Skyline von Auckland. Neuseeland ist eines der beliebtesten Ziele für Auswanderer. - imago
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Arbeiten im Ausland: Das sollten Auswanderer über das Traumziel Neuseeland wissen

120 Euro für ein Dinner zu zweit, 1300 Euro für zwei Kita-Plätze: Neuseeland bietet viel Lebensqualität, ist aber nicht billig. Eine Auswanderin erzählt von ihren Erfahrungen.

Bangkok. In Wellington erledigt Svenja Gellert fast alles zu Fuß. Neuseelands rund 200.000 Einwohner große Hauptstadt ist angenehm übersichtlich, findet die 34-jährige Berlinerin, die seit fünf Jahren dort lebt. Zu ihrer Arbeitsstelle braucht sie zehn Minuten, zur Kita fünf. Das Auto benötigen sie und ihr Partner nur für den Wocheneinkauf und für Ausflüge. Strände und Wanderwege in den Bergen sind nur eine kurze Fahrt entfernt. „Das Leben ist hier einfacher und auch entspannter“, sagt Gellert.

Neuseeland ist nicht nur für Gellert ein Ort zum Wohlfühlen: Der internationale Krankenversicherer William Russell listet den Inselstaat im Südpazifik in seinem „World Expat Index“ auf Rang fünf der besten Ziele für Auswanderer und auf dem Spitzenplatz außerhalb Europas.

Dabei ist das hohe Preisniveau eine Herausforderung für Zugewanderte. Andererseits sind Fachkräfte begehrt – das Land könnte sich bald noch weiter für sie öffnen. Und noch mehr Vorzüge sprechen für das Land.

Entscheidende Faktoren für das gute Abschneiden sind der Umfrage zufolge unter anderem die ausgeprägte Geschlechtergleichstellung in Neuseeland, die ausgezeichnete Luftqualität und die Offenheit für Zuwanderer aus dem Ausland: Eingewanderte stellen der Studie zufolge mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung.

Gellert kam aus privaten Gründen nach Wellington: Ihr Partner, den sie in Deutschland kennen gelernt hatte, ist Neuseeländer und zog für seine Doktorarbeit zurück in die Heimat.

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Arbeiten im Ausland: Mit Kurzzeitjobs zur neuen Karriere in Neuseeland

Gellert, die unter anderem einen Masterabschluss in sozialwissenschaftlicher Konfliktforschung gemacht hat, arbeitete vor ihrer Auswanderung für die Stadt München, wo sie sich um das Konfliktmanagement in Flüchtlingsunterkünften kümmerte. Nach ihrer Ankunft in Neuseeland startete sie zunächst mit einem sogenannten „temporary job“.

Solche auf wenige Wochen oder Monate beschränkte Kurzzeitjobs sind in Neuseeland weit verbreitet. Es handelt sich dabei etwa um Stellen in der Buchhaltung, der Personalabteilung oder als Aushilfe bei der Dateneingabe. „Es ist eine gute Möglichkeit, in einem Unternehmen zu zeigen, was man kann – wie ein Praktikum, nur bezahlt“, sagt Gellert. „Man erhält so auch schnell eine erste neuseeländische Referenz im Lebenslauf. Das hilft dann bei der Suche nach einem unbefristeten Job.“

Sie selbst brachte der temporäre Job in das neuseeländische Bildungsministerium, wo sie sich später auf eine unbefristete Stelle bewarb und diese erhielt. Aktuell arbeitet sie als Referentin im Bereich Evidence, Data & Knowledge. Die Abteilung ist dafür verantwortlich, datengestützt die Qualität des Bildungssystems zu überprüfen und zu analysieren, ob politische Initiativen in der Realität tatsächlich die gewünschten Ergebnisse liefern.

An der Vollzeitstelle mag sie auch die zeitliche Flexibilität: Normalerweise arbeite sie montags bis donnerstags acht Stunden und freitags vier. Es sei aber auch kein Problem, an einem Tag zehn Stunden zu arbeiten und dafür freitags nur zwei. Zudem könne sie auch zwei bis drei Tage in der Woche von zu Hause arbeiten. „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist sehr hoch.“

Neuseeland bemüht sich um Fachkräfte

Als Zugewanderte habe sie sich von Anfang an willkommen gefühlt. „In Neuseeland bekennt man sich schon lange dazu, Einwanderungsland zu sein.“ Das hat auch mit der Historie des Landes zu tun. Die von den polynesischen Inseln stammenden Maori besiedelten Neuseeland im 13. Jahrhundert, ab dem 18. Jahrhundert kamen europäische Siedler ins Land.

Svenja Gellert. Die 34-Jährige lebt seit fünf Jahren in Neuseeland.
Svenja Gellert. Die 34-Jährige lebt seit fünf Jahren in Neuseeland.

Seit den 1980er-Jahren bemüht sich Neuseeland gezielt um hochqualifizierte Zuwanderer. Im Mittelpunkt steht dabei ein Punktesystem, das anhand von Kriterien wie Alter, Berufserfahrung und Bildungsabschluss darüber entscheidet, ob eine Person Chancen auf ein „Skilled Migrant“-Visum hat. Bonuspunkte gibt es unter anderem, wenn man in einem Feld arbeitet, in dem der Fachkräftemangel besonders groß ist.

Möglich ist, dass sich das Land künftig weiter öffnet. Neuseelands neuer Premierminister Chris Hipkins sagte kurz nach seiner Amtseinführung, er denke angesichts fehlender Arbeitskräfte über Änderungen des Einwanderungsrechts nach, um seine Heimat für Migrantinnen und Migranten attraktiver zu machen.

1500 Euro für 65 Quadratmeter

Svenja Gellert ging den Weg über ein sogenanntes Partnervisum. Beantragen können das Personen, die eine mindestens zwölfmonatige Partnerschaft mit einer Neuseeländerin oder einem Neuseeländer nachweisen können. Es ist nicht nötig, verheiratet zu sein.

Allerdings gibt es eine Reihe von Anforderungen wie etwa ein Gesundheitszeugnis, das nur eine geringe Zahl von Ärzten ausstellen darf. Gellert musste für die Untersuchung von München nach Berlin reisen. Insgesamt brauchte sie ein knappes Jahr für die Vorbereitung des Umzugs. Billig war das Visum nicht: Der Antrag kostet umgerechnet rund 2100 Euro.

Auch das Leben in Neuseeland ist vergleichsweise teuer. Für ihre 65-Quadratmeter-Wohnung, in der Gellert und ihr Partner mit ihren zwei und vier Jahre alten Kindern leben, zahlen sie umgerechnet rund 1500 Euro im Monat – in der populären Metropole Auckland wäre das Wohnen noch deutlich teurer. Den Wocheneinkauf im Supermarkt veranschlagt Gellert mit rund 180 Euro. „Wenn man zu zweit etwas schöner Essen geht, dann kostet das locker 200 Neuseeland-Dollar“, sagt Gellert – das entspricht rund 120 Euro.

Ein großer Kostenblock sind auch die Kita-Gebühren: „Wir zahlen für die beiden Kinder insgesamt rund 1300 Euro im Monat.“

Arbeiten im Ausland: Expats klagen über hohe Lebenshaltungskosten in Neuseeland

Die relativ hohen Lebenshaltungskosten gelten als einer der größten Nachteile für Neuseeland-Auswanderer. In der Studie „Expat Insider“ des Portals Internations lag Neuseeland in der Kategorie „Personal Finance“ auf dem letzten Rang der mehr als 50 untersuchten Länder – vor allem wegen der hohen Preise.

Die vergleichsweise niedrigen Steuern in Neuseeland gleichen die hohen Kosten aber ein Stück weit aus: Der Spitzensteuersatz liegt bei 39 Prozent und wird erst ab einem Jahreseinkommen von umgerechnet rund 106.000 Euro fällig. Zum Vergleich: In Deutschland muss man bereits ab rund 63.000 Euro den Spitzensteuersatz von 42 Prozent bezahlen. Der Unterschied ist laut der OECD-Studie „Taxing Wages“ enorm: Für kinderlose Singles mit Durchschnittseinkommen liegt die Steuer- und Abgabenlast in Neuseeland bei 19,4 Prozent – in Deutschland bei 48,1 Prozent.

Wanderin in Neuseeland. Der Inselstaat ist für seine Natur bekannt. - imago images / imagebroker
Wanderin in Neuseeland. Der Inselstaat ist für seine Natur bekannt. - imago images / imagebroker

Gellert hilft auch ihr überdurchschnittliches Einkommen, um mit den Kosten gut zurechtzukommen. Sie arbeitet 36 Stunden pro Woche und erhält dafür nach Steuern und Abzügen umgerechnet rund 3700 Euro im Monat. Ihr Mann, der selbstständig ist, hat ein noch höheres Einkommen. „Wir sind sehr privilegiert und haben viel Glück gehabt“, sagt Gellert. Das Geld sei mehr als ausreichend, um ordentliche Rücklagen bilden zu können. Sie beteiligt sich auch an dem staatlichen Altersvorsorgeprogramm KiwiSaver, das die eingezahlten Beträge unter anderem an den Kapitalmärkten investiert.

Obwohl sie sich in Neuseeland wohl fühlt, möchte Gellert nach einem halben Jahrzehnt im Ausland aber demnächst zusammen mit ihrer Familie wieder nach Deutschland ziehen. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass sie sich nach der Nähe zu ihrer deutschen Verwandtschaft sehnt. „Wenn man 20.000 Kilometer entfernt lebt, kann man nicht mal eben auf einen Kaffee vorbeischauen.“ Aber auch der Abschied aus Neuseeland soll nicht für immer sein: „Wir wollen auf jeden Fall wieder hierher – damit unsere Kinder in beiden Kulturen aufwachsen.“

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