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In dem Werk in Sachsen werden verschiedene Elektroautos der Konzernmarken Volkswagen, Audi und Seat produziert. - IMAGO/Uwe Meinhold
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Autoindustrie muss 2024 Kostendisziplin und Tech-Investitionen ausbalancieren

Die Autobranche erwartet vor allem in Europa und in Nordamerika ein Jahr der Stagnation. Hersteller und Zulieferer müssen sparen – und irgendwie noch Geld in die Transformation stecken.

Düsseldorf, Stuttgart. Die deutschen Autobauer und Zulieferer erwartet ein Jahr ohne großes Absatzwachstum – wieder einmal. In Europa und Nordamerika werden laut der Unternehmensberatung Roland Berger 2024 kaum mehr Autos abgesetzt als 2023. Immerhin in China, dem größten Pkw-Einzelmarkt der Welt, dürften die Verkäufe weiter steigen.

Roland Berger rechnet für das laufende Jahr zwar mit einem Absatz von rund 88 Millionen Fahrzeugen. Das wären etwa 2,5 Millionen mehr als noch 2023, aber im Vergleich zum Höchststand aus dem Jahr 2017 rund sieben Millionen Pkw weniger.

Die Zeiten des starken Wachstums sind für die Branche damit vorbei. Und ausgerechnet in China sind die traditionellen deutschen Konzerne abgehängt. BYD hatte bereits im ersten Quartal 2023 Volkswagen als größten Autohersteller in China abgelöst. Seit Neuestem verkauft das chinesische Unternehmen – wenn auch dank starker Rabatte – weltweit mehr Elektroautos als Branchenführer Tesla. Die Lücke nach vorn wird für die deutsche Autoindustrie stetig größer.

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Die Entwicklung sorgt für unterausgelastete Fabriken bei Autobauern und Zuliefern und belastet zugleich deren Gewinnmargen. Dass in Deutschland nun auch die Kaufprämien für Elektroautos gestrichen wurden, sorgt zusätzlich für Druck.

Felix Mogge, Partner bei Roland Berger, geht davon aus, dass die europäische Autoindustrie diesen Zustand noch länger aushalten muss. „Das Problem der schwachen Nachfrage nach Elektroautos wird die Autoindustrie noch mindestens zwei Jahre beschäftigen“, sagt er dem Handelsblatt. Die Beobachtung deckt sich mit Aussagen von Bosch-Chef Stefan Hartung, der kürzlich gegenüber dem Handelsblatt äußerte: „2024 wird schwieriger als gedacht, 2025 vermutlich auch.“

„Gut möglich, dass 2024 ein verlorenes Jahr für die Autobranche wird“, meint auch Constantin M. Gall von der Unternehmensberatung EY. Die aktuelle Konjunkturschwäche und die erheblichen geopolitischen Spannungen führten zu Kaufzurückhaltung sowohl bei Privatleuten als auch bei Unternehmen.

Chinesische Elektromarken kommen nach Europa

Erschwerend hinzu kommt die Elektrokonkurrenz im größten Wachstumsbereich. „Chinesische Hersteller bieten auf ihrem Heimatmarkt Elektroautos zu Preisen an, zu denen die meisten westlichen Hersteller bislang kein Gegenangebot setzen können“, sagt Mogge. Volkswagen, BMW und Mercedes verlieren in China immer mehr Marktanteile.

Chinesische Marken wie MG, BYD oder Zeekr drängen dabei auch verstärkt auf den europäischen Markt. Kurz vor Weihnachten kündigte BYD zudem den Bau der ersten Elektroautofabrik in Europa an. Etablierte Autohersteller wie Volkswagen, Stellantis oder Renault drohen nun auch im elektrischen Heimatmarkt ins Hintertreffen zu geraten. Das Problem für alle Hersteller ist dabei die Marge, da das Angebot die Nachfrage wieder übersteigt und vor allem Preisnachlässe für Absatzwachstum sorgen.

Potenzielle Gewinner: die Kunden. „Der Wettbewerb wird wieder zunehmend über den Preis ausgetragen, Rabatte und günstige Finanzierungsmodelle sind wieder auf dem Vormarsch“, sagt EY-Experte Gall. „Das Preisniveau auf dem Neuwagenmarkt dürfte im neuen Jahr deutlich sinken.“ Die Margen der Hersteller damit allerdings erneut auch.

Der Preisdruck auf die deutsche Autoindustrie, den auch Tesla mitträgt, wird Hersteller wie Zulieferer zum Sparen zwingen. So hat etwa Volkswagen zum Ende des vergangenen Jahres ein Kostenprogramm aufgelegt, mit dem der Konzern rund zehn Milliarden Euro einsparen will. Bei Bosch wiederum drohen in diesem Jahr größere Einschnitte bei den Beschäftigten. Weil Bosch zu viele Entwickler in der Verbrennertechnologie hat, sollen 1500 Stellen in den entsprechenden Abteilungen gestrichen werden.

Die Beratung Roland Berger sieht bei den traditionellen Autozulieferern insgesamt eine negative Ergebnisentwicklung. Die durchschnittlichen Margen der 600 betrachteten Zulieferer lägen einer Studie zufolge nur noch bei etwa fünf Prozent. Das sind verglichen mit dem Vor-Corona-Zeitraum fast drei Prozentpunkte weniger.

Trotz zurückgehender Margen und des daraus resultierenden Spardrucks müssen aber sowohl die Autohersteller als auch die Zulieferer weiter immense Summen in die automobilen Zukunftsbereiche Elektromobilität und Software investieren. „Der Spagat zwischen substanziellen Investitionen in Zukunftstechnologien und gleichzeitiger strenger Kostendisziplin wird die Autoindustrie über die nächsten fünf bis sieben Jahre massiv herausfordern“, sagt Mogge.

2024 im Fokus: Volkswagen, Bosch und BYD

Volkswagen/Audi: Europas größtem Autobauer steht ein schwieriges Jahr bevor. Entscheidend wird sein, ob VW mit seinen Elektroautos im Preiskampf mit Tesla und den chinesischen Konkurrenten bestehen kann. Davon wird auch abhängen, ob es den Wolfsburgern im neuen Jahr besser als 2023 gelingt, die Werke in Deutschland und China auszulasten. Besonders im Fokus stehen die Geschäfte in der Volksrepublik, wo VW trotz eines wachsenden Gesamtmarkts Marktanteile verliert und mit sinkenden Gewinnbeiträgen kämpft. VW-Markenchef Thomas Schäfer will trotz dieser Herausforderungen im Rahmen des Kostenprogramms „Accelerate Forward – Road to 6.5“ die zuletzt schwächelnde Gewinnmarge von rund drei auf über sechs Prozent erhöhen.

Audi-Chef Gernot Döllner präsentiert auf der IAA 2023 den Elektro-SUV Q6 e-tron. - Martin Schutt / dpa
Audi-Chef Gernot Döllner präsentiert auf der IAA 2023 den Elektro-SUV Q6 e-tron. - Martin Schutt / dpa

Die Premiumtochter Audi wiederum wird nach mehrjähriger Verspätung neue Elektroautomodelle auf den Markt bringen. Den Anfang wird im Sommer der Q6 e-tron auf der neuen Elektroplattform PPE machen. Von diesem Fahrzeug wird abhängen, ob Audi den Anschluss bei der Elektromobilität an die Konkurrenten Mercedes und BMW wiedererlangt. In diesem Jahr wird Audi zudem an der Neuausrichtung der Strategie in China arbeiten. Dort arbeitet die Premiummarke mit VWs chinesischem Joint-Venture-Partner Saic an neuen Elektromodellen für den Markt in der Volksrepublik.

BYD: Der Marktführer in China verstärkt 2024 sein Engagement in Europa. BYD wird mit dem Kleinwagen Dolphin und der Limousine Seal zwei neue Elektromodelle in Europa einführen. Europachef Michael Shu kündigte im Herbst im Handelsblatt an, in Deutschland künftig „der führende internationale Hersteller“ werden zu wollen.

Bei einer Feier zum fünfmillionsten produzierten Elektrofahrzeug sagte BYD-Präsident Wang Chuanfu in Shenzhen kürzlich: „Die Ära der chinesischen Autoindustrie beginnt jetzt.“

Dank der Eigenfertigung der Batterie kommt BYD nach einer Analyse der Schweizer Großbank UBS auf eine Fertigungstiefe von 77 Prozent, Tesla (Model 3) liegt bei 43 Prozent und VW (ID.3) nur bei 34 Prozent. Der Kostenvorteil der Chinesen beträgt demnach rund 25 Prozent.

Bosch: Dem größten Autozulieferer der Welt könnten wie vielen anderen Zulieferern in diesem Jahr größere Sparvorhaben bevorstehen. Verantwortlich sind die weltweit niedrigen Pkw-Absatzzahlen, die Experten zufolge erst gegen Ende der Dekade wieder an das Vor-Corona-Niveau zurückkehren dürften. Dementsprechend schwach entwickelt sich die Autosparte von Bosch.

Die Zielrendite von sieben Prozent, die der Stiftungskonzern für seine finanzielle Unabhängigkeit braucht, wird Bosch im neuen Geschäftsjahr verfehlen. Die für das laufende Jahr angepeilte operative Rendite von fünf Prozent sei erreichbar, aber zu wenig, um dynamisch wachsen zu können, sagte Bosch-CEO Hartung zuletzt dem Handelsblatt. Der für seine optimistische Grundhaltung bekannte Chef hat kurz vor Weihnachten die Erwartungen für sein Unternehmen im kommenden Jahr gedämpft und seine Umsatz- und Gewinnziele um ein bis zwei Jahre verschoben.

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