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Recht haben und Recht bekommen - nicht immer dasselbe (Bild: mohamed_hassan on Pixabay)

Antidiskriminierungsgesetz – preisgünstige Diskriminierung für deutsche Unternehmen

Im Jahr 2006 ist in Deutschland des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten. Groß waren damals die Vorbehalte unter den Unternehmen, amerikanische Verhältnisse könnten nun auch in Deutschland einziehen – doch die Hürden, überhaupt auch nur Schadenersatz zu erhalten, sind hoch.

Ob Foto, Hobby, Elternschaft, Alter, oder eine der anderen oben genannten Informationen: In einer Bewerbung lauern viele Aspekte, die zu (häufig unbewussten) Verzerrungen und womit zu einer ungleichen Behandlung der Bewerber*innen führen können. Laut AGG könnte dies zu Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen führen, sollte die Entscheidung tatsächlich zu einer Ungleichbehandlung wegen Herkunft, Religion, Alter, Behinderung oder sexueller Identität führen.

Für Jobsuchende ist es allerdings keine leichte Aufgabe, die Diskriminierung zu beweisen. Denn Unternehmen haben einen wunderbaren Weg gefunden, mit den Regelungen des AGG zu leben: sie erklären ihre Gründe für Absagen im Bewerbungsverfahren kurzerhand als Geschäftsgeheimnis. 

Das deutsche AGG – gut gemeint

Das AGG soll dafür sorgen, dass Herkunft, Geschlecht, Alter, sexuellen Orientierung, Religion oder Weltanschauung während eines Bewerbungsverfahren nicht zu Diskriminierung der Bewerber*innen führen. Die Angst ging um, nun würde eine „Klage-Industrie“ entstehen. Man könnte meinen, lobbyistische Bemühungen waren wie so oft höchst erfolgreich: die Hürden, dass wirklich einmal einer womöglich diskriminierte Person Gerechtigkeit, geschweige denn Schadenersatz widerfährt, sind hoch.

Bereits beim näheren Betrachten des AGG fällt auf: Einige persönliche Aspekte sind gar nicht abgedeckt, und somit ist – laut Gesetz – eine Benachteiligung aufgrund dieser Aspekte nicht verboten. Darunter fällt z.B. die familiäre Situation oder der soziokulturelle Hintergrund. Wer keine Mutter kennt, der eine Führungsposition verweigert wurde aufgrund „fehlender Flexibilität“ werfe die erste Windel.

Zudem ist der Nachweis einer Diskriminierung gelinde gesagt schwierig, wenn das Feedback auf die Absage lediglich lautet, man hätte sich „aufgrund besserer Qualifikation für ein*e andere* Kandidat*in entschieden“. Da wird der im Gesetz geforderte „Indizien-Beweis, der Benachteiligung vermuten lässt“ leicht zum unüberwindbaren Hindernis.

Hinzu kommt die sehr deutschlandtypische Regelung, die einem diskriminierenden Unternehmen lediglich den Ersatz eines nachgewiesenen Schadens auferlegt. Da müssen Bewerber*innen schon viel Enthusiasmus aufbringen, Klage einzureichen, wenn die Entschädigungsleistung zudem meist gedeckelt ist.

Anders in den USA: Hier können Gerichte Sanktionen in Millionenhöhe verhängen. 

Brauchen wir bessere Gesetze? Oder einfach bessere Wege?

Ich gehe davon aus, dass die meisten Unternehmen nicht bewusst diskriminieren wollen.

Wissen doch mittlerweile die meisten, dass Diversität in der Belegschaft viele Vorteile hat, unter anderem die Chance bietet, durch eine höhere Innovationskraft der grauen Masse der Mittelmäßigkeit zu entfliehen.

Daher lohnt sich vielleicht trotzdem, über anonymisierte Bewerbungsverfahren nachzudenken - auch wenn für Sie als Arbeitgeber kaum Gefahr durch das AGG ausgeht. Auch in rein internen Bewerbungsprozessen oder der Identifikation von High Potentials und Nachfolgeregelungen kann es den Blick entscheidend weiten.

Denn: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung nicht nur während des Recruiting-Prozess: Es schützt in allen Phasen des Arbeitslebens, auch im Arbeitsalltag oder beim beruflichen Aufstieg.

Sandra Zemke schreibt über Job & Karriere, Personalwesen, Politik & Gesellschaft

Sandra ist Gründerin und CEO von anonyfy. Ihre Vision ist es, Recruiting auf das zu konzentrieren, was wirklich entscheidend ist für den Job, das Unternehmen und die Menschen - ohne Vorurteile.

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