Fehler mit zu viel Meckern bestraft, dann macht diese Führungskraft den nächsten Fehler.

Wie geht’s besser? Schritt 1: Durchatmen, wenn Du von einem Fehler hörst. Schritt 2: Denke so etwas wie: „Wenn sie es besser gewusst hätte, hätte sie es besser gemacht.“ Nur sehr weniger Menschen machen Fehler absichtlich. Schritt 3: Frage Dich: „Wann habe ich meinen letzten Fehler gemacht?“, und „Was waren die größten Fehler meiner Karriere?“ und "Hätte mir das vielleicht auch passieren können?“ Mit diesen drei Schritten hast Du schon viel getan, da Du viel verständnisvoller reagieren wirst.

Als Schritt 4 empfehle ich: Ergründe die Beweggründe des Handelns Deines Mitarbeiters und die Rahmenbedingungen. Was war die Ursache des Fehlers? Wie kam es dazu? Forschend, nicht vorwurfsvoll. Neugierig, nicht verurteilend. Schritt 5: Nochmal durchatmen. Schritt 6: Nochmal an Deine eigenen Fehler aus Deiner Karriere zurückdenken. Schritt 7: Frage Deinen Mitarbeitenden: „Wie können wir oder wie kannst Du diesen Fehler am besten ausbügeln oder korrigieren?“ Schritt 8: Frage „Wie können wir aus diesem Fehler maximal lernen? Du, ich und das gesamte Team?“ Schritt 9: Erarbeitet ein „Wer? Was? Bis wann?“ und lass das von Deinem Mitarbeiter umsetzen. Schritt 10: Überprüfe die Umsetzung eine, vier oder zwölf Wochen später – je nachdem, was sinnvoll ist. Auf diese Weise fühlt sich Dein Mitarbeiter nicht klein gemacht, nicht fertig gemacht. Und Ihr habt das Bestmögliche getan, um die negativen Konsequenzen des Fehlers zu reduzieren. Vielleicht habt Ihr damit sogar weitere, schlimmere Fehler in der Zukunft vermieden.

Der Status quo Deiner Fehler- und Vertrauens-Kultur

Vor zwei Wochen fragte ich in einem Vortrag bei einem meiner Kunden nach der Qualität der Fehlerkultur auf einer Skala von 1-10. 10 = am besten. Die Antworten von über 60 Führungskräften war 5,4 auf der 10er Skala. Und zwei Drittel der Führungskräfte vermuteten, dass die Mitarbeitenden das vermutlich noch schlechter sehen.

Und was wäre möglich mit einer Fehlerkultur von 7, 8 oder gar 9 von 10 Punkten? Wer viel arbeitet, macht auch viele Fehler. Das gehört zum Leben dazu. Wie wirkt sich eine solche Fehlerkultur von nur 5,4 und schlechter auf einer 10er Skala wohl auf Innovationskraft, Geschwindigkeit und Verantwortungsübernahme im Unternehmen aus? Die Antwort kannst Du Dir denken.

Eine schlechte Fehler-Kultur zerstört Vertrauen grundsätzlich. Denn wenn ich schon viel arbeite und auch logischerweise Fehler mache und das dann auch noch viel zu ruppig beantwortet wird, na, dann ist klar, dass Mitarbeitende künftig vom Gaspedal gehen. Und außerdem gehen dann Mitarbeitende künftig lieber bei jeder kleinen Entscheidung zur Führungskraft, statt nachzudenken, einfach zu machen und für Ergebnisse zu sorgen.

Wie schrecklich! Und Du, liebe Leserin, nickst innerlich sofort. Aber leider sieht die Realität dennoch anders aus…

Erfolgs- bzw. Misserfolgsfaktor für Vertrauen 2:

"Du kannst es nicht, Du schaffst es nicht, lass das sein."

Die nächste Methode ist die des Nichtzutrauens. Dafür gibt es verschiedene Varianten. Erste Variante: Gar nicht erst delegieren, sondern gleich selbst machen. Eine Führungskraft sagte einmal zu mir nach meinem Vortrag ‚Loslassen für Führungskräfte‘: „Ich werde ein großes Projekt, das ich eigentlich selbst leiten wollte, an einen Mitarbeitenden delegieren.“ Genau. So macht das eine gute Führungskraft. Sie delegiert Verantwortung. Haben die Mitarbeitenden oft weniger Erfahrung als die Führungskraft? Ja, klar. Machen sie dann mehr Fehler und vielleicht sind die Ergebnisse leicht verzögert oder nicht 120% gut? Ja, aber so ist nun mal das Spiel: Menschen lernen, werden besser und probieren aus, lernen, machen Fehler, lernen, werden besser. Wir geben Wissen an andere weiter, die lernen, machen trotzdem Fehler und lernen noch mehr. In diesem ewigen Spiel befinden wir uns alle. Von Generation zu Generation und von Fehler zu Fehler werden wir kompetenter und besser. Doch dieses ewige Spiel funktioniert nur, wenn wir uns darauf einlassen. Wenn wir das Spiel auf dieses Kalender- oder Geschäftsjahr begrenzen, dann handeln wir zu kurzfristig. Wir befinden uns in einem ewigen Spiel. Jahr um Jahr. Für immer. Auch wenn unser Leben begrenzt ist, so sind wir doch Teil eines Spiels, dass nicht Jahre, nicht Jahrzehnte, sondern ewig dauert. Was tust Du als Führungskraft, um Deinen Beitrag zu leisten, dass dieses ewige Spiel sinnvoll weitergeht? Auch Dir hat einmal jemand etwas zugetraut, was Du noch nicht konntest. Und Du hast geschwitzt und gerungen und es nur einigermaßen oder mit Ach und Krach hinbekommen, bevor Du richtig gut wurdest. Meine Seminare und Coachings waren vor zwanzig Jahren gut. Waren Sie sehr gut? Aus meiner heutigen Sicht: Nein. Sie waren nur gut. Auch wertvoll, aber eben nur gut. Heute 20 Jahre später sind meine Trainings und Vorträge richtig, richtig gut. Und sie gehen mir viel leichter von der Hand. Was konntest Du vor 20 Jahren und was kannst Du heute? Sei Dir bewusst, dass Du andere befähigst und Du andere groß machst. Du spielst eine elementare Rolle in diesem ewigen Spiel. Also, überleg‘ Dir noch heute: Welche Verantwortung wirst Du an jemanden delegieren, die das heute noch gar nicht kann. Erkenne das Potenzial. Vertraue. Traue zu. Und unterstütze auf dem Weg zum Ziel. So lernen Deine Mitarbeitenden und wachsen.

Erfolgs- bzw. Misserfolgsfaktor für Vertrauen 3:

Das Vertrauen entziehen:
Das ist die zweite Variante des Vertrauens-Entzugs: Sich eine Aufgabe zurückholen.

Ein Fehler passiert. Ein Kunde beklagt sich. „Na, dann muss ich wohl selbst Hand anlegen, damit es klappt.“ Denkt die Chefin. Doch das ist häufig der schlechteste Weg, die Kuh vom Eis zu holen.

Denn was lernt die Mitarbeiterin? ‚Wenn’s brenzlig wird, dann muss meine Führungskraft ran. Das kann ich nicht.‘ Keine gute Lektion. Aber genau das wird auch am heutigen Tag tausendfach praktiziert und zerstört tausendfach Vertrauen.

Klar, Du darfst kontrollieren als Führungskraft. Ist sogar Deine Pflicht.

Klar, Du darfst Tipps geben als Führungskraft.

Aber wie wär’s denn vor den Tipps mit folgenden Fragen:

=> „Wie schätzt Du die Situation ein?“

=> „Welche Optionen siehst Du als Nächstes?“

=> „Was würdest Du als Nächstes tun?“

Mitarbeitende sind clever. Und sie lieben es, einen Beitrag zu leisten. Also reiß‘ die Lösung oder das entscheidende Gespräch mit dem reklamierenden Kunden nicht an Dich. Befähige lieber Deine gute, lernende Mitarbeiterin, das Gespräch selbst zu führen. Und dann frage: „Was würdest Du nächstes Mal noch besser machen?“ und „Wie würdest Du von vornherein die Weichen auf Erfolg stellen?“

Besser gemeint, aber im Grunde auch nicht besser

Das Gleiche passiert, wenn Du die Lösung für das Problem vorgibst. Deine Mitarbeiterin darf zwar selbst umsetzen, aber Du bist das Brain, das die geniale Lösung bringt.

Das passiert in meinen Führungskräfte-Seminaren in den Übungen ständig. Ernsthaft: Ständig! Obwohl wir es zuvor besprochen haben. Die Mitarbeiterin soll die Lösung herausknobeln, nicht die Führungskraft.

Also, stell‘ Dir doch nach jedem Mitarbeitergespräch folgende Frage „Vom wem kam gerade die Lösung?“ Meine Hypothese: im Schnitt in 75% der Fälle kommt die Lösung von der Führungskraft.

Das schafft kein Vertrauen.

Das schafft Abhängigkeit.

Du als Führungskraft bist dann zwar wichtig.

Aber keine gute Führungskraft.

Was möchtest Du sein?

Kennen heißt nicht können

Und falls Du denkst, Du wusstest das alles schon vorher und hast das alles schon einmal irgendwo gehört oder gelesen, dann hast Du vermutlich recht.

Doch wie gut Du das tatsächlich machst, findest Du nur heraus, wenn Du Deine Mitarbeitenden fragst auf einer Skala von 1-10. Und dann fragst Du: „Was mache ich schon gut als Führungskraft?“, und „Was fehlt zu einer 10?“ Frag doch mal.

Viel Erfolg, dabei eine vertrauende & motivierende Führungskraft zu sein. Jeden Tag! Dein Markus Jotzo

.

Mehr von Markus Jotzo:

Podcast "Führen wie ein Löwe". Alle 2-3 Wochen eine neue Episode für Führungskräfte und alle, die etwas bewegen wollen. Jede Episode nur 10-15 Minuten. Bei Spotify gratis hören. Und auch überall sonst, wo's Podcasts gibt.

Markus Jotzo schreibt über Wirtschaft & Management, Bildungswesen, Job & Karriere, Personalwesen

Markus Jotzo. Autor, Redner und Trainer für Führung. Seit 2005 provoziert und unterstützt er Führungskräfte in Deutschland und weltweit. Sein Podcast heißt "Führen wie ein Löwe". Mit seinem Blog, seinen Büchern, Reden, Seminaren und Artikeln inspiriert er Menschen in über 15 Ländern.

Artikelsammlung ansehen