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Soll die künstliche Intelligenz in Gestalt von Agenten selbsttätig Aufgaben erledigt, muss dies operativ in der Unternehmens-IT eingebettet sein. (Quelle: liudmilachernetska – 123RF)

Agentic AI im operativen IT-Betrieb

Agentic AI geht über klassische KI hinaus: Sie trifft eigenständig Entscheidungen und führt Handlungen aus. Für IT-Admins bringt das neue Anforderungen an Infrastruktur, Integration und Kontrolle. Wichtig sind skalierbare Ressourcen, saubere Daten, Monitoring und Compliance.

Im Unterschied zu generativer KI, die Inhalte erzeugt, geht Agentic AI einen Schritt weiter: Sie analysiert nicht nur, sondern trifft eigenständig Entscheidungen und führt Aktionen aus – iterativ, aufgabenbasiert und mit dem Ziel, komplexe Prozesse zu automatisieren. Damit ergeben sich neue Anforderungen an die IT-Infrastruktur: Agentic AI benötigt Zugriff auf operative Systeme, muss in bestehende Prozesse eingebettet werden und verlangt nach klaren Schnittstellen und Kontrollmechanismen.

Unternehmen haben längst den Wert eines solchen Systems erkannt. Laut Gartner wird Agentic AI bis 2027 zu einem entscheidenden Technologietrend, der Unternehmensabläufe grundlegend verändert. Zu den Kernanwendungsgebieten zählen automatisierte Entscheidungsfindung, Prozessautomation, Cybersicherheit sowie Innovationsmanagement. Allerdings gibt es einiges bei der Einführung dieser Technologie zu beachten, damit aus dem potenziellen Wettbewerbsvorteil nicht Frustration bei Mitarbeitenden und Investoren wird.

Governance und Sicherheit zuerst
Für Admins ist eines klar: Keine neue Technologie ohne belastbares Kontrollkonzept. Agentic AI erfordert transparente Entscheidungsprotokolle, durchgängige Überwachbarkeit und klare Regelwerke für autonomes Handeln. Unternehmen müssen jederzeit nachvollziehen können, warum eine KI welche Entscheidung getroffen hat – insbesondere dann, wenn sie in sicherheitskritischen oder datenschutzrelevanten Bereichen zum Einsatz kommt.
Mit dem EU AI Act sind bereits erste regulatorische Leitplanken gesetzt. Besonders für Hochrisiko-Anwendungen sind strenge technische und organisatorische Maßnahmen erforderlich. IT-Verantwortliche müssen daher frühzeitig klären:

  • Welche Agentic-AI-Systeme greifen auf welche Daten zu?

  • Wie lassen sich Entscheidungsprozesse versionieren, loggen und auditieren?

  • Welche Backup- und Notfallstrategien existieren, wenn Agenten fehlsteuern?

Parallel dazu spielen bestehende Datenschutzregelungen, insbesondere die DSGVO, eine entscheidende Rolle. Unternehmen müssen sicherstellen, dass personenbezogene Daten ordnungsgemäß verarbeitet werden und KI-Systeme transparent agieren. Hierfür ist ein sicheres und einheitliches Datenmanagement im Unternehmen unablässig. Ein weiteres Thema ist die Kontrolle und Nachvollziehbarkeit autonomer Entscheidungsprozesse, um Compliance-Anforderungen zu erfüllen und Haftungsrisiken zu minimieren. Daher sollten Unternehmen klare Protokolle und Prozesse gestalten, die die Nachvollziehbarkeit zu jeder Zeit gewährleisten.

Drei technische Voraussetzungen
Für die Einführung von Agentic AI bedarf es mehrerer Voraussetzungen:

  • Verlässliche Datenbasis: Ohne saubere, aktuelle und strukturierte Daten funktioniert kein Agentensystem. IT-Administratoren stehen hier vor der Aufgabe, Datenquellen zu identifizieren, zu qualifizieren und mit Migrations- oder Bereinigungsläufen zu harmonisieren.

  • Skalierbare Infrastruktur: Rechenintensive Prozesse, wie sie bei Multi-Agenten-Systemen oder beim Training großer Sprachmodelle auftreten, lassen sich mit herkömmlichen On-Premises-Strukturen oft nur schwer stemmen. Cloudplattformen mit GPU-optimierten Instanzen, elastischem Scaling und Infrastruktur-as-Code-Konzepten bieten die nötige Flexibilität.

  • Monitoring und Compliance-Checks: Agentic AI darf kein Blindflug sein. Technisches Monitoring – ergänzt durch stichprobenbasierte Prüfungen – muss in Echtzeit erfassen können, ob Systeme korrekt arbeiten, Anomalien auftreten oder definierte Policies verletzt werden.

Sind diese Grundlagen in einem Unternehmen nicht gegeben, ist die erfolgreiche Einführung von Agentic AI fast unmöglich. Im schlimmsten Fall führt es zu einer Ablehnung der Mitarbeitenden im Unternehmen und damit zu einem starken Wettbewerbsnachteil. Ein überstürztes Arbeiten an agentenbasierten Projekten, ohne die richtige Basis geschaffen zu haben, ist dementsprechend kontraproduktiv.

Schrittweise Einführung
Ein schrittweiser Ansatz hilft Unternehmen, Agentic AI erfolgreich einzuführen und interne Vorbehalte zu minimieren. Dabei stellt die Integration in bestehende IT-Infrastrukturen eine zentrale Herausforderung dar. Unternehmen müssen sicherstellen, dass existierende Systeme kompatibel sind und die benötigte Rechenleistung sowie Schnittstellen zur Verfügung stehen. Besonders wichtig ist eine flexible Architektur, die eine nahtlose Einbettung von Agentic AI in bestehende Prozessabläufe ermöglicht, ohne die Stabilität und Sicherheit der IT-Umgebung zu gefährden. Empfehlenswert ist es, mit klar abgegrenzten Pilotprojekten zu starten, die einen direkten Mehrwert liefern. Pilotprojekte können etwa in diesen Bereichen angesiedelt sein:

  • Incident Response Automation: Agenten analysieren Logdaten, priorisieren Vorfälle und leiten initiale Gegenmaßnahmen ein – alles regelbasiert, auditierbar und skalierbar.

  • Predictive Maintenance: Durch sensorbasierte Datenanalyse erkennen Agenten Verschleißmuster und planen Wartungsvorgänge automatisiert ein.

  • Ticketing und Helpdesk-Automatisierung: Ersteinstufung, Rückfragen oder Eskalationen lassen sich agentenbasiert abwickeln – mit Übergabe an menschliche Kollegen bei Bedarf.

Cloud statt Bottleneck
Für viele IT-Abteilungen stellt sich die Frage: Lässt sich Agentic AI wirtschaftlich on-premises betreiben? In der Regel nicht. Die hohen Anforderungen an GPU-Ressourcen, Netzwerkkapazität und Speicher machen lokale Umsetzungen kostenintensiv und schwer skalierbar. Cloudplattformen wie AWS, Microsoft Azure oder Google Cloud bieten hier eine praktikable und technisch ausgereifte Alternative. Sie stellen skalierbare Ressourcen on-demand bereit, ermöglichen eine flexible Anpassung an Lastspitzen und bieten spezialisierte Dienste für Training, Orchestrierung und Ausführung von KI-Workloads. Darüber hinaus erleichtern integrierte Werkzeuge für Logging, Monitoring, Versionskontrolle und Modellverwaltung den produktiven Betrieb von Agentic-AI-Ansätzen in dynamischen Umgebungen.

Bei sensiblen Daten kann der Einsatz souveräner Cloudsysteme oder hybrider Architekturen sinnvoll sein. Wichtig ist in jedem Fall: Sicherheitsmaßnahmen wie Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, Härtung der APIs und ein zentrales Identitätsmanagement sind von Anfang an mitzuplanen.

Change Management betrifft auch IT
Technologie ist nur ein Teil der Gleichung – der andere Teil ist organisatorisch. Die IT-Abteilung selbst spielt eine Schlüsselrolle: Sie muss nicht nur Systeme bereitstellen, sondern auch intern Überzeugungsarbeit leisten, Schulungen koordinieren und den Know-how-Transfer sicherstellen. Hilfreich sind bereits etablierte Systeme wie Microsoft Copilot oder AWS Q. Sie können als Einstieg dienen, um operative Teams an agentenbasierte Arbeitsweisen heranzuführen und Akzeptanz zu fördern – bei minimalem Aufwand für Integration und Wartung.

Fazit
Für IT-Admins bedeutet Agentic AI nicht primär Zukunftsmusik, sondern operative Realität. Die Technologie bietet das Potenzial, Routineprozesse zu automatisieren, Reaktionszeiten zu verkürzen und Systeme resilienter zu gestalten – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen. Wer heute in standardisierte Schnittstellen, klare Compliance-Strukturen und eine skalierbare Infrastruktur investiert, schafft die Grundlage für agentengestützte IT-Prozesse – vom Incident Handling bis zum Ressourcenmanagement. Agentic AI ist kein Allheilmittel, aber ein Werkzeug, das IT-Abteilungen messbaren Mehrwert bringen kann, wenn es richtig implementiert wird.

Autor: Enrico Abate-Daga, Circle Lead Analytics and Digital Process Automation bei Skaylink

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IT-Administrator schreibt über Praxiswissen für Admins.

IT-Administrator ist das Praxismagazin für System- und Netzwerkadministratoren und liefert jeden Monat passgenaues, sofort umsetzbares Fachwissen. Auf zahlreichen Intensivseminaren und Trainings vor Ort sowie online können sich Admins zudem umfassend fortbilden. Auf Xing informiert die Redaktion über aktuelle Trends und Themen aus der IT.

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