Auch immer Sommer könnte es aufgrund der Subvariante BA.5 eine Corona-Welle geben.
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BA.5 in Deutschland: Experten befürchten Sommer-Welle durch die Omikron-Subvariante

BA.5 breitet sich in Deutschland aus, die Zahl der Neuninfektionen könnte erneut steigen. Die Ampel ringt derweil um angemessene Maßnahmen.

Während sich die Omikron-Subvariante BA.5 immer stärker ausbreitet, mehren sich die Sorgen vor einer Corona-Sommerwelle in Deutschland. „Unsere Simulationen zeigen, dass die Entwicklung in Portugal auch in Deutschland eintreten könnte – und zwar in Form einer Sommerwelle“, sagte der Forscher Sebastian Müller dem Handelsblatt. Er ist Mitglied einer Arbeitsgruppe der TU Berlin um Kai Nagel, die den Pandemieverlauf modelliert.

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Die Zahl der Neuinfektionen würde der Simulation zufolge in der zweiten Junihälfte wieder spürbar steigen. Dann sei BA.5 die dominante Virusvariante. Es sei allerdings noch zu früh, die genaue Höhe der Neuinfektionen zu errechnen. „Wir gehen davon aus, dass sie eher unter dem Niveau der Omikron-Welle liegen wird“, sagte Müller.

Das Gesundheitswesen werde dabei allerdings nicht an seine Grenzen kommen. „Die durch die Omikron-Welle erzeugte Immunität in der Bevölkerung und die vierte Impfung sorgen dafür, dass die Anzahl der schweren Verläufe geringer sein wird als in der Omikron-Welle“, erwartet der Wissenschaftler.

Corona: Omikron-Variante BA.5 ansteckender als BA.1

Laut Robert Koch-Institut (RKI) lag der Anteil an den Neuinfektionen zuletzt bei 5,2 Prozent und verdopple sich jede Woche. Zudem könnte der stetige Rückgang der Fallzahlen vorerst gestoppt sein: In der vergangenen Woche stagnierte er, am Freitag gab das RKI die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz mit 261,3 an. Am Vortag hatte der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner noch bei 221,4 gelegen.

Allerdings liefert die Inzidenz kein vollständiges Bild der Infektionslage. Experten gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht erfasster Fälle aus, zudem gibt es Nachmeldungen. Der Effekt dürfte am langen Pfingstwochenende noch stärker ausfallen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte auf Twitter jedoch, „es könnte tatsächlich eine Sommerwelle geben“. Sicher sei das noch nicht. „Trotzdem ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, die Vorbereitungen für den Herbst zu treffen.“ Diese haben auch bereits begonnen. Ein Herbst wie vor der Pandemie ist noch nicht realistisch. Zuvor hatte er im ZDF gesagt, BA.5 sei „ansteckender und gefährlicher als BA.1“.

Lauterbach hatte Anfang Mai einen Pandemie-Plan für den Herbst angekündigt, diesen allerdings noch nicht vorgelegt. Die Fraktionen der Ampelkoalition konnten sich bislang nicht auf staatliche Schutzvorgaben für die kältere Jahreszeit einigen. Während die Grünen wie etwa Parteichef Omid Nouripour darauf drängen, das Infektionsschutzgesetz rasch zu ändern, bremst die FDP.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) kritisierte etwa am Sonntag auf Twitter: „Einige in der Politik suchen gezielt Streit zum Thema Corona, um sich zu profilieren. Das ist unseriös.“ Die Ministerpräsidentenkonferenz habe den gesetzlichen Fahrplan akzeptiert: „Erst evaluieren, dann entscheiden.“

Virologe sieht keine Gefahr durch BA.5

Der Virologe Klaus Stöhr hingegen sieht keine Gefahr und wirft Lauterbach Panikmache vor. „Dazu gehört dieses ganze Drohszenarium, was man wieder vom Gesundheitsministerium aufbaut“, sagte er vergangene Woche dem Fernsehsender „Welt“. Es könne zwar sein, dass die Omikronvariante BA.5 wie in Portugal zu einem Wiederanstieg an Fällen führe.

„An asymptomatischen Fällen, aber nicht auf den Intensivstationen, nicht in den Krankenhäusern – da ist völlige Entspannung.“ Stöhr soll als Nachfolger des Berliner Virologen Christian Drosten auf Vorschlag der Union in die Kommission zur wissenschaftlichen Beurteilung der staatlichen Corona-Beschränkungen einziehen.

Der Leipziger Epidemiologe Markus Scholz erwartet zumindest in den kommenden Monaten noch keine neue Welle. Grund seien die wärmere Jahreszeit und die Immunität der Bevölkerung. Die Welle sei jedoch spätestens für den Herbst zu erwarten, „da bis dahin auch die Immunität wieder deutlich abnimmt“, sagte er dem Handelsblatt.

Corona-Lage in Portugal entspannt sich

In Portugal gibt es derweil erste Zeichen für eine Entspannung. Das Land verzeichnete einen starken Anstieg der Fallzahlen durch BA.5. Die Zahl der Neuinfektionen lag am Freitag bei mehr als knapp 26.000, das Land weist eine der weltweit höchsten Sieben-Tage-Inzidenzen auf.

Im Wochendurchschnitt haben die Ansteckungen allerdings ein Plateau erreicht. Auch der R-Wert, also die Zahl der Personen, die ein Infizierter ansteckt, ist zuletzt von 1,13 auf 1 gesunken.

„Das wird vermutlich nur eine kleine Welle bleiben“, sagte der Virologe Pedro Simas vom Institut für Molekulare Medizin der Universität Lissabon dem Handelsblatt. Zudem schütze eine Impfung und eine vorangegangene Corona-Infektion mit einer anderen Omikron-Variante sehr gut vor gefährlichen Verläufen. Er geht davon aus, dass rund 80 Prozent der Portugiesen sich bereits einmal mit Covid infiziert haben.

Corona: Steigende Inzidenzen in Deutschland unproblematisch

Mit Blick auf Deutschland sei die Impfquote entscheidend. „Bei Menschen, die älter als 65 Jahre sind, muss sie um die 95 Prozent liegen“, sagte Simas. Denn für ungeimpfte Ältere bleibe das Coronavirus ein hohes Risiko. Steigende Inzidenzen, wie sie jetzt in Portugal zu sehen sind, hält er dagegen für unproblematisch.

„Jeder von uns wird sich mehrmals im Leben mit dem Virus infizieren“, sagt er. „Manche auch mehr als einmal im Jahr. Aber solange sie geimpft sind, ist das kein Problem mehr.“

In Deutschland sind knapp 91 Prozent der über 60-Jährigen zweifach geimpft, 80 Prozent haben eine Auffrischimpfung erhalten.

BA.5 in Deutschland: Experten befürchten Sommer-Welle durch die Omikron-Subvariante

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