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Arbeitsmarkt und Nachhaltigkeit: Ist das klassisch gelebte Recruitingdenken am Ende?

Es wird künftig immer wichtiger, gute und passende Mitarbeiter zu finden und zu halten. Dabei ist es von enormer Bedeutung, sich nicht nur auf Beurkundetes zu verlassen, denn Studienabschlüsse haben kaum eine Bedeutung in einer Zeit, in der sich das Fachwissen alle paar Jahre verdoppelt. Sich als Personaler nur den Notendurchschnitt von Bewerbern anzusehen, genügt nicht mehr. Hinzu kommt, dass immer mehr Wert darauf gelegt wird, dass Unternehmen einen guten Ruf haben.

Mitarbeiter fühlen sich mit klaren gelebten positiven Werten wohler, identifizieren sich stärker und verbleiben länger und zufriedener im Unternehmen. Bewerber betrachten ein solches Unternehmen sicher als attraktiver als Unternehmen ohne Authentizität, gemeinsame Werte oder gemeinsame Mission. Alle Beteiligten können so passgenauer zueinander finden und zusammenbleiben. Wichtig sind klare Formulierungen, Kommunikation und Vorleben. Mit einem glaubwürdigen Nachhaltigkeitsnachhaltigkeitsmanagement haben Unternehmen heute die Möglichkeit, attraktiv für neue Talente zu werben, die nur kommen, wenn sie sich mit den Firmen identifizieren können. Wer klare Werte und Leitprinzipen hat, die ernsthaft gelebt werden, kann Konfliktpotenzial reduzieren und Orientierung bieten. Gesellschaftliche Verantwortung spielt heute verstärkt eine wesentliche Rolle für das Employer Branding. Das bestätigt auch eco - Verband der Internetwirtschaft e. V. - dabei spielt Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle. Es ist ein Trend zu beobachten, der zu einer werteorientierten Arbeitswelt geht, denn die Menschen verlangen zusehends sinnvolle Arbeit, die zugleich auch einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag darstellt.

Als sich Regina und Werner Neumüller 2003 in Nürnberg selbstständig machten, war beiden klar, dass sie sie auf den Verdrängungswettbewerb und den damit verbundenen Preiskampf im so genannten „Massengeschäft" nicht einlassen wollten. „Immer stand deshalb eine qualitative Orientierung absolut im Vordergrund!" Beide leisten Rekrutierungsunterstützung über die Arbeitnehmerüberlassung. Durch das Outsourcing oder die zusätzliche externe Unterstützung bei der Rekrutierung spart sich das Kundenunternehmen Teile der zeitintensiven Personalsuche. Die Unterstützung von außen ist deshalb wichtig, um die möglichst besten Kandidaten zu finden: „Jede zusätzliche Bewerbung kann die Bewerbung des besten Kandidaten des ‚Richtigen' sein!" Während der Arbeitnehmerüberlassung zahlt „Neumüller Ingenieurbüro" je nach Qualifikation auch übertariflich.

Es muss nach Ansicht der Geschäftsführer fair zugehen, „und man muss von seinem Verdienst auskömmlich leben können." Handeln nach ethischen Werten und Normen ist besonders in der Personaldienstleistung von besonderer Bedeutung, „um erhöhte Zufriedenheit der Bewerber, Mitarbeiter und Kunden zu erreichen“, sagt Werner Neumüller. Grundlage sei dabei die gelebte Unternehmens-DNA („ehrlich, fleißig, nachhaltig"), die zudem besonders wichtig ist, weil hier um die Ingenieure mit den Top DAX-Firmen konkurriert wird: „Wie schafft man es, als Mittelständler mit Mercedes, VW oder Audi mitzuhalten?" Vor diesem gewaltigen Hintergrund ist es umso wichtiger, dass die Unternehmensphilosophie schon im Kleinen überzeugt. Die Position und Verantwortung des Arbeitgebers in der Gesellschaft muss stimmen. Um dies zusätzlich zu manifestieren, trat die Neumüller Ingenieurbüro GmbH 2012 „Ethics in Business", der Werteallianz des Mittelstandes, bei.

Damit verbunden ist auch das Vertrauen in Mitarbeiter und Kunden, das auf einem positiven Menschenbild basiert. „Ich suche den Menschen" ist ein Leitsatz des Unternehmers, der zugleich ausdrückt, wie wichtig es ist, die richtigen Menschen für Unternehmen zu finden, zu identifizieren und zu fördern. Die Bewerber erhalten über die Mitarbeit in anspruchsvollen Projekten bei ihm die Chance, in renommierte Firmen einzusteigen: "Das ist vor allem in rezessiv geprägten Zeiten für Absolventen eine große zusätzliche Möglichkeit, die richtige Anstellung zu finden", sagt Neumüller und weist darauf hin, dass etwa 90 Prozent "seiner" Ingenieure nach ihrem Einsatz von zwölf bis 18 Monaten von den Kunden in den Bereichen Forschung und Entwicklung übernommen werden.

Für Kundenunternehmen ergibt sich in Boomphasen vor allem der Vorteil eines zusätzlichen Beschaffungskanals zum zusätzlichen Bewerbungserhalt. Mit Ingenieuren liegt der Fokus auf einer Berufsgruppe, die auf dem Arbeitsmarkt in allen Konjunkturphasen sehr gefragt ist. Jährlich werden von Neumüller über 200 Ingenieure in die Metropolregion Nürnberg geholt, darunter Neueinsteiger sowie gestandene Experten mit Berufserfahrung. Arbeitsschwerpunkte sind vorrangig Forschung und Elektronikentwicklung, Automatisierungstechnik, die Konstruktion und Inbetriebnahme in den Bereichen Automotive, Energie, IT, außerdem Medizintechnik, Pharmazie und Chemie sowie Luft- und Raumfahrt. Neumüller ist gleichermaßen für Dax-notierte und mittelständische Unternehmen tätig. Mit deren Qualifikationsanforderungen ist er eng vertraut. Das sei wichtig, um Profile abgleichen und Bewerber und Firma passgenau zusammenbringen zu können.

„Je überlasteter die Personalabteilungen sind und je mehr Bewerbungen bei ihnen eingehen, umso länger dauert es, bis sie über die Bewerbungen entscheiden", sagt Neumüller. Bei ihm dagegen würde innerhalb weniger Tage kurzfristig ein Termin für zum Telefoninterview oder das Vorstellungsgespräch vereinbart. Dabei kämen auch Bewerber mit weniger guten Abschlüssen zum Zuge, die anderswo von vorneherein durchs Noten-Raster fielen und womöglich Absagen erhalten würden. „Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit jedem einzelnen Bewerber und versuchen, dessen Stärken herauszuarbeiten", so Neumüller.

Dabei entwickelten sich unter Umständen auch völlig neue Ideen für den künftigen Berufsweg: So könnte sich etwa bei genauerer Betrachtung herausstellen, dass jemand, der sich als Produktionsingenieur beworben habe, viel eher in der Entwicklung glücklich würde. Wer sich im Vorstellungsgespräch bei ihm nicht ganz optimal präsentiert, wird nicht automatisch abgelehnt, sondern erhält Tipps, wie er es besser machen kann. Der Personalexperte rät zum Beispiel, den Lebenslauf gegebenenfalls von hinten aufzurollen: „Wenn man von vorne anfängt und zu ausführlich wird, ist es schon passiert, dass der Personaler das Gespräch abrupt beendet, weil bereits der nächste Termin ansteht." In diesem Fall konnte natürlich die tatsächliche Eignung oder Qualifikation für die Stelle nicht dargestellt werden. Allgemein sei es am wichtigsten, möglichst viel über tatsächlich Stellenrelevantes aus seinem bisherigen Leben zu reden, zumindest immer Grundkenntnisse in allen Stellen-Anforderungen argumentieren zu können und tatsächliches Interesse an der potentiellen Anstellung glaubhaft zu zeigen.

Ingenieursabsolventen werden bei Neumüller unbefristet angestellt - mit dem Ziel einer langfristigen Festanstellung bei dessen Kunden. Das geschieht laut Unternehmensangaben bei 93 Prozent seiner Mitarbeiter binnen 18 bis 24 Monaten. In dieser Zeit habe er stets ein Auge auf sie. „Ich sehe meine Aufgabe darin, Coach zu sein vor allem für die beruflich noch unerfahrenen jungen Ingenieure, sie fortzubilden und sie dabei zu unterstützen, eventuelle Defizite zu beheben." So können laut Verband Deutscher Ingenieure (VDI) überzogene und überbewerte Gehaltsforderungen für den Bewerber schnell das Aus bedeuten.

Der Unternehmer und Autor bestätigt auch, dass Karriere als Selbstzweck nicht funktioniert, denn es braucht neben inhaltlicher und fachlicher Motivation auch Klarheit des Denkens sowie Talent und Fleiß. Das sind wichtige Voraussetzungen für die Herausforderungen der Zukunft, deren Gelingen davon abhängt, wie wir heute mit sozialen Systemen umgehen. Es ist unsere Aufgabe, sie so auszulegen, dass sie gegenüber Störungen stabil sind und im Gleichgewicht bleiben.

Als Förderpartner beteiligt sich die Neumüller Gruppe an der Finanzierung von Informationsveranstaltungen und Material für Abiturienten, der Gewinnung von zusätzlichen Ausbildungsbetrieben durch die Akademie, sowie an Projekten verschiedener Fachbereiche (Werner Neumüller war hier auch Lehrbeauftragter.) Das Unternehmen gibt Know-how, wo Bedarf besteht. Die Bewerber erhalten über die Mitarbeit in anspruchsvollen Projekten bei Neumüller die Chance, in renommierte Firmen einzusteigen.

Moderne Personaldienstleistung entlastet die Personalabteilungen der Unternehmen, die sie beauftragen. Das reduziert deren Aufwand und hält gleichzeitig die Fixkosten niedrig. Weitere Vorteile sind laut Neumüller spezifisches Know-how, eine schnelle Verfügbarkeit und zusätzlich hohe Flexibilität. Kosten fallen nach Angaben des Geschäftsführers meist nur im Erfolgsfall bzw. nach Besetzung an. Auch gibt es bei den „Übernommenen" anschließend nur eine „minimale Fluktuation, da man sich z.B. nach der Arbeitnehmerüberlassung gegenseitig bereits kennt". Unabhängig von den unterschiedlichen Suchmethoden ist der Auswahlprozess stets der gleiche.

Warum ist das klassisch gelebte Recruitingdenken am Ende, und wie sieht ein neues nachhaltiges Mindset aus?

Welches Recruitingwissen und welche neuen Kompetenzen und Skills benötigen moderne Personaler in einer Welt 4.0?

Was sind die entscheidenden Aspekte, um die Erfolge im Recruiting bzw. Talent Management im Rahmen eines Controllings nachhaltig zu messen?

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Weshalb sollten sich Personaler im Digitalisierungszeitalter nicht allein auf das klassische Vorstellungsgespräch verlassen?

Welche Rolle spielt Big Data im Personalwesen?

Weshalb ergibt sich die Innovationskraft eines Unternehmens auch aus dem Personalmanagement?

Weiterführende Informationen:

Personalmanagement als Führungsaufgabe: Wie Unternehmen heute die richtigen Mitarbeiter finden

Werteorientierte Arbeitswelt: Neue Impulse für erfolgreiches Employer Branding

Werner Neumüller: Ehrlich weiter: Auf der Suche nach den Menschen. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 145-158.

Werner Neumüller: Rekrutierungsunterstützung über Personaldienstleistung und Arbeitnehmerüberlassung. Am Beispiel der Neumüller Unternehmensgruppe. In: CSR und Digitalisierung, Springer Verlag 2017, Seite 755-776.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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