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„Ajo, passt net“ – warum Wegklicken kein Recruiting ist

Es dauert oft nur ein paar Sekunden. Ein Klick. Ein kurzes Zucken der Augenbraue. Ein „Ajo, passt net.“ Und zack: Bewerbung aussortiert.

Kein zweiter Blick.
Kein genauer Abgleich.
Kein echtes Nachdenken.

Das ist Alltag in vielen HR-Abteilungen.
Eine Flut an Bewerbungen trifft auf knappe Zeitbudgets, begrenzte Konzentration, permanente Reizüberflutung.
Also wird gescrollt, gefiltert, gestrichen. Weggeklickt.
Effizienz, nennt man das dann. Oder: Prioritätensetzung.

Aber mal ganz ehrlich: Hast du überhaupt richtig hingeschaut?

Oder nur überflogen?
Zwei Bulletpoints gesehen und innerlich schon weitergezogen?
Weil eh alles zu viel ist.
Weil die Stelle dringend besetzt werden muss.
Weil es noch 43 andere Bewerbungen gibt.
Weil man irgendwann abstumpft.

Worum es wirklich geht

Eine Bewerbung ist kein PDF.
Sie ist kein Datensatz.
Kein weiteres To-do auf deiner ohnehin schon zu langen Liste.

Sie ist – und das ist wichtig – ein Zeichen von Hoffnung.
Von Mut.
Vom Versuch, etwas zu verändern.

Vielleicht ist es die erste Bewerbung seit Jahren.
Vielleicht die letzte Energie nach 20 Absagen.
Vielleicht ein Aufbäumen gegen ein Umfeld, das nicht mehr passt.
Vielleicht der Wunsch nach Wachstum, Perspektive, Neubeginn.

Und du?
Du entscheidest nicht nur über eine Zeile im Lebenslauf.
Du entscheidest über diesen Versuch.
Ob er gesehen wird – oder mit einem Achselzucken gelöscht.

Nicht jedes Profil schreit laut „Top-Talent“

Einige Bewerbungen springen dich an:
Klarer Werdegang. Passende Keywords. Sauberes Layout.
Perfekt für die Pipeline.

Aber andere?
Die flüstern nur.
Ganz leise.
Weil sie ungeschliffen sind.
Oder nicht perfekt „matchen“.
Weil der Weg nicht linear war. Oder der Lebenslauf nicht optimal formatiert.
Aber vielleicht steckt genau dort ein Mensch mit Potenzial.
Mit Haltung. Mit Neugier. Mit Einsatz.

Und du musst bereit sein, genau hinzuschauen.

Nicht zehn Minuten pro Bewerbung.
Aber richtig hinschauen.
Wirklich prüfen, ob da was sein könnte.
Nicht vorsortieren nach Reflex, sondern mit Respekt.

Wir waren doch alle mal Bewerber:in

Erinnerst du dich?
An das Gefühl, zu hoffen, dass jemand nicht einfach wegklickt.
Dass jemand liest.
Dass jemand erkennt, was du kannst – auch wenn es nicht fett im CV steht.
Dass jemand sich kurz Zeit nimmt.
Weil du’s wert bist.

Genau das bist jetzt du – auf der anderen Seite.
Du bist die Chance. Oder das Nadelöhr.

Also, kleiner Reminder:
Behandle andere so, wie du damals behandelt werden wolltest.
Schau hin. Hör zu. Urteile mit Augenmaß.

Es geht nicht um Zeitmanagement.
Es geht um Menschen.

Und manchmal reicht schon ein kleiner Moment echter Aufmerksamkeit,
um eine Entscheidung zu treffen, die jemandem den Mut zurückgibt.

PS: Ich spreche kaum Dialekt. Schade eigentlich.
Aber ich versteh den Satz trotzdem: „Passt net“ klingt oft wie ein Urteil. Dabei wär Hinschauen viel fairer.

Ika Amonath schreibt über Employer Branding, Recruiting Insider, Personalvermittlung, Job & Karriere

Recruiting und Ika = 🤝 Ika hat nicht nur einen Podcast und schreibt spannende Artikel: Vielmehr vermittelt sie Fach- und Führungskräfte per Direktansprache für verschiedene Branchen, hilft in Fragen zu Personal Branding wie Employer Branding und genießt an ihrem Job, das kein Tag gleich ist.

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