B2B: Vier Tipps, die Kundenbeziehungen stärken
In B2B-Beziehungen geht es immer nur um Kosten und Zeitersparnis? Keineswegs. Eine Studie zeigt, wie sehr Kunden es schätzen, wenn Dienstleister ihre psychologischen Bedürfnisse erfüllen.
Von Ron Friedman
Drei psychologische Grundbedürfnisse treiben uns Menschen an: Ganz unabhängig von unserem Geschlecht, unserem Alter oder unserer kulturellen Prägung streben wir nach Wahlfreiheit (Autonomie), Beziehungen zu anderen Menschen (soziale Eingebundenheit) und nach Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln (Kompetenz).
Aus der psychologischen Forschung sind diese Grundbedürfnisse schon lange bekannt. Jenseits der Wissenschaft werden sie jedoch häufig noch außer Acht gelassen, so beispielsweise auch dann, wenn es darum geht, die Kundenbindung zu stärken. Kürzlich hat mein Team bei ignite80 zusammen mit dem Softwareanbieter Front eine Umfrage durchgeführt. Teilgenommen haben 2128 Angestellte aus den USA, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien, die für ihr Unternehmen Dienstleistende beauftragen.
Uns interessierten ihre Präferenzen im Kontakt mit ihren Serviceanbieterinnen und -anbietern. Spoiler: Unsere Ergebnisse lieferten deutliche hinweise darauf, dass es in B2B-Beziehungen wichtig ist, die psychologischen Bedürfnisse beauftragender Personen zu befriedigen. Das ist sogar dann der Fall, wenn sie dafür selbst zusätzliche Zeit oder mehr Geld aufwenden müssen.
Vom Wert der Wahlfreiheit
In unserer Umfrage erkundigten wir uns zunächst danach, welchem Lösungsansatz ihres Dienstleisters die Teilnehmenden den Vorrang geben würden:
a) dass dieser das Problem mit einer von ihm selbst gewählten Lösung mit Sicherheit behebt oder
b) dass dieser ihnen mehrere Lösungsmöglichkeiten zur Auswahl präsentiert.
Obwohl die erste Option deutlich weniger Zeit in Anspruch nehmen würde, bevorzugten 58 Prozent der Befragten die Möglichkeit, eine eigene Wahl treffen zu können. Selbst auszuwählen wird also als wünschenswert wahrgenommen, und zwar auch dann, wenn es keinen zusätzlichen Nutzen bringt und mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Menschliche Interaktion erwünscht
Kundinnen und Kunden opfern nicht nur Zeit, um eine Wahl treffen zu können – sie nehmen sich auch gern Zeit, um mit Menschen zu interagieren. Das konnten wir erkennen, als wir die Teilnehmenden fragten, was ihnen lieber sei:
a) mit einem Chatbot zu interagieren, der ihr Problem in fünf Minuten erledigt, oder
b) mit einem Menschen zu sprechen, der ihr Problem in zehn Minuten löst.
Auch wenn sie doppelt so lange warten müssen und daraus kein zusätzlicher Nutzen entsteht (den Teilnehmenden wurde versichert, dass das Problem in beiden Fällen gelöst würde), bevorzugten fast drei Viertel (74 Prozent) den menschlichen Kontakt.
Das Bedürfnis nach menschlicher Interaktion kam in unserer Studie gleich mehrfach zum Vorschein. So baten wir die Teilnehmenden, effektive und ineffektive Dienstleister nach unterschiedlichen Kriterien zu bewerten, unter anderem danach, ob sie die Kontaktperson persönlich kannten. Bei den ineffektiven Anbietern gaben nur 33 Prozent einen persönlich bekannten Kontakt an. Bei den effektiven Anbietern hingegen waren die persönlich bekannten Kontakte mit 70 Prozent mehr als doppelt so häufig. Das zeigt: Gute Beziehungen und das Gefühl, guten Service zu bekommen, gehen Hand in Hand.
Gefragt: Hilfe zur Selbsthilfe
Als Nächstes fragten wir die Teilnehmenden, ob sie ein Gegenüber bevorzugen, welches:
a) das Problem an ihrer Stelle löst, oder
b) sie befähigt, das Problem künftig selbst zu lösen, ohne den Anbieter erneut kontaktieren zu müssen.
61 Prozent der Teilnehmenden zogen es vor zu lernen, ihre Probleme künftig eigenständig zu lösen. Der Wunsch, dazuzulernen, war vor allem unter den jüngeren Befragten ausgeprägt. Mehr als drei Viertel (76 Prozent) der Teilnehmenden der Generation Z favorisierten diese Variante. Unter den Babyboomern hingegen waren es nur gut die Hälfte (51 Prozent).
Betrachten wir Kundendienst durch die Brille der psychologischen Bedürfnisse, können wir unterschiedliche Möglichkeiten erkennen, wie Anbietende ihren Service und ihre Kundenkommunikation verbessern können. Wir sehen außerdem, dass es sich lohnt, Kundinnen und Kunden das Gefühl von Autonomie, sozialer Eingebundenheit und Kompetenz zu vermitteln. Konkret bedeutet das:
Schaffen Sie Wahlmöglichkeiten. Kunden mögen erfahrene Anbieter. Aber sie wollen nicht gesagt bekommen, was sie zu tun haben. Sie bevorzugen es, mehrere Optionen zu haben. Präsentieren Sie also auch dann eine Auswahl, wenn Sie die beste Lösung bereits im Kopf haben. So vermitteln Sie dem Kunden das Gefühl der Kontrolle.
Kommunizieren Sie sachlich. Unsere Daten zeigen, dass Kundinnen und Kunden verschiedene Kommunikationsstile unterschiedlich bewerten. Positiv bewertet wurde: 1. Kundinnen und Kunden zu kontaktieren und zu fragen, ob sie bei einem Projekt Hilfe benötigen, 2. sich nach dem Befinden zu erkundigen und 3. ein monatlicher Newsletter mit nützlichen Informationen. Mit GIFs versehene E-Mails oder Facebook-Freundschaftsanfragen kamen dagegen schlecht an. Erzwingen Sie also keine Nähe. Konzentrieren Sie sich auf die sachlichen Aspekte und schaffen Sie daraus die Basis für eine authentische Beziehung.
Seien Sie sparsam mit Empathie. Auch zum Thema Empathie ergab unsere Studie interessante Erkenntnisse. Was in Freundschaften und Familien eine wichtige Beziehungsgrundlage ist, kann in Geschäftsbeziehungen nach hinten losgehen. Nämlich dann, wenn Empathiebezeugungen als unehrlich empfinden werden. Unsere Forschung zeigt, dass Kundinnen und Kunden lieber mit sachkundigen Dienstleistenden zusammenarbeiten als mit jemandem, der „ihren Schmerz fühlt“.
Erweitern Sie die Fähigkeiten Ihrer Kunden. Menschen haben ein angeborenes Bedürfnis, dazuzulernen. Das gilt besonders für Jüngere, die sich in ihrem Job weiterentwickeln wollen. Bieten Sie also nicht nur Problemlösungen an, sondern auch die Bereitschaft, Wissen zu teilen.
Häufig sehen wir in unseren Businesspartnerinnen und -partnern rein rationale Entscheiderinnen, die vor allem Wertsteigerung, Kostenreduktion und Zeitersparnis anstreben. Die Resultate unserer Studie zeigen, dass es um weit mehr als das geht: Bei der Auswahl von Dienstleistenden können die psychologischen Bedürfnisse genauso wichtig sein wie der Wunsch, Zeit und Geld zu sparen. © HBP 2023
Quelle: Ron Friedman et al.: „The Science Behind Strong Customer Relationships“ (White Paper), 2022
Dieser Beitrag erschien erstmals in der Juli-Ausgabe 2023 des Harvard Business managers.
