Typisch Gen Z: ständig am Handy, aber nie zu erreichen | © Jakob Schlothane/Pixabay

Active Sourcing: Wie man die Gen Z anschreibt – und wirklich eine Antwort bekommt

Sie sind ständig am Handy – und trotzdem antworten sie nicht. Willkommen im Recruiting der Generation Z. Man schreibt sie an, sie sehen’s – und dann? Stille. Wie erreicht man eine Generation, die online, aber nicht greifbar ist? Und wie gewinnt man ihre Aufmerksamkeit – wenn man dafür nur Sekunden hat?

Ob auf Instagram, TikTok oder Business Social Media – die Gen Z ist da. Sie scrollt, liked, chattet – und ist gleichzeitig kaum greifbar. Recruiter:innen investieren Stunden in Active Sourcing, verschicken sorgfältig formulierte Nachrichten – und bekommen: nichts. Oder ein „Bin dabei :)“ – und dann: Ghosting.

Die Aufmerksamkeitsspanne? Kurz.
Die Haltung? Selbstbewusst.
Die Realität? Frustrierend.

Viele Unternehmen stehen vor der gleichen Frage:
Wie spricht man eine Generation an, die ständig online ist, aber selten reagiert?
Wie schafft man es, wirklich ins Gespräch zu kommen – und nicht direkt wieder rauszufliegen?

In diesem Artikel zeige ich, was beim Erstkontakt mit der Gen Z zählt. Welche Fehler man vermeiden sollte. Und welche kleinen Tricks den entscheidenden Unterschied machen.

Ich bin selbst Teil dieser Generation. Ich kenne die Plattformen, die Sprache – und die Gründe, warum viele Nachrichten ignoriert werden. Als Beraterin helfe ich Unternehmen dabei, die Generation zu verstehen, ihre Sprache zu sprechen und Talente der Generation nachhaltig zu gewinnen.

Fangen wir an.

Tipp 1: Das richtige Mindset

Nicht jeder, der auf Social Media erreichbar ist, ist auch aktiv auf Jobsuche. Gerade bei der Gen Z ist das wichtig zu verstehen: Viele sind offen – aber nicht aktiv suchend.

Heißt: Wer anschreibt, muss überzeugen. Nicht informieren.
Die erste Nachricht darf nicht überfordern – aber auch nicht beliebig sein.

Was gar nicht geht: Druck. Sätze wie „Bitte gib mir bis Freitag Bescheid“ oder „Schick mir deine Unterlagen“ lösen eher Fluchtreflexe aus als Interesse. Denn wer nicht aktiv sucht, will nicht direkt in einen Bewerbungsprozess gedrängt werden. Die Gen Z braucht Freiraum. Und eine Kommunikation, die offen lässt – statt einschränkt.

Erstes Ziel sollte deshalb sein:
Interesse wecken. Nicht direkt konvertieren. Wer auf Augenhöhe schreibt, locker ein Gespräch anbietet und klarmacht, warum er oder sie sich meldet, bleibt hängen. Und wer sich dabei noch von den zig anderen Nachrichten im Postfach abhebt – gewinnt.

Tipp 2: Weck Interesse – schon in der Betreffzeile

„Office Manager (m/w/d) für junges, dynamisches Team gesucht“ – klingt nach Stellenanzeige. Und zwar nach einer von vielen. Doch Active Sourcing ist keine Einbahnstraße. Es geht nicht darum, Jobtitel zu verschicken. Sondern darum, einen Dialog zu starten. 

Die Betreffzeile entscheidet, ob deine Nachricht geöffnet wird – oder ungelesen im Archiv landet.
Deshalb: kurz, persönlich, relevant. Keine Buzzwords. Kein Copy-Paste. Keine Behördensprache.
Stattdessen: Nähe aufbauen. Interesse wecken. 

Zum Beispiel so:

  • „Hi Lara, darf ich dir kurz einen Job vorstellen?“

  • „Hey Leon, wir haben einen Job, der zu dir passen könnte.“

  • „Hi Ella, bist du offen für neue berufliche Möglichkeiten?“

Du sprichst die Person direkt an. Fragst, statt zu fordern. Und gibst Raum für eine Antwort – statt schon alles zuzuschütten. Wer Menschen erreichen will, muss sie zuerst sehen und verstehen.

Tipp 3: Starte einen Chat, keinen Bewerbungsprozess

Das ist der Punkt, an dem sich viele Recruiter:innen aufs Glatteis begeben. Denn: Wir befinden uns hier nicht in einem klassischen Bewerbungsprozess. Wir sind auf einer Social-Media-Plattform. Und da funktioniert Kommunikation anders. 

Schneller. Persönlicher. Unkonventioneller. Weniger wie ein Bewerbungsschreiben – mehr wie ein WhatsApp-Chat.

Das bedeutet:

  • Kein „Sehr geehrter Herr XY

  • Kein Einleitungstext wie aus dem Bewerbungsratgeber

  • Keine Signatur mit fünf Titeln

Sondern: echte Kommunikation. „Hi Lena“ oder „Hey Max“ wirkt viel nahbarer – und passt besser zur Plattform. Emojis? Gern, wenn’s zu dir passt. Humor? Sehr gern, solange es respektvoll bleibt.

Auch Small Talk ist erlaubt:  „Ich hoffe, du hattest ein schönes Wochenende.“  „Ich wünsche dir einen guten Start in den Tag.“ Das zeigt Interesse – nicht Oberflächlichkeit.

Und: Wenn das Gespräch läuft, bleib locker. Du musst nicht jede Nachricht mit einer Anrede starten. „Super, der Termin ist eingetragen. Ich freu mich! :)“ reicht völlig. Was abschreckt? „Liebe Frau Meier, ich habe die Einladung soeben versendet …“ Das klingt wie aus einer anderen Welt. Und genau das ist es auch.

Tipp 4: Interesse wecken – statt alles erzählen

Viele Recruiter denken vom eigenen Ziel aus: Stelle besetzen, Infos rausgeben, alles unterbringen. Dann wird aufgezählt: Benefits, Werte, Aufstiegschancen, Jobdetails, Anforderungen – alles auf einmal.

Ergebnis? Die Nachricht ist so lang, dass man sie sich „für später“ aufhebt. Und dann nie wieder liest. Denn echtes Interesse ist (noch) nicht da – und die Infoflut hilft nicht weiter.

Weniger ist hier mehr. Ziel der Erstnachricht ist nicht, den Job zu erklären. Sondern: Interesse zu wecken. Neugierig machen. Nähe aufbauen.

Viele Recruiter haben Angst: Was, wenn genau die Information fehlt, die überzeugt hätte?

Die Antwort: Es gibt nicht die eine Info, die alles entscheidet. Was überzeugt, ist oft das, was zwischen den Zeilen mitschwingt: Persönlichkeit, Sympathie, Wertschätzung.

So kann eine Nachricht aussehen:

"Hi Lea,

ich bin Line – seit drei Jahren Recruiterin bei [Unternehmen]. Meine Aufgabe: die besten Talente zu finden. Und da bist du mir sofort aufgefallen.

Ich bin mir sicher: Ich bin nicht die Erste, die dir schreibt. Aber diese Position hast du bestimmt noch nicht gesehen – und sie passt wirklich zu dir.

Kurz zu uns: Wir sind ein Familienunternehmen und gleichzeitig Marktführer – mit dem Purpose, nachhaltige Verpackungen zu entwickeln.


Zur Rolle: Wir suchen eine Assistenz der Geschäftsführung, die vorausschauend denkt, den Überblick behält und Strukturen schafft, wo andere noch Chaos sehen. Du hältst den CEOs den Rücken frei und sorgst dafür, dass sie sich auf das konzentrieren können, was sie am besten können: das Team und das Unternehmen weiterentwickeln.


Ich will gar nicht zu viel verraten – schau dir die Stelle einfach mal an, wenn du neugierig bist: [Link zur Position]
Wenn du mehr wissen willst, lass uns kurz telefonieren – oder sag mir einfach, wann ich dich am besten erreiche.

Keine Aufzählung. Kein Druck. Kein Pflichtenkatalog.

Wichtig: Kein Anforderungsprofil. Wenn du die Person angeschrieben hast, passt sie grundsätzlich – sonst hättest du sie nicht ausgewählt. Jetzt geht es nicht um Qualifikation, sondern um Gesprächsbereitschaft.

Tipp 5: Moderne Elemente nutzen – spielerisch statt steif

Die Gen Z mag es modern, direkt und ein bisschen verspielt. Warum also nicht auch das Recruiting entsprechend gestalten? Schon kleine Tools können den Unterschied machen – und zeigen: Hier kommuniziert kein verstaubtes Unternehmen, sondern jemand, der mit der Zeit geht.

Ein paar Ideen, die in der Praxis super funktionieren:

  • Terminvereinbarung per Link:
    Statt zig Nachrichten zu schreiben, einfach einen Calendy-Link mitschicken. Die Gen Z liebt es, Dinge selbst zu steuern – also: „Such dir einfach den Termin aus, der für dich passt.“

  • Matching-Quiz statt Standard-Stellenanzeige:
    Über Tools wie Perspective kann man in wenigen Minuten ein kurzes Quiz erstellen: Welche Rolle passt zu dir? oder Würdest du gut in unser Team passen? Das ist interaktiv, macht Spaß – und bleibt hängen.

  • Transparenz mit Wow-Effekt:
    Ein Link zu einem Cloud-Ordner mit Bildern vom Team, echten Einblicken in den Arbeitsalltag oder sogar kurzen Videobotschaften. Das zeigt: Hier wird nichts geschönt – hier wird echt kommuniziert.

Solche Elemente schaffen Nähe, machen neugierig – und unterscheiden dich sofort von den 50 anderen Nachrichten im Postfach.

Pro-Tipp: Video-Recruiting – persönlich, mutig, wirkungsvoll

Als ich vor ein paar Jahren den HR-Bereich eines Berliner Start-ups aufgebaut habe, stand ich vor einer ganz einfachen, aber nicht leichten Aufgabe: Kein großes Budget. Aber der Anspruch, die richtigen Leute zu finden.

Meine Lösung: Video-Botschaften.

Die Idee: Jeder Kandidat bekommt ein eigenes kurzes Video – z. B. über Loom. 60 bis 80 Sekunden, in denen man erklärt, warum die Person auffällt, kurz die Karriereseite zeigt und auf die offene Position eingeht.

Das Ergebnis? Öffnungsrate über 37 %. Und vor allem: echte Gespräche – auch bei Absagen. Denn wer sich Zeit nimmt, schafft Wertschätzung. Und hebt sich ab vom Recruiting-Mainstream.

Viele, die absagen, empfehlen trotzdem weiter. Denn man bleibt in Erinnerung – als Recruiter:in, der oder die sich Mühe gibt.

Natürlich: Das Ganze ist zeitintensiv. Und nicht für jede:n das Richtige. 
Video-Recruiting funktioniert nur, wenn es authentisch ist – zur Person und zur Unternehmenskultur passt.
Skalierbar? Ja. Aber je standardisierter, desto weniger Wirkung.

Generell gilt im Recruiting: Lieber effektiv als effizient.  

Statt 100 Massenmails zu verschicken und auf Glück zu hoffen –  lieber 15 Kandidat:innen richtig ansprechen und echte Gespräche führen.

Und jetzt? Was du ab morgen anders machen kannst:

Vielleicht war das viel Input. Vielleicht auch ungewohnter.
Aber Recruiting für die Gen Z heißt vor allem: Umdenken.
Was du konkret ab morgen anders machen kannst:

  • Schreibe keine Nachrichten mehr, die wie Stellenanzeigen klingen.

  • Formuliere die Betreffzeile so, wie eine gute Chat-Nachricht starten würden.

  • Sage „Hi“ statt „Sehr geehrte:r“.

  • Erzähle nicht alles – sondern nur so viel, dass man mehr wissen will.

  • Und denke lieber an 15 gute Gespräche als an 100 unbeantwortete Nachrichten.

Recruiting wird persönlicher. Dialogorientierter. Nahbarer. Und genau das ist eine Chance – für beide Seiten.

Line Therese Hübner

Line Therese Hübner

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