Aussichten bei Airbus: bedeckt
Die Nachfrage brummt, Boeing ist quasi ausgeschaltet – dennoch laufen die Geschäfte bei Airbus nur mäßig. Jetzt soll ein Führungsumbau neuen Schwung bringen.
Sagenhaft. Was sich alles tut bei Airbus! Ständig weiß Europas größter Luftfahrtkonzern Neues zu berichten; die Presseabteilung kommt kaum hinterher in diesen Wochen. Ein Großauftrag aus Vietnam. Neue Militärdrohnen. Fortschritte bei einem revolutionären Flugzeugantrieb (Open Rotor). Ein neues Ersatzteillager im Süden von Kanada. Auch über das Wetter im Weltraum unterrichtet Airbus die Medien – und über die Hilfe des Konzerns bei der Rettung von Pangolin-Schuppentieren in Kenia.
Nicht ganz so wichtig erschien den Kommunikationsprofis offenbar ein Umbau der Konzernführung. Dass kommende Woche Technikchefin Sabine Klauke aus dem Vorstand absteigt, um künftig den Flugzeugbau zu digitalisieren, meldete Airbus nur auf LinkedIn, noch dazu an einem Freitagabend, wenn besonders wenig los ist im digitalen Berufsnetzwerk.
Auch dass Einkaufschef Jürgen Westermeier den Job wechselt, war Airbus keine Pressemeldung wert. Obwohl beide Personalien für den Konzern und sein Umfeld von großer Bedeutung sind.
BWL statt Nachhaltigkeit
Vor allem der stille Wechsel von Klauke deutet auf grundlegende Veränderungen hin, die Airbus-Chef Guillaume Faury wichtig sind: Der 57-Jährige besetzt nicht nur entscheidende Teile des intern „Ex Comm“ genannten Vorstands neu, sondern korrigiert damit auch gleich ein paar strategische Fehler.
So verabschiedet sich Airbus de facto von allzu kühnen Innovationen im Dienst der Nachhaltigkeit – etwa vom Bau eines Jets mit Wasserstoffantrieb. Zwar bleibt das Projekt auf dem Papier bestehen. Doch angesichts wachsender Kosten- und Margenprobleme im Flugzeugbau steht jetzt erst mal wieder nüchterne BWL im Mittelpunkt: Es geht darum, viele Tausend Fluggeräte in den Auftragsbüchern mit Gewinn zu bauen und gleichzeitig neue Kassenschlager zu entwickeln, die möglichst schon vor 2030 die Einnahmesituation verbessern.
Ganz oben auf der Liste steht ein Nachfolger des erfolgreichen Mittelstreckenfliegers A320neo. Der Blockbuster sichert dem Konzern fast 80 Prozent seines operativen Gewinns.
Begonnen hat Faury den Umbau vor mehr als einem Jahr. Er ersetzte im Herbst 2024 Christian Scherer als Chef des „Commercial“ genannten Geschäfts mit Zivilflugzeugen. Die mit einem Umsatzanteil von gut 70 Prozent wichtigste Sparte des Konzerns soll künftig von MTU-Chef Lars Wagner geleitet werden – sobald ihn der Münchner Triebwerkshersteller ziehen lässt.
Im April übernahm Carmen-Maja Rex vom Baustoffhersteller Heidelberg Materials von Thierry Baril das Personalressort. Kommende Woche wird nun Technikchefin Klauke von Rémi Maillard abgelöst. Auf dessen Job als Verantwortlicher des Geschäfts in Indien und Südostasien wechselt Einkaufschef Jürgen Westermeier, dem wiederum der Leiter von Airbus Kanada, Benoit Schulz, folgt.
Und wozu die vielen Wechsel und Rochaden? Faury will mit neuem Personal und neuer Strategie die größten Probleme des Konzerns lösen – und setzt sich damit natürlich auch selbst unter Erfolgsdruck. Manchmal sieht man ihn Faury sogar an.
Eine tolle Aussicht auf Montmartre, Champs Élysées und Eiffelturm, feines Essen und Trinken. Auf seinem Empfang vor der jährlichen Flugschau Mitte Juni im Pariser Vorort Le Bourget tat der Airbusvorstand alles für eine lockere Atmosphäre. Trotzdem wirkte speziell der Gastgeber, Konzernchef Faury, ungewöhnlich angespannt: Zu viele unerfreuliche Gesprächsthemen machten die Runde.
Drei Baustellen bei Airbus
Nach dem Absturz der Boeing-Maschine in Delhi am Vortag dominierte das Thema Sicherheit die gesamte Konferenz. Und fanden die Gäste doch mal Zeit und Interesse für andere Fragen, löcherten sie Faury zu hausgemachten Problemen: Lieferverzögerungen, umständliche Arbeitsweise, überholte Firmenkultur. Die strukturellen Schwächen sorgen dafür, dass Airbus im Militärgeschäft viel weniger als möglich vom Boom der Branche profitiert. Das kostet den Konzern und seine Aktionäre jedes Jahr mehrere Milliarden an entgangenen Gewinnen.
Und Faury hat auch nach einem Jahr Arbeit an seinem Konzernkonzept noch keine Lösung parat – zumindest keine, über die er reden mag.
Schließlich hat er sich schon einmal böse verrechnet mit voreilig optimistischen Ansagen. „Die guten Zeiten sind zurück“, bejubelte der sonst so kontrollierte Manager vor zwei Jahren in Paris das Ende der Coronaflaute. Kurz danach musste er Airbus’ Auslieferungszahlen deutlich nach unten korrigieren und spürbare Wertberichtigungen vornehmen.
Nun lässt er sich immerhin entlocken, dass die notorischen Produktions- und Lieferverzögerungen ab 2027 weitgehend der Vergangenheit angehören sollen. Die neuen Führungskräfte sollen für mehr Effizienz bürgen – und dafür, dass Airbus noch stärker von der dauernden Imageschwäche Boeings profitieren kann.
Airbus hatte Ende Mai gut 8600 offene Bestellungen in den Büchern. Doch die dafür nötige Steigerung der Produktion bekommt der Konzern nicht gestemmt. Im vergangenen Jahr bekam Airbus statt der vor zwei Jahren erwarteten 850 Jets nur 766 fertig. In diesem Jahr werden es statt mehr als 1000 wohl nur 820.
Die Realität an den Plan angleichen sollen nun der neue Commercial-CEO Wagner, der kommende Einkaufsvorstand Schulz und Asienchef Westermeier. Das Trio wird dabei vor allem nach außen wirken müssen. Bislang scheitert die Planerfüllung vor allem an Zulieferern, die mit ihrer Produktion nicht nachkommen. Viele von ihnen wollten nach der Pandemie nicht auf die ambitionierten Hochlaufpläne von Airbus vertrauen. Dann war das Geld für neue Fertigungsanlagen knapp, schließlich waren Fachkräfte und Rohstoffe rar und teuer. All diese Probleme trafen Airbus: „Fehlt ein Teil, ruht die gesamte Produktion“, sagt Michael Santo, Geschäftsführer der Beratung h&z.
Aber auch der Konzern ist für die Malaise verantwortlich. Airbus hat Lieferanten hohe Preisnachlässe und stark steigende Stückzahlen abverlangt. „Wie wir das umsetzen“, klagt ein Manager der Zulieferbranche, danach „wurde erst gefragt, als immer mehr Firmen die Vorgaben rissen“. Unternehmenskenner führen das auch auf Kenntnislücken im Airbus-Vorstand zurück. Der sei zwar mit 16 Mitgliedern üppig besetzt. Aber neben Spezialisten für Nachhaltigkeit, Lobbying oder Strategie gebe es „keinen, der das Thema Lieferkette wirklich versteht“, sagt Santo.
Das ist künftig anders, vor allem dank Wagner. „Er hat bei MTU
ein sehr stabiles System aufgebaut, langfristig geplant und seine Lieferanten eng in die Produktion eingebunden“, sagt Berater Santo.
Der neue Einkaufsvorstand Schulz und Asienchef Westermeier dürften sich vor allem darauf konzentrieren, neue Lieferanten in Nordamerika und Asien zu gewinnen. Das wird künftig wichtiger denn je, weil immer mehr Unternehmen gern auch für Rüstungskonzerne aus den USA arbeiten, die besser zahlen.
Noch zu viel Handarbeit
Das zweite Airbus-Problem, die umständliche Arbeitsweise des Konzerns, soll die scheidende Technikchefin Klauke lösen. Denn auch wenn moderne Passagiermaschinen inzwischen fliegende Computernetzwerke sind – die Fertigung erfolgt noch sehr weitgehend analog. „Hier hinkt die Luftfahrt mindestens ein Jahrzehnt hinter anderen Branchen wie den Autoherstellern her“, sagt Berater Santo.
Zu den Nebeneffekten zählt, dass deutlich mehr Produktionspannen teuer ausgebessert werden müssen und dass Airbus seinen Kunden, den Fluglinien, nur mit großem Aufwand teure Extras anbieten kann.
Klauke fällt nun die Aufgabe zu, den Prozess des Flugzeugbaus von der Entwicklung über den Komponentenbau bis zur Fertigung umzuwandeln in ein „Ökosystem Fabrik der Zukunft“, wie es in einem internen Dokument heißt. Das soll den Bau verbilligen und über ein geringeres Gewicht der Maschinen sowie besser abgestimmte Systeme die Betriebskosten der Airlines senken, ihnen mehr Freiheit bei der Einrichtung geben. „Das ist absolut entscheidend für die Zukunft von Airbus“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters ein internes Dokument von Faury.
Der dritte Teil von Faurys Agenda liegt in der Hand der neuen Personalchefin Rex. Sie soll im globalen Konzern eine moderne und internationale Unternehmenskultur etablieren. Denn auch wenn Airbus inzwischen Flugzeuge in den USA und China fertig baut – das Unternehmen ist noch immer sehr weitgehend geprägt und bestimmt vom Vorrang deutsch-französischer Interessen.
Faurys Erfolgsaussichten? Teils, teils. Die Einschätzung variieren je nach Themenfeld. Bei den Produktionszahlen dürfte Airbus reüssieren, meinen Beobachter – bei der Fabrik der Zukunft erst mal nicht: „Es ist leichter, zum Mars zu fliegen, als Airbus zu digitalisieren“, kommentierte ein Berater den LinkedIn-Post zu Klaukes Jobwechsel.
Am kompliziertesten dürfte der Kulturwandel werden. Das zeigen nicht zuletzt die Umstände von Klaukes Rochade: „Als Ingenieurin ist sie zwar top, aber eigentlich nicht der ideale Kandidat für die Digitalisierung“, moniert ein Insider. Dass sie den Job dennoch gekommen habe, sei allein der „Konzernraison“ zu verdanken.
So wollte Faury dem Vernehmen nach Indienchef Maillard in die Konzernzentrale nach Toulouse holen, als Belohnung für die vielen Aufträge, die er aus der Region holte – aber auch, weil Faury einen Kenner des boomenden Landes in der Konzernführung sehen wollte. Weil jedoch Personalerin Rex einen Franzosen ersetzt hatte, musste jemand aus Deutschland weichen. Da sei nur Klauke geblieben.
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