Alles in Grau: Ein Plädoyer für das Dazwischen in Wirtschaft und Gesellschaft
Warum Grau so populär ist
Die Popularität der Farbe Grau hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das Ausmaß des Grauen(s) erwischte vor einigen Jahren zuerst die Blue Jeans („Mister Grey“), dann folgten Sofas in Asche, Taube und Schiefer. Facebook-Gründer Marc Zuckerberg sagte Ende 2014 während einer Fragerunde, dass er am liebsten graue T-Shirts trage, weil jede Entscheidung Energie koste, die vor allem seiner Community zugutekommen soll und nicht seinem Kleiderschrank. Bereits in den 1980er-Jahren gestaltete Georgio Armani die Inneneinrichtungen seiner Boutiquen am liebsten in Grau. Seitdem wurden immer mehr Wohnräume zur Grauzone, in der Funktionales, Praktisches und Nachhaltiges miteinander verbunden wird.
Das Graue stand früher für schlechtes Wetter, Trübsinn oder Sehschwäche. Den „Grauen“ in Chamissos Geld- und Schattennovelle „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ (1814), der in Gestalt des Verführers auftritt, kennt heute kaum noch jemand. Allenfalls Goethes „Grau ist alle Theorie.“ In Michael Endes phantastischem Roman „Momo“ (1973) werden „aschgraue Herren“ in grauen Anzügen mit bleigrauen Aktentaschen beschrieben, die Menschen einreden, nur noch Nützliches zu tun, um Zeit zu sparen. Die Grauen sind immer konturlose Gestalten, modern und blasiert, die sich am Ende als wahre Zeiträuber entpuppen.
Heute ist Grau zu einem Understatement geworden – auch und gerade in gesellschaftlich schwierigen Zeiten. Die Gründe für das graue Wunder sind vielfältig: Die Gesellschaft ist so unruhig und unübersichtlich geworden, dass eine Bewegung des Rückzugs und des Minimalismus dominiert, verbunden mit dem Wunsch nach Beständigkeit und Sicherheit. Deshalb sollte Grau auch die Farbe politischer Verhandlungen sein, weil sie Denk- und Gesprächsräume öffnet. Willy Brandt (1913-1992) sagte einmal: „Ich glaube nicht, dass diejenigen Recht haben, die meinen, Politik besteht darin, zwischen Schwarz und Weiß zu wählen. Man muss sich auch häufig zwischen den verschiedenen Schattierungen des Grau hindurch finden.“ Grau fungiert als Diplomat. Das empfinden auch viele Menschen heute, die nicht mehr polar sein, sondern differenzieren und integrieren wollen. Schwarz und Weiß macht das Denken vielleicht bequemer und die Sicht auf die Welt einfacher - aber besser und innovativer ist das nicht. Neues entsteht dort, wo es keine Abgrenzung gibt, sondern Übergänge.
Grauabstufungen: Von Ödipussi bis zur Küche
Das menschliche Auge kann etwa sechzig Grautöne unterscheiden. Auch in der Zeit zwischen Tag und Nacht nehmen wir verschiedene Grautöne wahr – im Morgengrauen und in der Abenddämmerung. Grau wirkt im jeweiligen Kontext: elegant, zurückhaltend und sachlich. Derselbe Grauton wirkt in unterschiedlicher Umgebung heller oder dunkler. Sprachlichen Ausdruck fand das Thema in Loriots Komödie „Ödipussi“ (1988): „Ich habe hier eine Graukollektion von einer belgischen Firma … da haben Sie 28 Grautöne in jeder Qualität, da werden Sie bestimmt zufrieden sein: Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau … Steingrau, Bleigrau, Zementgrau.“ („Paul Winkelmann“) Auf die Frage nach seiner Lieblingsfarbe antwortet im Film „Herr Blöhmann“: „Grau … aber nicht so Grau … mehr Grüngrau … ins Bräunliche. Eine Art Braungrau … mit Grün … ein Braungrüngrau…. Also ein grünlichblaues … Braunrotgrau.“
Es hat sich heute ein Grauschleier über die Gesellschaft gelegt – das bestätigt ein Blick in Autohäuser, Bau- und Textilmärkte und Möbelgeschäfte. Ein besonderer Trend ist heute betongrau: Neben den vielen Vorteilen, den Beton für das Baugewerbe bietet, wird das Material gerade in der Küchenbranche neu entdeckt: „Mit seiner feinen Porung und seinen 'Grauabstufungen' ist kein Material besser geeignet, „urbanen Industrielook ins Innere der Wohnung zu holen“, sagt Karsten Bäumer, Pressesprecher von Häcker Küchen. Das inhabergeführte Familienunternehmen besteht seit 1898 und produziert seit 1965 moderne Einbauküchen am Standort Rödinghausen, Ostwestfalen, dem Zentrum der deutschen Küchenmöbelindustrie. Derzeit werden über 60 Länder auf allen Kontinenten mit Küchen „Made in Germany“ beliefert. Als einziger Hersteller der Branche hat der Küchenhersteller eine Echtbeton-Oberfläche entwickelt, die zwei Millimeter dünn ist und im September 2017 auf der Küchenmeile A30 präsentiert wurde. Die EuroCucina in Mailand stellte eine der wichtigsten internationalen Messen in der Küchenwelt dar. Häcker Küchen nahm 2018 die Gelegenheit wahr, um hier Neuheiten zu präsentieren: : Auf 450 Quadratmetern hat Häcker Küchen ein innovatives und visuell ansprechendes Präsentationsumfeld geschaffen. Insbesondere die neuen Fronten, Arbeitsplatten und Unterschrankwangen mit Keramikoberfläche standen in der systemat-Produktfamilie im Fokus. Wasserundurchlässig, recyclefähig, lebensmittelecht: Modernste Fertigungsverfahren lassen aus dem Werkstoff Keramik, der aus natürlichen Rohstoffen besteht, einen homogenen sowie pflegeleichten Werkstoff entstehen, den Häcker innovativ in die Küchenwelt transferiert. Die Kreation der Keramikoberfläche vereint höchste Designansprüche mit vielseitiger Funktionalität. Exklusiv bei Häcker erhältlich ist die Nuance Grafite Stone.
Als vor einigen Jahren die ersten Küchen mit Betonoptik in den Markt kamen, zweifelten viele Menschen noch an diesem Trend. Inzwischen hat die Nachfrage allerdings auch die unteren Preisklassen erfasst. Die Hersteller unterscheiden heute nicht nur zwischen unterschiedlichen Beton-Farbtönen. Eine neue Technik ermöglicht es sogar, dass man die Lunker (Einschlüsse) nicht nur sehen, sondern sogar „fühlen“ kann. Das ist besonders wichtig, weil der Tastsinn in Sekundenschnelle auf unser Hirn wirkt. Immer mehr Unternehmen nutzen den Effekt, den Berührung auf den Kaufreiz hat. Grau ist greifbar geworden - und macht die Welt dadurch im Kleinen begreifbar. Das zeigt sich auch in steinernen „Vorgartenfestungen“: Wo der Erdboden zubetoniert ist, muss nicht mehr gegossen werden. „Mit der Minipflanze, die wir in die Steinwüste stecken, versuchen wir auch den letzten Rest Natur berechenbar zu machen“, sagt die Architekturpsychologin Alexandra Abel. Doch es ist ein Trugschluss anzunehmen, dass man über einen Schottergarten die Kontrolle zurückerlangen könne „über eine aus den Fugen geratene Welt.“
Weitere Informationen:
Anke Eberhardt: Grauzone. In: Süddeutsche Zeitung (9./10.1.2016), S. 55.
Thomas Glotzmann: das Grauen. in. Süddeutsche Zeitung (1./2.6.2019), S. 31.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Küchen-Kultur und Lebensart: Warum Verantwortung nicht zwischen Herd und Kühlschrank aufhört. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Wohnen 21.0: Grundzüge des Seins von A bis Z: global – lokal –nachhaltig. Amazon Media EU S.à r.l. 2018.