Autozulieferer: Bei ZF drohen jetzt betriebsbedingte Kündigungen
Bei ZF rumort es – am Standort Schweinfurt droht der Konflikt zu eskalieren. Der Betriebsrat hat eine Verlängerung der Arbeitszeitabsenkung abgelehnt.
Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen ist hoch verschuldet und muss dringend Geld sparen. Deswegen haben 5500 Beschäftigte am Standort Schweinfurt seit Anfang Dezember auf einen Teil ihres Gehaltes verzichtet. Tarifliche Vollzeitmitarbeiter arbeiteten seither nur noch 32,5 statt 35 Stunden pro Woche. Rein rechnerisch konnte ZF so das Gehalt von rund 300 Vollzeitkräften einsparen.
Doch damit ist jetzt Schluss: Die Vereinbarung mit dem Arbeitgeber läuft Ende Juni aus – und soll nicht verlängert werden. Der Betriebsrat in Schweinfurt habe eine Verlängerung der Arbeitszeitabsenkung am Donnerstag abgelehnt, sagte Oliver Moll, Vorsitzender des Standortbetriebsrats Schweinfurt, der WirtschaftsWoche. Aus Sicht von ZF aber laufen die Verhandlungen noch – „wir sind jedenfalls noch verhandlungsbereit“, sagte ein Sprecher.
ZF sagt, dass eine Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit schon im Tarifvertrag Kurzarbeit und Beschäftigung vom 20. Juli 2020, also in der Hochphase der Corona-Pandemie mit Lockdowns, als mögliche Maßnahme vorgesehen worden sei. „Sie wurde in Schweinfurt als weiche Personalmaßnahme beschlossen und hat das Ziel, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, bislang erfüllt“, heißt es bei ZF.
5500 Mitarbeiter am Standort arbeiteten bislang kürzer. Zuletzt forderte der Konzern aber auch von Betriebsräten anderer Standorte, die Arbeitszeit tausender Beschäftigter in Deutschland abzusenken.
Im Mai verkündete der Betriebsrat, dass ZF auch für Zentralbereiche am Standort Friedrichshafen die Arbeitszeit absenke. Die Vereinbarung gilt bis längstens 31. März 2026. Mitarbeiter hatten etwa die Option auf eine Vier-Tage-Woche mit 31,5 Stunden. Grund dafür waren starke Auftragsrückgänge in Forschung und Entwicklung, die sich auch auf andere Zentralbereiche auswirkten. Am Standort sind betriebsbedingte Kündigungen bis zum 30. Juni 2028 ausgeschlossen.
„Befürchten betriebsbedingte Kündigungen von mindestens 650 Arbeitsplätzen“
Genau die aber fürchtet Moll aus Schweinfurt jetzt: „Mit der Ablehnung müssen wir in Schweinfurt jetzt betriebsbedingte Kündigungen von mindestens 650 Arbeitsplätzen befürchten“, sagte Moll der WirtschaftsWoche. ZF wollte sich nicht an „Spekulationen über mögliche Folgen einer Nichtverlängerung der Arbeitszeitabsenkung am Standort Schweinfurt beteiligen“. Die Arbeitszeitabsenkung, heißt es bei ZF, sei bislang „als Beleg für die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität des Standorts und der Solidarität der Belegschaft gewertet“ worden.
Im Sommer 2024 hatte ZF angekündigt, die Zahl der Stellen in Deutschland bis 2028 um bis zu 14.000 zu senken. Zum Jahreswechsel hatte ZF aber erst 2420 Mitarbeiter in Deutschland abgebaut. Eine Arbeitszeitabsenkung auf breiter Front ermöglicht es ZF sofort zu sparen, die Mitarbeiter aber an Bord zu halten.
ZF kämpft derzeit an allen Fronten: US-Zölle, drohende Produktionsstopps von Kunden wegen Einfuhrschwierigkeiten bei Seltenen Erden, sinkende Abrufzahlen von Zulieferteilen durch Kunden. Bereits 2024 machte ZF mehr als eine Milliarde Euro Verlust. Schlimmer noch: ZF musste mit den Banken eine wichtige Finanzkennzahl – den Financial Covenant – neu verhandeln. Die Bankdarlehen etwa der EIB oder der KfW sowie auch eine milliardenschwere Kreditlinie enthalten neben anderen Auflagen auch die Pflicht, den Covenant einzuhalten.
10,5 Milliarden Euro Schulden
Diese Kennzahl definiert das Verhältnis von Nettoverschuldung zum bereinigten, konsolidierten Ebitda (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände). ZF muss den Covenant quartalsweise einhalten. Schafft der Konzern das nicht, hätte das zur Folge, dass die Kreditgeber die sofortige Rückzahlung von Finanzierungen verlangen könnten oder sie die bestehende Kreditlinie kündigen könnten. Letztere liegt aktuell bei 3,5 Milliarden Euro.
Der neue Covenant für ZF liegt nun für fünf Quartale bei 4,0. Zuvor betrug dieser nicht zu überschreitende Maximalwert 3,25. Der Wert ist also deutlich angehoben worden, was auf eine finanziell angespannte Situation hindeutet. Laut einer Präsentation von ZF-Finanzvorstand Michael Frick lag der Covenant 2024 bei 3,27. Ohne die Zustimmung der Banken zu einer Anpassung der Kennzahl zugunsten von ZF hätte der Zulieferer den Covenant also gerissen – mit allen möglichen negativen Konsequenzen.
Die finanzielle Situation von ZF ist derzeit sehr angespannt: 2024 stiegen die Schulden auf 10,5 Milliarden Euro. Aus dem operativen Geschäft kommt schon heute kaum Geld in die Kasse.
Zuletzt musste ZF für eine neue Anleihe einen Kupon von 7,0 Prozent akzeptieren. Das ist ein reichlich hoher Zins für einen Konzern mit derart hohen Schulden – und einem nur noch schwachen Cash-Flow. Nur noch 305 Millionen Euro flossen 2024 aus dem operativen Geschäft in die Kasse von ZF.
Schon seit Monaten arbeitet die Führungsriege am Bodensee daher an Optionen für die Division E, die Einheit für Pkw-Antriebstechnologien. Dabei spielt ZF verschiedene Szenarien durch: Dazu gehört ein Carve-out, bei dem die Division vom übrigen Geschäft getrennt werden würde. Anschließend könnte ZF etwa einen Partner hereinholen. Oder verkaufen. Was man offenbar nicht will.
Intern wird nun aber auch ein „Ramp-Down“ durchgespielt – ein Auslaufen des Geschäftes. Aufsichtsräte und andere Experten sind Insidern zufolge in einem Workshop auch auf diese Option vorbereitet worden. Das Unternehmen selbst bestätige nun der WirtschaftsWoche, man müsse „auch Alternativen beleuchten, in denen wir keinen Partner finden. Die ungünstigste Variante wäre ein Auslaufen des aktiven Geschäftes ohne neue Produktentwicklungen“. Das sei aber „wenig wahrscheinlich und strategisch nicht wünschenswert“ – zumal diese Option „nicht wertschöpfend“ sei.
Schon in wenigen Wochen soll der Aufsichtsrat entscheiden, wie es für ZF weitergeht.
