Autobauer ziehen Dax-Konzerngewinne nach unten
Im ersten Quartal sind die Nettoergebnisse der größten deutschen Konzerne gesunken. Verantwortlich ist die Autoindustrie mit einem Milliarden-Einbruch. Eine Branche ragt positiv heraus.
Düsseldorf. Stagnation in Deutschland und das Miniwachstum in Europa schlagen sich in den Bilanzen der großen börsennotierten Unternehmen nieder: Mit 30,5 Milliarden Euro haben die 40 im Leitindex Dax notierten Konzerne im Auftaktquartal nach Handelsblatt-Berechnungen 1,3 Milliarden Euro weniger verdient als im Vorjahreszeitraum.
Verantwortlich für diesen Rückgang um vier Prozent ist ausgerechnet Deutschlands traditionell stärkste Branche: Bei den Autobauern BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen brach der Nettogewinn zusammengerechnet um 2,5 Milliarden Euro oder 20 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro ein.
Demgegenüber hielten sich die Konzerne in den übrigen Branchen stabil, bestätigten in großer Zahl ihre Jahresziele – oder hoben sie sogar an.
Das überrascht angesichts vieler Krisen und schlechter Perspektiven. Der Sachverständigenrat rechnet mit keiner schnellen Besserung: Die sogenannten Wirtschaftsweisen reduzierten in dieser Woche ihre Konjunkturprognose für Deutschland um 0,5 Prozentpunkte auf ein Miniwachstum von 0,2 Prozent.
Mit Siemens und der Deutschen Telekom präsentierten am Donnerstag die letzten beiden Dax-Konzerne ihre Bilanz für das abgelaufene Quartal.
Siemens spiegelt den Trend, abseits der angeschlagenen Autobranche, gut wider: Zwar schwächelt das Kerngeschäft mit der Automatisierung der Industrie. Dennoch hielt der Münchener Konzern an seinen Jahreszielen fest, weil starke Geschäfte in anderen Bereichen wie etwa in der Sparte „Smart Infrastructure“ die Schwächen ausgleichen.
Einmal mehr profitieren Siemens und die vielen exportstarken Dax-Unternehmen von ihrer Stärke außerhalb des Heimatmarktes, wo sie nur knapp 20 Prozent ihrer Umsätze erzielen.
Gewinne der Autobauer brechen ein
„In der Autoindustrie ist die Party vorbei“, sagt Mathieu Meyer, Partner bei der Unternehmensberatung EY, zu den Konzernbilanzen. Die Branche ist mit vielen Herausforderungen konfrontiert: dem schleppenden Hochlauf der Elektromobilität, einer zurückhaltenden Kundennachfrage, höherem Preisdruck und hohen Materialkosten. „Traummargen wie im vergangenen Jahr lassen sich in diesem Umfeld kaum noch erzielen“, erklärt Meyer.
Vor allem China bereitet Sorgen. Dieses hatte in den vergangenen Jahren zuverlässig für rasantes Wachstum bei den exportorientierten deutschen Konzernen gesorgt. Das ist vorbei. Keine der großen Weltregionen entwickelt sich seit dem vergangenen Jahr so schwach wie der asiatische Markt, wo die Dax-Konzerne im ersten Quartal nach EY-Berechnungen etwa ein Zehntel ihres Vorjahresumsatzes verloren.
Größter Verlierer dieser China-Schwäche sind die Autobauer. Rund ein Drittel ihrer Umsätze erzielen BMW, Mercedes und Volkswagen seit Jahren in China und Taiwan. Bei VW sind es sogar 40 Prozent.
Die Zeiten der hohen Margen sind jedoch vorbei, denn mit der Umstellung auf Elektroautos geht ein harter Preiswettbewerb einher, den chinesische Autobauer wie BYD anheizen. Dadurch sinkt die Profitabilität: Bei Mercedes brach im ersten Quartal die operative Umsatzrendite um knapp sechs Prozentpunkte auf neun Prozent ein.
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Gut ein Drittel der Gewinne steuerte einst China zum Geschäft bei. Doch diese Ergebnisse wurden mit Verbrennermodellen verbucht – also mit Produkten, die nach und nach aus dem Markt gedrängt werden. Auf dem schnell wachsenden Markt für Elektroautos liegen dagegen der US-Hersteller Tesla und chinesische Firmen wie Geely und BYD vorn.
Das Nachsehen haben die deutschen Autobauer. Diese dominieren den Leitindex seit mehr als einem Jahrzehnt. Höhepunkt war nach Handelsblatt-Berechnungen das Geschäftsjahr 2022: Mit 48 Milliarden Euro Nettogewinn standen BMW, Mercedes und VW damals für 41 Prozent des Nettogewinns aller 40 Dax-Konzerne.
2023 waren es noch knapp 40 Prozent. Im jetzt abgelaufenen ersten Quartal sank die Quote auf gut 30 Prozent.
Preiswettbewerb setzt VW zu
Im VW-Konzern brach der Nettogewinn im abgelaufenen Quartal um 21 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro ein. Bei der hochpreisigen Markengruppe Progressive, in der Audi sowie die Luxusmarken Bentley und Lamborghini gebündelt sind, fiel die operative Umsatzrendite von elf auf dreieinhalb Prozent.
Auch hier ist intensiver Preiswettbewerb die Ursache. Viele Kunden aus der gut verdienenden chinesischen Oberschicht können oder wollen die hohen Preise angesichts sinkender Immobilienpreise und damit erodierender Vermögen nicht mehr bezahlen.
Nach konzerneigener Prognose werden VW in diesem Jahr noch maximal zwei Milliarden Euro an operativem Gewinn aus den chinesischen Gemeinschaftsunternehmen zufließen. In besten Zeiten waren es gut fünf Milliarden Euro.
Darüber hinaus fehlen den Herstellern wichtige Bauteile. Bei Mercedes-Benz konnte der Zulieferer Bosch nicht die benötigten Stückzahlen von 48-Volt-Systemen liefern. Die Batterie setzt Mercedes standardmäßig in seinen modernen Benzin- und Dieselmodellen ein und ist nur eingeschränkt lieferbar. Mercedes verzeichnete mit einem Minus beim Nettogewinn von knapp 25 Prozent den stärksten Rückgang unter den Autobauern.
SAP: Starkes Geschäft, trotzdem Dax-Schlusslicht
Abgesehen von den Autobauern zog ein weiteres Unternehmen die Dax-Gewinnbilanz nach unten: Deutschlands wertvollster Konzern SAP. Zwar beschert ein anhaltend starkes Cloud-Geschäft weiterhin kräftiges Wachstum. Im operativen Tagesgeschäft steigerte Europas größter Softwarehersteller seinen Gewinn vor Steuern und Zinsen um 19 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro.
Doch SAP bildete Rückstellungen von 2,2 Milliarden Euro für den angekündigten Konzernumbau und packte diese in das erste Quartal. Dadurch fiel unter dem Strich ein Nettoverlust von 828 Millionen Euro an – das größte Minus unter allen Dax-Konzernen.
Hintergrund dieser hohen Aufwendungen sind sich verändernde Kundennachfragen, einhergehend mit neuen Techniken rund um die Künstliche Intelligenz (KI). Dadurch braucht SAP andere Qualifikationen.
Der Konzern streicht weltweit 8000 Stellen. Da aber gleichzeitig Beschäftigte für den Einsatz in neuen zukunftsträchtigen Bereichen eingestellt werden, dürfte die Zahl der weltweit Angestellten mit rund 107.000 nahezu unverändert bleiben.
Viel Stärke abseits der Problembranche
Bei SAP und den drei Autobauern fiel der Nettogewinn zusammengerechnet um knapp dreieinhalb Milliarden Euro. Die Mehrheit der Dax-Konzerne startete dagegen robust ins neue Jahr – und blickt zuversichtlich nach vorn.
Bereits im Auftaktquartal haben mehrere Unternehmen ihre noch frische Jahresprognose angesichts guter Geschäfte angehoben, darunter die beiden Konsumgüterhersteller Henkel und Beiersdorf, der Gesundheitskonzern Fresenius und der angeschlagene Kraftwerksbauer Siemens Energy.
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Henkel und Beiersdorf gelingt es wie bereits im vergangenen Jahr gut, steigende Rohstoff- und Produktionskosten an die Endverbraucher weiterzureichen. Dazu tragen fest im Markt verankerte Marken wie Persil, Pril und Prit (Henkel) sowie Nivea und Eucerin (Beiersdorf) bei.
Darüber hinaus präsentieren sich etliche Konzerne unverändert stark, darunter der Lastwagenhersteller Daimler Truck. Oder sie profitieren sogar von den geopolitischen Krisen, so wie Rheinmetall. Die anhaltend hohe Nachfrage nach Rüstungsgütern infolge des Ukrainekriegs ließ den Umsatz bei dem Düsseldorfer Konzern um 16 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro steigen.
Der Gewinn vor Steuern und Zinsen legte überproportional stark um 60 Prozent auf 134 Millionen Euro zu. Dadurch wirtschaftete Rheinmetall deutlich profitabler: Die operative Umsatzrendite stieg um fast zweieinhalb Prozentpunkte auf 8,5 Prozent.
Schwächen sind nicht in Sicht: Der Auftragsbestand, inklusive erwarteter Abrufe aus Rahmenverträgen und Vereinbarungen, stieg um mehr als ein Drittel auf den Rekordwert von 40 Milliarden Euro. Aus dem Bundeswehr-Sondervermögen peilt Rheinmetall ein weiteres Auftragsvolumen von 30 bis 40 Milliarden Euro an.
Finanzinstitute stechen übrige Branchen aus
Am stärksten präsentiert sich die Finanzbranche. Allianz, Munich Re, Deutsche Bank, Commerzbank, Hannover Rück und Deutsche Börse haben ihre Nettogewinne zusammengerechnet um 28 Prozent auf 7,8 Milliarden Euro gesteigert. Die anhaltend hohen Zinsen bescheren weiterhin hohe Erträge.
Die Commerzbank verzeichnete ihr bestes erstes Quartal seit 2011 und peilt im Gesamtjahr einen Rekordgewinn an. Das auf mittelständische Unternehmen und Privatkunden fokussierte Finanzinstitut profitiert davon, dass die Zinsen bislang auf hohem Niveau verharren und nicht so schnell fallen wie noch zu Beginn des Jahres erwartet. Unter dem Strich standen 747 Millionen Euro Nettogewinn und damit 29 Prozent mehr als vor einem Jahr.
Starke Gewinnzuwächse bilanzieren die zwei großen Versicherer: Allianz steigerte seinen Nettogewinn um 22 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro, der Rückversicherer Munich Re um 68 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Grund dafür sind anhaltend hohe Zinserträge, höhere Preise in der Schaden- und Unfallversicherung bei der Allianz und das weitgehende Ausbleiben von Naturkatastrophen bei der Munich Re.
Sorgen braucht sich die Branche auch dann nicht zu machen, sollte es künftig wieder mehr Großschäden und Katastrophen geben. In dem Fall steigen die Versicherungsprämien, was die Gewinne in den Folgejahren weiter treibt.
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