BASF verkauft Anteile an Wintershall – Hunderte Jobs dürften wegfallen
Der Chemieriese überträgt das Geschäft seiner Öl- und Gastochter an die britische Harbour Energy. Die deutschen Verwaltungen in Hamburg und Kassel stehen damit vor dem Aus.
Düsseldorf, Frankfurt. BASF hat einen Durchbruch bei der angestrebten Trennung von seinen Öl- und Gasaktivitäten erzielt. Der Ludwigshafener Chemieriese und die Investmentgruppe Letter One legen die Geschäfte des gemeinsam gehaltenen Unternehmens Wintershall Dea mit dem britischen Ölkonzern Harbour Energy zusammen.
Wie die Unternehmen am Donnerstag mitteilten, sollen die Förderaktivitäten von Wintershall – genannt „Exploration & Production“ (E&P) an Harbour übertragen werden. Das E&P-Geschäft umfasst Produktions- und Entwicklungsaktivitäten sowie Explorationsrechte in acht Ländern, zudem Lizenzen zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS).
Wintershall Dea ist Deutschlands einziger Öl- und Gasförderer. Das Handelsblatt hatte bereits im Oktober berichtet, dass es zu einem Verkauf an die Briten kommen könnte.
BASF und Letter One geben ihre Anteile an Wintershall allerdings nicht vollständig ab. Die Briten zahlen 2,15 Milliarden Dollar an die bisherigen Eigner. Außerdem erhalten diese insgesamt 54,5 Prozent der Anteile an der neuen, erweiterten Harbour-Gesellschaft.
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39,6 Prozent gehen an BASF, der Rest an Letter One. Letter One erhält allerdings nur eine wirtschaftliche Beteiligung ohne Stimmrechte, weil die Investmentgruppe unter anderem dem russischen Milliardär Mikhail Friedman gehört, der unter Sanktionen steht.
Wintershall schließt Standorte in Kassel und Hamburg
Die Mitarbeitenden von Wintershall dürfte die Nachricht hart treffen: Die Hauptverwaltungen von Wintershall und deren Mitarbeitende sind nicht Teil der Transaktion. Das heißt, dass die Sitze in Kassel und Hamburg, an denen derzeit 850 Personen arbeiten, geschlossen werden.
Harbour beabsichtigt laut der BASF-Mitteilung, einige Mitarbeitende der derzeitigen Hauptverwaltungssitze in das kombinierte Unternehmen zu übernehmen. Aus Unternehmenskreisen ist allerdings zu hören, dass fast alle Angestellten dieser Standorte sowie weitere Mitarbeitende von Landesgesellschaften ihre Arbeitsplätze verlieren dürften. Rund 1000 Menschen könnten demnach weltweit betroffen sein.
Wintershall-Chef Mario Mehren sagte in einer ersten Reaktion: „Für das Team von Wintershall Dea in Kassel und Hamburg und mich persönlich ist diese Nachricht, gerade so kurz vor Weihnachten, eine große Enttäuschung.“
Aus Unternehmenskreisen hieß es, die Mitarbeitenden von Wintershall würden am Freitag in einer internen Veranstaltung vom Aufsichtsratsvorsitzenden und Wintershall-Chef Mehren näher informiert werden. Faktisch gehe mit dem nun verkündeten Schritt die 125-jährige Geschichte von Wintershall in Deutschland zu Ende.
Laut BASF-Mitteilung werden erst mit Abschluss der Transaktionen weitere Einzelheiten vereinbart. Dieser dürfte im vierten Quartal 2024 stattfinden.
Rechtliche Entflechtung von russischen Geschäften nötig
Dass es bis zum Abschluss des Geschäfts noch so lange dauert, hängt unter anderem mit kartellrechtlichen Prüfungen zusammen. Vor allem aber muss Wintershall zuvor noch alle Geschäfte rechtlich abspalten, die das Unternehmen bislang gemeinsam mit dem russischen Energiekonzern Gazprom hatte.
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Wintershall war wie kein zweites deutsches Unternehmen mit Russland und Gazprom verbunden. In mehreren Gemeinschaftsunternehmen förderten die beiden Konzerne Gas und Öl in Sibirien.
Wintershall versucht schon länger, sich von seinem Russlandgeschäft zu trennen. Bislang war das allerdings an der russischen Regierung gescheitert. Am Mittwoch dann hatte der russische Präsident Wladimir Putin per Dekret die Beteiligungen von Wintershall in Russland beschlagnahmt.
Trotzdem muss Wintershall sich noch rechtlich von Aktivitäten trennen, die mit Gazprom verbunden sind, etwa von der Gesellschaft Wintershall Noordzee und von einigen Geschäften in Libyen. Die Trennung dürfte bis Sommer 2024 dauern.
BASF und Letter One bleiben Eigentümer der Geschäfte mit Russlandbezug. Die Werte haben die Unternehmen bereits abgeschrieben. Allerdings ist denkbar, dass sie vom Staat noch Entschädigungen bekommen, denn die Bundesregierung hatte die Geschäfte von Wintershall in Russland mit mindestens 1,8 Milliarden Euro abgesichert.
Verkauf weiterer Anteile durch BASF denkbar
Unklar ist, ob BASF langfristig seine Anteile an der neuen Harbour-Gesellschaft hält. Das Unternehmen ist an der Londoner Börse notiert und soll es auch bleiben. BASF könnte somit künftig problemlos weitere Anteile am Aktienmarkt verkaufen.
Bis zum Abschluss der Transaktion werden Wintershall und Harbour weiterhin als unabhängige Unternehmen geführt. Im ersten Halbjahr 2023 hatte das kombinierte Geschäft einen Pro-forma-Umsatz in Höhe von 5,1 Milliarden Dollar und ein sogenanntes Ebitdax von 3,7 Milliarden Dollar, wobei das „x“ für Explorationskosten steht.
Als Käufer von Wintershall war auch Adnoc im Gespräch. Ein Verkauf an den staatlichen Ölkonzern aus Abu Dhabi hätte nach Angaben aus Unternehmenskreisen womöglich mehr Mitarbeitende in Deutschland retten können. Einer mit der Transaktion vertrauten Person zufolge hatten die Wintershall-Eigentümer in den vergangenen Monaten allerdings nur mehr mit Harbour verhandelt.
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