BASF vor harten Einschnitten: Chemie-Riese legt auch Anlagen still
Bei BASF wächst der Druck, die Kosten zu senken. Nicht nur in Verwaltung und Vertrieb, auch in der Produktion stehen daher Kürzungen bevor.
Mit einem umfangreichen Sparprogramm will der Chemiekonzern BASF auf die hohen Energiekosten und sinkende Margen reagieren. Neben den bereits im Herbst angekündigten Einsparungen von 500 Millionen Euro in Bereichen außerhalb der Produktion, plant der Konzern nun auch Einschnitte bei den Produktionsanlagen selbst.
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Als sicher gilt nach Informationen des Handelsblatts, dass der BASF-Vorstand am Freitag bei der Bilanzpressekonferenz die Stilllegung eines Teils seiner Ammoniak-Produktion in Ludwigshafen bekannt geben wird.
BASF betreibt in Ludwigshafen bisher zwei Ammoniak-Anlagen, die im vergangenen Jahr bereits zeitweise heruntergefahren wurden. Aufgrund der extrem hohen Gaspreise waren sie nicht mehr rentabel zu betreiben. Die ältere der beiden Anlagen will der Konzern nach Informationen aus Unternehmenskreisen nun nicht wieder in Betrieb nehmen.
BASF: Ammoniak-Produktion verbraucht sehr viel Energie
Eine weitere Ammoniak-Anlage betreibt BASF am Standort Antwerpen. Die Produktion des Chemierohstoffs hat eine große Tradition bei BASF. Die Entwicklung der Ammoniak-Synthese Anfang des vergangenen Jahrhunderts gehörte zu den großen Pionierleistungen der BASF. Die Herstellung ist allerdings besonders energieintensiv. Etwa 80 Prozent der Produktionskosten entfallen auf Ausgaben für Energie, insbesondere Erdgas.
Die Basischemikalie ist andererseits relativ gut transportierbar, sodass der in Ludwigshafen bestehende Bedarf auch gut aus anderen Produktionsstätten und durch Zukäufe auf dem Weltmarkt gedeckt werden kann.
BASF-Chef Martin Brudermüller hatte bereits im vergangenen Herbst angekündigt, dass es auch zu Anpassungen in der Produktion kommen werde. Vor allem bei Basisprodukten stelle sich die Frage, ob sie langfristig noch in Europa und Deutschland wettbewerbsfähig hergestellt werden könnten, sagte Brudermüller im Interview mit dem Handelsblatt.
Experten gehen davon aus, dass der Chemiekonzern etwa auch die Produktion von Acetylen, das ebenfalls stark auf Erdgas basiert, oder von Produkten wie dem Kraftstoffzusatz Adblue kürzen könnte, der aus Ammoniak hergestellt wird.
Als potenzieller Kandidat für eine Stilllegung gilt bei manchen Analysten auch die problembehaftete Fabrik der BASF für das Kunststoff-Vorprodukt TDI. Die rund eine Milliarde Euro teure Anlage in Ludwigshafen wurde erst 2018 nach vielen Verzögerungen voll in Betrieb genommen und kämpft seither offenbar immer wieder mit weiteren technischen Problemen, was über das ursprüngliche Investitionsvolumen hinaus zusätzliche Investitionen von mehreren Hundert Millionen Euro verursacht haben dürfte.
Weil sich die Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der hohen Energiekosten verschlechtert habe, so die Überlegung, könnte der Konzern die Anlage komplett aufgeben – was allerdings zusätzliche Wertberichtigungen in Milliardenhöhe erfordern würde.
BASF wollte auf Anfrage zu den möglichen Schließungen in der Produktion nicht Stellung nehmen. Zu Gerüchten und Spekulationen äußere man sich nicht, erklärte ein Sprecher.
Insgesamt dürfte die Bereinigung im Produktionsbereich moderater ausfallen, als von vielen Experten noch im vergangenen Jahr befürchtet. Hintergrund sind zum einen die inzwischen wieder deutlich gesunkenen Energiepreise, insbesondere für Erdgas.
Zum anderen gehen Analysten davon aus, dass sich der Konzern auch eine gewisse Manövriermasse und Drohkulisse erhalten will, damit er weiterhin Druck auf die Politik in Richtung einer günstigeren Energieversorgung ausüben kann. „Man wird wohl abwarten, wie zum Beispiel die EU und die Bundesregierung auf den Inflation Reduction Act der US-Regierung reagieren werden“, sagt etwa Chemieexperte Markus Mayer von der Baader Bank.
BASF: Arbeitnehmer fürchten starke Auswirkungen
Schmerzhafter und offenbar auch umstrittener als die möglichen Bereinigungen in der Produktion sind aus Sicht der Arbeitnehmerseite die geplanten Einsparungen in den sonstigen Konzernbereichen. Auch dazu dürfte der BASF-Vorstand am Freitag auf der Bilanzpressekonferenz detaillierte Pläne vorlegen.
Gemessen am durchschnittlichen Personalaufwand pro Kopf der BASF könnte das Sparprogramm von 500 Millionen Euro den Abbau von bis zu 5000 Arbeitsplätzen mit sich bringen. Davon dürfte der größte Anteil auf das Werk in Ludwigshafen entfallen, wo der Konzern bisher noch rund 39.000 Personen beschäftigt – rund ein Drittel der weltweiten Belegschaft. Der Standort mit mehr als 200 eng vernetzten Chemieanlagen ist zugleich auch Verwaltungs-, Vertriebs-, und Forschungszentrum des Konzerns.
Betriebsrat und die Gewerkschaft IGBCE erwarten „starke Auswirkungen auf den Standort Ludwigshafen“ und haben, in einem für BASF eher ungewöhnlichen Schritt, für Freitag zu einer eigenen Pressekonferenz eingeladen, um ihre Strategie zu erläutern.
Angesichts einer schwachen Performance des Aktienkurses in den vergangenen Jahren, rückläufiger operativer Erträge und kürzlich bekannt gegebenen hohen Abschreibungen auf die Russland-Aktivitäten der Energietochter Wintershall Dea wächst unterdessen der Druck auf das BASF-Management durch die Investoren. Sie fordern Perspektiven, wie die Ertragskraft längerfristig wieder gesteigert werden kann.
Das Jahr 2022 hat der Konzern mit einem Nettoverlust von knapp 1,4 Milliarden Euro abgeschlossen, bedingt vor allem durch eine Wertberichtigung von 7,3 Milliarden Euro auf die Mehrheitsbeteiligung am Öl- und Gasproduzenten Wintershall Dea.
Der bereinigte Betriebsgewinn (Ebit) lag 2022 mit 6,88 Milliarden Euro nur elf Prozent unter dem Vorjahreswert. Allerdings hat sich die operative Ertragskraft im zweiten Halbjahr offenbar stark verschlechtert. Im vierten Quartal allein dürfte das operative Ergebnis auf nur noch rund 370 Millionen gesunken sein, gegenüber 1,2 Milliarden Euro im Jahr zuvor.
BASF mit Überkapazitäten in der Basischemie
Auch für das laufende Jahr zeichnet sich eine schwache operative Entwicklung ab, bedingt vor allem durch weiter rückläufige Margen im Basischemie- und Kunststoffgeschäft. Chemieexperte Mayer rechnet daher mit einem relativ negativen Jahresausblick des BASF-Managements.
Er verweist auf weltweite Überkapazitäten in der Petrochemie, die den Druck auf die Marge stark erhöhen. „Das wird auch noch länger so bleiben, denn es kommen weitere Kapazitäten im Mittleren Osten, in Amerika und auch in China auf den Markt.“ Er geht davon aus, dass davon der bisher stets solide Cashflow der BASF in Mitleidenschaft gezogen wird und damit auch die bisherige Dividendenpolitik des Konzerns infrage gestellt werden könnte.
Mit Blick auf Investoren und die Börsenbewertung wird es daher für den BASF-Vorstand darauf ankommen, Perspektiven aufzuzeigen, wie man diese Schwächephase längerfristig überwinden kann. Entscheidend sei, dass die geplanten Sparmaßnahmen wirklich über die routinemäßigen Effizienzprogramme hinausgingen, sagt etwa Arne Rautenberg, Fondsmanager von Union Investment. „Wir erwarten, dass der BASF-Vorstand ein Programm präsentiert, das weit vorausschauend ist und aufzeigt, wie der langfristige Plan für das Unternehmen aussieht.“
BASF sei traditionell zwar relativ stark darin, das Geschäft mit großvolumigen Chemieprodukten zu betreiben. „Aber den Nachweis, dass man auch in der Spezialchemie rentabler und schlagkräftiger werden kann, ist Brudermüller bisher schuldig geblieben“, sagt Rautenberg.
