Anschreiben: 5 Tipps, mit denen ihr jeden Chef überzeugt
Es ist gar nicht lange her, da verkündete die Deutsche Bahn, auf Anschreiben zu verzichten. Zumindest bei ihren Auszubildenden, das darf man nicht vergessen. Trotzdem folgt die Deutsche Bahn einem Muster, das immer mehr Firmen wählen: weg von vermeintlich antiquierten Bewerbungsformen, hin zu einer „offenen Kultur“, die auch schreibfaulen Anwärtern die Chance auf eine passende Stelle geben will. Doch wie soll die spätere Zusammenarbeit überhaupt funktionieren, wenn von vorneherein noch nicht mal sicher ist, ob Bewerber und Arbeitgeber abgesehen von ein paar Zahlen, Daten, Fakten überhaupt ansatzweise kompatibel sind?
Ich will das System gar nicht schlechtreden. Sicherlich gibt es Informatiker oder Maschinenbauer, die in ihrem Fach einfach großartig sind, aber nicht sonderlich kreativ oder redegewandt und ihre Stärken auf Papier schon allein deshalb nicht voll ausspielen können. Das ist mir als Chefin durchaus bewusst, weshalb ich grundsätzlich jedem eine zweite Chance gebe, der mir das signalisiert. Dabei geht es nicht um hochgestochene Formulierungen oder ellenlange Anschreiben, sondern um Wertschätzung für mich als Unternehmerin und den Willen, als potentieller Mitarbeiter in meinem Unternehmen Vollgas zu geben. Auf die folgenden fünf Dinge lege ich bei Anschreiben deshalb besonders wert:
1. Nennt den richtigen Empfänger!
Es klingt so banal, aber ich kann es nicht oft genug wiederholen: Achtet auf die richtige Schreibweise eures Ansprechpartners. Wie oft schon hatte ich Bewerbungen auf meinem Tisch, auf denen mein Name entweder falsch geschrieben oder gar ein komplett anderer Adressat genannt wurde. In solchen Fällen muss ich zwangsläufig davon ausgehen, dass der Kandidat seine Bewerbung im Copy-Paste-Verfahren auch noch an 80 weitere Firmen verschickt hat. Der positive Eindruck ist damit in der ersten Zeile zu Nichte gemacht und meine Lust, das restliche Anschreiben auch noch zu lesen, ziemlich dahin!
2. Überzeugt im Design!
Ein gutes Anschreiben überzeugt nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch. Die Aufmachung ist das erste, was mir ins Auge springt, sobald ich eine Bewerbung sichte. Ist sie schön formatiert? Wirkt sie strukturiert und so, dass ich das Gefühl habe, da hat sich jemand Gedanken beim Aufbau gemacht? Immer schön: bindet das Unternehmenslogo ein. Das ist schnell gemacht und hinterlässt einen sehr professionellen Eindruck – mal ganz abgesehen davon, dass der Kandidat mir dadurch ziemlich deutlich zeigt, dass er sich bereits mit der Firma identifizieren kann.
3. Verzichtet auf Phrasen!
Es ist nicht einfach, ich weiß: Da sehnt man sich nach nichts anderem als einem neuen Job, hat endlich eine aussichtsreiche Stellenanzeige gefunden und dann sitzt man da vor einem leeren Blatt Papier und der Kopf ist wie leergefegt. In solchen Momenten ist die Versuchung meist groß, mal im Internet zu stöbern, was man denn so schreiben könnte, aber sei dir sicher: Ich kenne diese Formulierungen in- und auswendig – und überzeugen tun sie mich schon lange nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Sie erzeugen in mir das Gefühl der Beliebigkeit und den Gedanken, dass hier jemand einfach zu faul war, um sich etwas eigenes einfallen zu lassen. Willst du das wirklich?
Sei lieber eloquent auf deine eigene Weise. Du musst die Sätze nicht verschachteln oder irgendwelche Keywords nutzen, um dich als Meister deines Fachs zu erkennen zu geben. Erkläre mir lieber aus ehrlichen Stücken heraus, warum du gern bei mir arbeiten würdest und was dich dafür qualifiziert. Dafür brauche ich weder Einleitungen wie „Mit Interesse habe ich gelesen, dass...“, noch Standardfloskeln zum Abschluss.
4. Zeigt mir eure Schwächen!
Bewerber neigen dazu, ihre Makel unter den Tisch fallen zu lassen und im Anschreiben so positiv wie möglich zu erscheinen. Das kommt erstens nicht immer gut an und ist zweitens auch nicht mal mehr unbedingt nötig. Dem Fachkräftemangel und dem sogenannten "War for Talents", also dem erbittern Kampf um die besten Köpfe, sei Dank, hat fast jeder Bewerber heute die Chance, irgendwo eine Anstellung zu finden – egal ob als Quereinsteiger, Lehrling oder mit lückenhaftem Lebenslauf. Deswegen: Nutzt diese Chance und durchdenkt eure vermeintlichen Schwächen nicht zu sehr, denn vielleicht interpretiert sie euer neuer Arbeitgeber zu euren Gunsten. Dann wird aus dem Quereinsteiger jemand, der erst jetzt das gefunden hat, wofür er richtig brennt und der sprunghafte Kandidat mit vielen Lücken im Lebenslauf gilt eben als besonders flexibel. Du siehst: Vermeintliche Makel sind nur eine Sache der Interpretation.
5. Beweist mir euren Willen!
Oft heißt es, nur die mit der besten Qualifikation hätten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das ist nicht nur vollkommen übertrieben, sondern kompletter Unsinn. Was will ich mit einem Theoretiker, der die Uni mit Note 1 abgeschlossen hat, in der Praxis aber nichts auf die Kette bekommt? Was will ich mit jemanden, der in seinem Fach mit bestem Wissen glänzt, aber aufgrund seines Typs einfach nicht ins Team passen wird und die Effizienz deswegen sowieso fraglich ist?
Natürlich ist die Qualifikation wichtig, denn sie ist nun mal Grundvoraussetzung für die Besetzung eines Jobs. Viel wichtiger aber ist mir, dass trotzdem klar wird, warum diese Stelle genau die richtige für einen ist – egal, ob man Mutter von zwei Kindern ist und seit langem raus aus der Praxis oder eine Ausbildung nach der anderen abgebrochen hat, aber im Werkzeughandel endlich seine Chance sieht. Entwickler, die sich schwer tun mit Schreiben, könnten zum Beispiel eine Landing-Page basteln und sich damit bewerben. Dann ist auch ohne große Worte im Anschreiben direkt klar, dass hier ein Mensch mit unfassbar viel Potential und Ehrgeiz sitzt.
Fazit: Nutzt die Chancen, die ihr habt!
Um es nochmal klar zu machen: das hier ist meine ganz eigene Sichtweise und sicherlich sehr auf uns Mittelständler gemünzt. In der IT sind die reinen Fakten und das Können vielleicht wichtiger als das Anschreiben, da kann ich verstehen, dass Unternehmen rein auf die Qualifikation achten. In unserem Familienbetrieb zählt ganz klar die persönliche Komponente, die sich – wenn man all die Phrasen und Worthülsen mal weglässt – eben sehr gut in Anschreiben darstellen lässt. Deswegen nutzt die Chance, euren potentiellen Arbeitgeber von euch und euren Werten zu überzeugen – ganz unabhängig davon, was euer Lebenslauf über euch erzählen mag.