Auslandsbanken buhlen um Deutschlands Multimillionäre
Geldhäuser wie Credit Suisse, die Liechtensteiner LGT oder die amerikanische Citi drängen zurück auf den deutschen Markt. Denn es gibt hier immer mehr Superreiche.
**Zürich, Frankfurt.**Robert Cielen hat große Pläne: Der Chef der Vermögensverwaltung in Europa bei der Credit Suisse stellt derzeit ein Team für den deutschen Markt zusammen. Sein Ziel: „Wir wollen das verwaltete Vermögen in Deutschland innerhalb von fünf Jahren verdoppeln.“
Bislang hat Credit Suisse den deutschen Markt von Zürich aus betreut – doch schon ab Oktober sollen Cielens Privatbanker zusätzlich von Frankfurt aus neue Kunden anwerben. „Onshoring“ wird der Eintritt in einen lokalen Markt in der Finanzbranche genannt.
Doch mit ihrem Plan ist Credit Suisse nicht allein: Die LGT, die Bank im Besitz der liechtensteinischen Fürstenfamilie, will ebenfalls noch in diesem Jahr eine neue Präsenz in Deutschland eröffnen. Florian Dürselen, designierter Vorstand und Chef des Private Banking bei der LGT, sagt: „Der deutsche Privatkundenmarkt ist sehr interessant für uns. Wir wollen unser Potenzial vor Ort besser ausschöpfen.“
LGT und Credit Suisse eint nicht nur, dass sie ihr deutsches Privatkundengeschäft nach der Finanzkrise an die Bethmann Bank verkauft haben. Sie verfolgen beim Comeback auch ähnliche Ziele: Beide Geldhäuser wollen insbesondere mit Kunden aus der Gruppe der sogenannten „Ultra High Net Worth Individuals“ (UHNWI) wachsen, also Unternehmern oder Familien, die mehr als 20 Millionen Euro anzulegen haben.
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Marktführer in Deutschland in diesem Segment ist dem Branchenmagazin „Euromoney“ zufolge die Schweizer Großbank UBS, gefolgt von Julius Bär, den dritten Platz teilen sich die Deutsche Bank und Goldman Sachs. Doch die Institute müssen sich auf einen harten Wettbewerb einstellen.
So kündigte Anfang Mai auch die amerikanische Citigroup an, neue Büros für das Privatkundengeschäft in Deutschland zu eröffnen. Die Bank hat nach eigenen Angaben bereits damit begonnen, Mitarbeiter einzustellen und von ihrem Luxemburger Standort Beschäftigte unter anderem nach Deutschland zu verlagern. Und im vergangenen Oktober hatte die US-Bank JP Morgan entschieden, ihr Angebot für sehr reiche Kunden in Deutschland deutlich auszubauen.
Schwache Margen – reiche Kunden
Für noch mehr Wettbewerb dürften schon bald Schweizer Banken sorgen, die sich um eine sogenannte vereinfachte Freistellung bei der Finanzaufsicht Bafin bemühen. Diese ist nötig, um von der Schweiz aus Kunden in Deutschland direkt ansprechen zu dürfen. Die Sonderregelung steht ausschließlich Schweizer Banken offen. Derzeit bemüht sich eine „einstellige Zahl“ von Geldhäusern um eine solche Freistellung, wie die Bafin auf Anfrage mitteilt.
Patrick Prinz, Marktleiter für Deutschland und Österreich bei Julius Bär, beobachtet ebenfalls: „Viele Konkurrenten wollen wieder zurück nach Deutschland, weil sie feststellen, dass das ein spannender Markt ist.“ Denn die Reichen werden hierzulande immer reicher, in vielen Familien muss das Erbe geregelt oder die Firma verkauft werden.
Dabei gilt Deutschland eigentlich als schwieriger, zersplitterter Bankenmarkt. So sagt Tobias Vogel, bei der UBS Leiter des Geschäfts mit reichen Privatkunden in Deutschland und zugleich Investmentbanking-Chef in Europa: „Die Vermögensverwaltung ist in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden.“ Die Gründe seien immer weiter steigende regulatorische Auflagen, das Niedrigzinsumfeld sowie neue Anforderungen durch die Digitalisierung.
Das bestätigt auch Hakan Strängh, Leiter der Private Bank von JP Morgan in Deutschland. „Der Margendruck ist enorm“, sagt er. Es gebe kaum Länder in Europa, in denen die Margen in der Vermögensverwaltung so niedrig seien.
Was die Komplexität erhöht: Anders als in Frankreich oder Italien konzentriert sich das Vermögen nicht in einigen wenigen Regionen. Stattdessen sind die reichen Unternehmerfamilien quer über das Land verstreut – und in der Provinz ebenso wie in den großen Städten zu Hause.
Julius Bär etwa betreibt in Deutschland zehn Niederlassungen – zuletzt sind 2018 Hannover und Berlin dazugekommen. Julius-Bär-Manager Prinz sagt: „Die Vermögensverwaltung ist immer noch ein stark auf Vertrauen basierendes Geschäft.“
Das gelte insbesondere zu Beginn einer Geschäftsbeziehung: „Ich habe bisher kaum einen Kunden akquirieren können, den ich nicht vorher persönlich getroffen habe.“ Auch JP-Morgan-Manager Strängh bestätigt: Als Bank könne man nicht nur in den Metropolen präsent sein, sondern müsse auch in den kleineren Regionen vertreten sein.
Das erhöht jedoch die Kosten für den Markteintritt. Insofern sei es nicht verwunderlich, dass viele Newcomer zunächst die Superreichen im Blick haben, sagt Prinz: „Besonders im grenzüberschreitenden Geschäft ist die Komplexität hoch und mit viel Reisetätigkeit verbunden. Da macht es Sinn, eine tiefere Anzahl Kunden mit höheren Vermögen zu betreuen.“
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Vermögen in Deutschland wachsen schnell
Um den deutschen Markt kampflos den heimischen Banken zu überlassen, ist er zu wichtig: Die stärkste Volkswirtschaft in Europa verspricht allen regulatorischen Hürden zum Trotz ordentliches Wachstum.
Credit-Suisse-Manager Cielen rechnet vor, die Vermögen in Deutschland seien im vergangenen Jahr um fünf Prozent gewachsen, im Ultra-High-Networth-Bereich sogar um 6,5 Prozent. „Das sind sehr stolze Vermögenszuwächse.“ Deutschland gehöre daher zu den „Prioritätsmärkten“, mit denen die Bank in ihrer neu formierten Vermögensverwaltung zulegen will.
Hinzu kommt die besondere Struktur der heimischen Wirtschaft: Viele erfolgreiche Unternehmer aus dem Mittelstand übergeben ihr Vermögen an ihre Kinder, vielfach werden Firmen verkauft, das Vermögen werde aufgeteilt oder an einzelne Familienmitglieder ausbezahlt.
Daher wächst das Vermögen, das von Banken verwaltet wird, überproportional stark: Laut einer Studie des Beratungsunternehmens ZEB nahm das von Finanzinstituten betreute Vermögen zwischen 2015 und 2019 jährlich um etwa zwölf Prozent zu. Markus Bräckle, Senior Manager bei ZEB, betont: „Das starke und kontinuierliche Wachstum korreliert stark mit dem Wachstum der einzelnen Asset-Klassen insbesondere im Bereich Immobilien.“
Diese Nische hat beispielsweise Pascal Meinherz fest im Blick: Er leitet gemeinsam mit Marc Kurz das Private Wealth Management bei Goldman Sachs in Deutschland. Im Rahmen von Nachfolgesituationen würden allein in diesem Segment hierzulande jährlich Vermögenswerte in dreistelliger Milliardenhöhe neu strukturiert, sagt er.
JP Morgan fokussiert sich dagegen auf eine andere lukrative Nische: die Superreichen ab einem liquiden Vermögen von 100 Millionen Euro. Laut JP-Morgan-Manager Strängh trifft dies auf etwa 3000 Familien in Deutschland zu.
Die Konkurrentin UBS wirbt als Universalbank mit der engen Verzahnung zwischen Vermögensverwaltung und Investmentbanking. Dafür bündelte das Geldinstitut kürzlich etwa das Handelsgeschäft mit reichen Privatkunden und das sogenannte Prime-Brokerage-Geschäft, das Handelsgeschäft mit Hedgefonds.
Die neue Einheit „Global Family and Institutional Wealth“ verspricht vermögenden Privatkunden nun die gleiche intensive Betreuung im Handel wie Profiinvestoren. „Größe und Effizienz spielen eine wichtige Rolle, um erfolgreich zu sein“, unterstreicht Vogel.
Privatbanker mit gutem Adressbuch gefragt
Kunden, die Dienstleistungen in der Vermögensverwaltung und im Investmentbanking nachfragen, will auch die Credit Suisse ansprechen: „Wir positionieren uns als Bank für Unternehmer.“ Cielen versichert, dass die Schweizer Großbank langfristig noch stärker im deutschen Markt Fuß fassen und Kunden im UHNW-Segment beraten will, etwa bei Fusionen, Übernahmen und Börsengängen ebenso wie bei der Verwaltung und Diversifikation des unternehmerischen Vermögens.
Dass die Bank infolge der Milliardenverluste um die Abwicklung der Greensill-Fonds und den Kollaps des Hedgefonds Archegos ihre Risiken in der Bilanz grundsätzlich reduzieren will, sei für die Wachstumspläne in Deutschland kein Hindernis, sagt Cielen. Er räumt allerdings auch ein, dass die jüngsten Skandale durchaus ein Thema im Gespräch mit Kunden sind.
Die Liechtensteiner LGT hofft dagegen, auch ohne Investmentbanking-Geschäft bei deutschen Unternehmern punkten zu können: Die Bank wirbt stattdessen mit ihrem Eigentümer: Die Fürstenfamilie ist der Hauptinvestor in sämtlichen LGT-Produkten. LGT-Banker Dürselen sagt: „Vor allem Unternehmer schätzen die Möglichkeit, an der Seite des Fürsten zu investieren. Wenn dann auch die Performance nach Kosten stimmt, ist das ein Selbstläufer.“
Alles andere als ein Selbstläufer ist es für die Newcomer in Deutschland dagegen, Kundenberater zu finden, die ein möglichst gutes Netzwerk in deutschen Millionärskreisen mitbringen. Die Credit Suisse hat beispielsweise ihren Leiter der Vermögensverwaltung in Deutschland, Sven Stephan, von der HSBC Deutschland abgeworben.
Dass ihre Mitarbeiter gefragt sind, merken auch die in Deutschland etablierten Banken: Der Wettbewerb ist hart, bestätigt etwa Julius-Bär-Manager Prinz. „Jeder will die besten Talente haben.“ Privatbanker mit gutem Adressbuch sind ähnlich umworben wie die superreichen Kunden selbst.
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