Arbeitsrecht: „Wann sage ich am besten meinem Chef, dass ich schwanger bin?”
Mit einer Schwangerschaft beginnt für Berufstätige ein Organisationsmarathon. Was Paare sich vorab überlegen sollten und welche wichtigen Fragen es zu klären gilt.
Düsseldorf. Kurz nachdem die Gynäkologin die Schwangerschaft bestätigt hat, beginnt für viele Berufstätige ein Organisationsmarathon. Die Firma muss informiert, das Gespräch mit der Chefin gesucht und die geplante Elternzeit beantragt werden.
Denn nicht nur für die Schwangeren selbst ändert sich ab diesem Zeitpunkt viel. Auch die Firma muss umplanen, eine Vertretung finden und Aufgaben verteilen.
Was Paare sich vorab überlegen sollten und welche wichtigen Fragen es zu klären gilt, erklären Rechtsanwältin Barbara Förster und Karrierecoach Nane Nebel.
Ich weiß, dass ich schwanger bin. Wann bin ich verpflichtet, es meiner Chefin oder meinem Chef zu sagen?
„Grundsätzlich gibt es keinen konkreten Zeitraum, innerhalb dessen ich meinen Arbeitgeber über die Schwangerschaft informieren muss“, erklärt Arbeitsrechtlerin Förster.
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Laut Mutterschutzgesetz soll eine Frau zwar ihrer Firma Bescheid geben, sobald sie davon weiß. Das sei allerdings eine Sollvorschrift und keine Rechtspflicht, so Förster. „Wenn ich mich also dazu entschließe, erst einmal nichts zu sagen, dann passiert nichts.“ Allerdings gelten die Schutzvorschriften für Schwangere eben auch erst dann, wenn der Arbeitgeber eingeweiht ist. „Spätestens also, wenn man einem die Schwangerschaft ansieht, sollte sie kommuniziert werden“, so die Arbeitsrechtlerin.
Karrierecoach Nebel ergänzt, dass jede Frau individuell schauen sollte, womit sie sich am wohlsten fühle. „Einige wollen die ersten zwölf Wochen abwarten und sicherstellen, dass mit dem Baby alles in Ordnung ist, bevor sie alles in Bewegung setzen“, so Nebel. „Wieder anderen ist innerhalb der ersten drei Monate so übel, dass sie nicht jeden Tag sagen wollen, sie hätten sich den Magen verdorben.“ Sie würden sich wohler fühlen, die Vorgesetzten direkt zu Anfang einzuweihen.
Worüber sollte ich mir vor dem Gespräch Gedanken machen? Muss ich Unterlagen mitnehmen?
„Grundsätzlich reicht es, erst einmal nur den geplanten Geburtstermin mitzuteilen“, so die Juristin. Denn sechs Wochen vor dem Datum beginnt normalerweise der Mutterschutz, und die Schwangere darf nicht mehr arbeiten, sofern nicht bereits vor diesem Zeitpunkt ein Beschäftigungsverbot greift. Der Mutterschutz dauert dann bis acht Wochen nach der Geburt an.
Die an den Mutterschutz anschließende Elternzeit muss spätestens sieben Wochen vor deren Beginn schriftlich beim Arbeitgeber beantragt werden. Die Firma muss außerdem wissen, wie lange die Schwangere plant in Elternzeit zu gehen.
Wen weihe ich ein?
Karrierecoach Nebel empfiehlt, als Erstes den direkten Vorgesetzten zu informieren und dann zusammen zu überlegen, wer noch Bescheid wissen sollte. „Ich würde die Schwangerschaft als Miniprojekt definieren und das auch genauso angehen“, so Nebel. Wer kann welche Arbeiten übernehmen, wie lange muss eine Elternzeitvertretung einspringen, wie läuft die Übergabe. „Das muss alles genau geplant und geregelt werden.“
Wie überbringe ich die Botschaft?
Nebel empfiehlt größtmögliche Offenheit. „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht, wobei die gute auch zugleich die schlechte ist“, empfiehlt die Expertin als Einstieg. „Und dann gerne weiter ausführen: ,Auch wenn es für mich eine tolle Nachricht ist, weiß ich, dass es für die Firma viel zu organisieren gibt und es bestimmt nicht der beste Zeitpunkt ist.'“
Sie rät zudem für die kommenden Monate bis zum Mutterschutz individuelle Regelungen zu vereinbaren. Wenn die Schwangere sich unwohl fühle und während des Meetings lieber die Füße hochlegen möchte, solle sie die Möglichkeit nach Homeoffice erfragen, um genau das auf dem heimischen Sofa zu tun und sich von dort einzuwählen – sofern gesundheitlich möglich.
„Niemandem ist geholfen, wenn ich mich ins Büro schleppe und unkonzentriert bin“, erklärt sie. „Die innere Einstellung, dass nicht immer alles direkt geht, hilft ungemein – unabhängig davon, ob ich schwanger bin oder nicht.“
Mein Chef reagiert anders als erwartet: Er ist sauer und ihm passt „das Timing“ nicht, weil er mir gerade ein neues Projekt übertragen hat. Was nun?
„In diesem Fall das Gespräch unbedingt direkt beenden“, so Karriereexpertin Nebel. „Ich würde sagen: ,O. k., ich sehe, dass Sie sich erst einmal sortieren und meine Neuigkeiten verdauen müssen. Vielleicht setzen wir uns einfach in drei Tagen noch mal zusammen?'“
Der Vorgesetzte habe so etwas Zeit, sich über sein Verhalten Gedanken zu machen, und könne beim nächsten Mal vielleicht professioneller reagieren.
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Muss der Partner die eigene Firma ebenfalls über die Schwangerschaft informieren?
„Wenn der Partner oder die Partnerin plant, in Elternzeit zu gehen, oder Zusatzurlaub beantragen kann, muss er oder sie auf der Arbeit natürlich Bescheid sagen“, erklärt Rechtsanwältin Förster.
Karrierecoach Nebel ergänzt: „Auch der Partner oder die Partnerin ohne dicken Bauch möge sich dem Miniprojekt ,Schwangerschaft' unterordnen.“ Ob die Firma allerdings direkt Bescheid wissen müsse, hänge wieder von der jeweiligen Situation ab.
Gehe es der Schwangeren beispielsweise gut und laufe alles ohne Komplikationen ab, reiche es, wenn der Chef oder die Chefin nach den ersten zwölf Wochen davon erfährt. „Fühlt sich die Schwangere aber nicht gut und braucht Unterstützung bei Arztbesuchen, sollte das vorab kommuniziert werden“, so Nebel.
Was passiert, wenn ich in der Probezeit schwanger werde? Verlängert sich diese dann?
Juristin Förster erklärt, dass die Probezeit trotzdem nach der vereinbarten Zeit ende, auch wenn innerhalb dieser eine Schwangerschaft festgestellt wird. Durch die Schwangerschaft greift der Kündigungsschutz allerdings direkt – auch wenn die Schwangere sich noch in der Probezeit befindet.
Ich habe nur einen Jahresvertrag und bin schwanger. Habe ich einen Anspruch darauf, die Wochen, die ich in Mutterschutz bin, nach Vertragsende hinten dranzuhängen?
Der Jahresvertrag ende trotz Schwangerschaft am vereinbarten Datum, erklärt Förster. „Die Fehlzeiten durch den Mutterschutz verlängern den Vertrag nicht.“
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