Angestellte sind Unternehmer

Viele Firmen wünschen sich, dass ihre Angestellten auch unternehmerisch denken. Eigenschaften wie Selbstorganisation, Eigenverantwortung und Willensstärke sind gefragt. Doch was genau braucht es, um unternehmerisch zu denken und zu handeln? Sieben Regeln, die Angestellte dabei unterstützen.

Ein Stuttgarter Mittelständler hat 2023 binnen Monaten zwei Großkunden verloren. Seit Herbst ist deshalb dort „Feuer unterm Dach“: Die Mitarbeiter bangen in dem smart geführten Unternehmen um ihre Arbeitsplätze; flüchten sich im „Flurfunk“ teils in Zynismus, der Arbeitsmoral und Aufbruchstimmung sabotiert; oder ziehen sich dank Homeoffice auf ihr Arbeitsfeld zurück und sehen erst recht nicht das Ganze der Dienstleistungen, für die es viele helfende Hände braucht, die wie Zahnräder reibungslos ineinandergreifen.

In diesem Umfeld hat der Inhaber einen Führungskräftecoach engagiert, der das Bild einer Feuerwehrbrigade bemüht, um den Mitarbeitern aufzuzeigen, wohin sie schnellstmöglich kommen müssen. Denn bei den Einsätzen der Feuerwehr geht es oft um Leben und Tod, weshalb es ein Höchstmaß an Verlässlichkeit in allen Teilbereichen braucht.

Wenn die Pumpe nicht volle Leistung bringt, die Drehleiter klemmt, der Schlauch Löcher hat oder der Einzelne nicht weiß, wo in welcher Situation sein Platz ist, scheitert der gesamte Einsatz. Und: Unter realen Bedingungen ist bei der Feuerwehr der Stresslevel hoch. Da darf in der Einsatzhektik auch mal geschrien werden. Das kann in der Reflexion des Einsatzes angesprochen und geklärt werden. Entscheidend aber ist, dass der Brand rasch gelöscht wird.

Deshalb hier sieben Regeln für jeden Mitarbeiter im Einsatz:

1. Sach- und Beziehungsebene trennen

Kritik richtet sich nie gegen mich als Person, sondern gegen ein konkretes Handeln oder Versäumnis von mir. Wird der Kritiker dabei laut, sagt das zunächst mehr über seinen Stresslevel, sein Engagement für die Sache oder den Handlungsdruck, aber kaum etwas über seinen „Anstand“. Solche Dissonanzen werden dann geklärt, wenn der Brand gelöscht bzw. der Kunde zufrieden ist.

2. Jede Veränderung braucht Aggression

Der Begriff der Aggression ist extrem negativ besetzt. Dem lateinischen Wortstamm nach meint Aggression aber neutral, „an eine Sache herangehen“, „etwas in Angriff nehmen“. Das intendiert viel mehr den Lösungsansatz als eine Destruktion. In einem kraftvollen Team ringen beispielsweise unterschiedliche Personen um die richtige Lösung. Das Gegenteil wäre Gleichgültigkeit, die übrigens eine resignative Form der Aggression ist.

3. Hierarchien und Sanktionen sind klar

In eingespielten Teams braucht es wenig Führung, weil sich der Einzelne selbst kompetent und verantwortlich führt. Dazu gehört, dass ich meine Grenzen erkenne und mir dann Hilfe hole. Im Idealfall habe ich vorher geklärt, wen ich wann was frage, und dem Vorgesetzten oder Fachmann ist klar, dass er dafür zuständig ist. Deshalb müssen Hierarchien klar sein. Dabei dient der Vorgesetzte durch seine höhere Verantwortlichkeit dem Einzelnen. Und um aller Motivation (= Achtsamkeit) zu erhöhen, braucht es Sanktionen (= Strafen) bei Zuwiderhandeln, die allgemein bekannt sind.

4. Mitdenken und mich zumuten

Weil niemand perfekt ist, seine Augen überall haben kann oder alles weiß, braucht es den mitdenkenden Mitarbeiter, der sich proaktiv mitteilt, wenn er eine (vermeintliche) Fehlentwicklung wahrnimmt oder eine Verbesserungsidee hat. Das macht mich der künstlichen Intelligenz (KI) überlegen und damit meinen Job sicher. Meine Mitteilung geht dabei bis zur „Zumutung“, in der das Wort Mut steckt. Denn im Einzelfall riskiere ich viel, kann aber auch viel gewinnen. 

5. Proaktiv handeln und mich zeigen

Vorgesetzte haben nicht alles im Kopf und können nicht alle Strippen gleichzeitig ziehen. Deshalb heißt das nicht, dass die (noch) nicht thematisierten Aspekte unwichtig wären. Indem ich ein solches Thema von mir aus anspreche und anbiete, es anzugehen, zeige ich Engagement. Das wollen Chefs sehen. Wiegelt er ab, weiß ich wenigstens, dass das seine bewusste Entscheidung ist, und er weiß nun, wen er gern darauf ansetzen kann, wenn er so weit ist.   

6. Fragen stellen statt mich wundern

Wo sich Mitarbeiter „wundern“, sollten sie den betreffenden Sachverhalt beim Verantwortlichen ansprechen. Denn den Erfolg der Firma machen Wissen und Können aus, nicht Wundern. Letzteres irritiert den Kunden, wenn er es merkt, und vermittelt ihm den Eindruck „Die wissen selbst nicht, was sie tun und warum“. Kompetent wirkt ein solcher Dienstleister nicht.  

7. Mit-Arbeiter sind Unternehmer

Es ist ein Trugschluss, als Mit-Arbeiter zu glauben, man sei kein Unternehmer. Der einzige Unterschied zwischen Chef und mir: Ich verantworte nur mich und meinen Bereich, mein Chef sich und die ganze Firma. In den oberen sechs Punkten aber sind wesentliche Merkmale genannt, die ich als Mit-Arbeiter in meinem Bereich verantworte. Im „Mit“ stecken die Kooperation und das Zusammenspiel. 

_________________  

DER AUTOR

Leonhard Fromm (60) ist Gestalttherapeut und Männer-Coach, der als Teamentwickler, Führungskräftecoach und Supervisor in Firmen arbeitet. Der Schorndorfer Theologe war im Erstberuf Wirtschaftsredakteur und begleitet Menschen online wie in Präsenz bei deren Veränderungsprozess. www.der-lebensberater.net

Leonhard Fromm schreibt über Coaching, Therapie, Klarheit im Alltag, Gesundheit & Soziales

geboren 1963, 2 facher Vater, gelernter Wirtschaftsredakteur, 2002 Gründung der eigenen Kommunikationsagentur. Nach mehreren Krisen befasse ich mich seit 2009 mit meiner Biografie, habe eine gestalttherapeutische Ausbildung absolviert und bin beratend tätig - biete Seminare und Coachings an.

Artikelsammlung ansehen