Die Wohlfühlatmosphäre von New-Work-Konzepten kann trügerisch sein. - E+/Getty Images
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Bei diesen acht Phrasen vom Chef sollten Sie vorsichtig sein

Fallen im Unternehmen Sätze wie „Wir müssen unsere Mission leben“, sollten Sie als Mitarbeiter ins Grübeln geraten. Bei welchen New-Work-Phrasen vom Chef sonst noch Gefahr drohen könnte.

Düsseldorf. New Work ist in Unternehmen ein beliebtes Thema. Kaum noch ein Arbeitgeber, der nicht mit flexiblen Homeoffice-Regelungen, Duzkultur und flachen Hierarchien wirbt. „Davon sollten sich Talente nicht blenden lassen“, sagt Coach und Autor Attila Albert.

Tatsächlich umfasst der Begriff deutlich mehr als nur mobiles Arbeiten und Kickern mit dem Chef. Ausgehend von der Philosophie des New-Work-Begründers Frithjof Bergmann ergeben sich tiefgreifende Veränderungen der Arbeitswelt – von selbst organisierten Teams ohne klassische Führungskräfte bis zur Einführung von agilen Projektmanagement-Methoden und der Ansicht, dass moderne Unternehmen einen Sinn ihres Seins nennen sollten.

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New Work: Vorsicht bei diesen Chef-Phrasen

So positiv der Grundgedanke hinter diesen Ideen auch sein mag – wo zu viele New-Work-Phrasen fallen, ist Vorsicht geboten, sagt auch Karrierecoach Bernd Slaghuis. „New Work poliert das Image jedes Arbeitgebers auf, doch so mancher Chef hat eigennützig sein eigenes Verständnis vom neuen Arbeiten entwickelt.“

Hellhörig sollten Angestellte werden, wenn sie regelmäßig diese Sätze hören:

1. New-Work-Phrase: „Wir sind doch alle ein Team“

Situation: Man duzt sich, kleidet sich lässig, das Büro verfügt über Lümmel-Lounge und Tischkicker. Die Geschäftsleitung betont das Teamgefühl – oder erklärt die Firma sogar zur „großen Familie“.

Gefahr: Hinter der vermeintlichen Begegnung auf Augenhöhe verbirgt sich oft weiter klassische Autorität. Der beschworene Teamgeist dient manchem Manager dazu, Interessengegensätze zwischen Führung und Team herunterzuspielen.

Reaktion: „Achten Sie weniger darauf, was Vorgesetzte sagen, als darauf, was sie tun“, rät Coach Albert. Behalten Führungskräfte ihre Einzelbüros? Werden in einer Krise auch Leitungspositionen gestrichen oder nur reguläre Stellen? Steigen in guten Zeiten die Einkommen insgesamt? Gibt es Erfolgsbeteiligungen für alle, die gut gearbeitet haben? „Daran lässt sich erkennen, was in Sachen Teamspirit ernst gemeint und was nur schöngeredet ist“, sagt Albert.

Attila Albert: Der Chemnitzer ist Buchautor und begleitet als Coach  Menschen und Unternehmen, die sich verändern wollen - Tyler Ramsey
Attila Albert: Der Chemnitzer ist Buchautor und begleitet als Coach Menschen und Unternehmen, die sich verändern wollen - Tyler Ramsey

2. New-Work-Phrase: „Wir müssen agiler arbeiten“

Situation: In jedem dritten Satz betont der Vorgesetzte, dass Teams agiler werden müssen oder wie wichtig „Agilität“ für das Unternehmen ist.

Gefahr: Manche Arbeitgeber fordern zwar mehr Tempo und schnellere Ergebnisse etwa in der bereichsübergreifenden Produktentwicklung – ohne aber die entsprechende Methodik wie zum Beispiel das Scrum-Modell einzuführen. Außerdem unterlassen sie es, eine neue Kultur der Zusammenarbeit zu etablieren, die Teamergebnisse, Flexibilität und schrittweise Verbesserungen fördert.

Statt also insgesamt schneller und schlagkräftiger zu werden, droht Einzelnen Überlastung durch zusätzliches „Baustellen“-Management im Tagesgeschäft. Das fehlende strukturierte Vorgehen sorgt für Ineffizienz und Konflikte.

Reaktion: „Finden Sie heraus, was die Motivation hinter diesem Schritt ist“, rät Businesscoach Slaghuis. Ist es nur die fixe Idee eines Geschäftsführers, der auf einer Tagung von agilem Arbeiten gehört hat? Oder handelt es sich um einen ernst gemeinten, echten Transformationsprozess inklusive Einführung neuer Arbeitsmethoden, zu denen auch geschult wird?

„Agiles Arbeiten lässt sich einer Organisation nicht mal eben überstülpen“, sagt Slaghuis. „Fragen Sie Ihren Chef, was sich konkret durch agiles Arbeiten verändern soll und welche Maßnahmen hierfür geplant sind.“

3. New-Work-Phrase: „Uns geht es um höhere Ziele“

Situation: Der Arbeitgeber verkündet eine beeindruckende Mission à la „Wir wollen die Erde retten“ oder „die Welt besser machen“.

Gefahr: Angesichts solch hochfliegender Ambitionen wirken die persönlichen Interessen der Angestellten wie faire Vergütung oder die Balance von Job und Privatleben leicht egoistisch – und werden eher zurückgewiesen.

Reaktion: Coach Albert rät, sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern Arbeitsbedingungen, Gehaltserhöhungen oder Urlaubsansprüche zu verhandeln. Man könne gut für Unternehmen mit Purpose arbeiten, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man für die eigenen Belange einstehe. Ein gutes Argument: „Der beste Plan für die angebliche Weltverbesserung ist unglaubwürdig, wenn er bereits bei demjenigen scheitert, der ihn in die Tat umsetzen soll.“

4. New-Work-Phrase: „Entscheidungen treffen wir jetzt demokratisch“

Situation: Der Vorgesetzte erklärt, künftig alle Mitarbeiter stärker bei Entscheidungen einbeziehen oder sie ihnen sogar weitestgehend überlassen zu wollen.

Gefahr: Was nach der reinen New-Work-Lehre dazu gedacht ist, das Gefühl von Zugehörigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Sinn der eigenen Arbeit zu stärken, kann ins Chaos führen: Viele Mitarbeiter sind nach solch einer generellen Chefansage verunsichert, welche Entscheidungen sie tatsächlich treffen dürfen und bei welchen Themen sie weiterhin ihre Führungskraft einbinden müssen. Die Angst vor Fehlern steigt.

Reaktion: „Klären Sie gemeinsam mit Ihrer Führungskraft und mit Ihren Kollegen im Team, was diese Veränderung in der Entscheidungsfindung konkret für den Arbeitsalltag bedeuten wird“, empfiehlt Bernd Slaghuis. Hilfreich sei, einzelne Fälle durchzugehen und den Vorgesetzten zum Beispiel Budgetgrenzen definieren zu lassen, innerhalb derer die Mitarbeitenden eigenverantwortlich Entscheidungen für Anschaffungen, Reisen oder Aushilfen treffen können.

Bernd Slaghuis: Der Coach und Ökonom versteht sich als Sparringspartner bei Themen rund um Karriere und Führung. - Armin Zeller
Bernd Slaghuis: Der Coach und Ökonom versteht sich als Sparringspartner bei Themen rund um Karriere und Führung. - Armin Zeller

„Viele Mitarbeiter wünschen sich mehr Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit und möchten Verantwortung im Team übernehmen“, weiß der Karriereberater. Wichtig sei aber auch, die nötigen Abläufe zu definieren, damit bei Kollektiventscheidungen Kollegen in die Meinungsfindung zwar einbezogen werden, das Prozedere die Entscheidungsfindung insgesamt jedoch nicht lähmt.

5. New-Work-Phrase: „Ich ermächtige dich“

Situation: Der Vorgesetzte bietet seinem Mitarbeitenden die Verantwortung für eine wichtige Aufgabe an. Er spricht dabei von „Empowerment“, betont also die Chance, daran persönlich und fachlich zu wachsen – ein wichtiges Ziel der New-Work-Bewegung.

Gefahr: Arbeitsüberlastung wird Berufstätigen als „Potenzialentfaltung“ verkauft.

Reaktion: Der Experte rät in solch einem Fall, um Bedenkzeit zu bitten. „Ermitteln Sie den realen Bedarf, etwa an Manpower und Finanzmitteln, um die Aufgabe zu erledigen“, sagt Albert. „Fordern Sie diese dann beim Chef ein.“ Je nach Reaktion wisse der Mitarbeitende dann, ob der Chef wirklich bereit ist, in die Entwicklung der Fähigkeiten des Mitarbeiters zu investieren, oder ob es nur darum geht, ihm Zusatzarbeit aufzubürden.

6. New-Work-Phrase: „Hauptsache, du schaffst das vereinbarte Ergebnis“

Situation: Arbeit und Privates verschmelzen, vor allem im Homeoffice. Geschäftsführer plädieren in Versammlungen für Vertrauen und Eigenverantwortung. Wann und wo die Mitarbeitenden ihre Arbeit erledigen, sei ihre Sache. Zeiterfassung? Überflüssig. Manager betonen, nur das Ergebnis zähle.

Gefahr: Der Arbeitsvertrag wird zum Leistungsvertrag umgedeutet, bei dem ein konkretes Ergebnis geschuldet wird. So wie bei einem Handwerker, der etwa eine Wand termingerecht zu errichten hat. Das kann bei Büroangestellten subtil Druck aufbauen – und zu unbezahlten Überstunden führen.

Reaktion: Wie wichtig einer Führungskraft das Wohlergehen ihres Teams ist, zeigt sich dann, wenn ein Mitarbeitender sie oder ihn darauf hinweist, dass eine Aufgabe zeitlich nicht zu schaffen ist. „Ein guter Chef erkennt an, wenn Sie zu viele Aufgaben oder widersprüchliche Vorgaben haben – oder tatsächlich individuelle Hilfe wie Schulung oder Ausstattung brauchen“, sagt Albert. Weiche er dagegen aus („Mal schauen …“), lehne eine Priorisierung ab oder mache eine Stildiskussion daraus („Mir gefällt dein Ton nicht!“), sei das ein Indiz, dass es mit der New-Work-Kultur nicht weit her sei.

7. New-Work-Phrase: „Wir wollen aus Fehlern lernen“

Situation: Das neue Produkt ist ein Misserfolg? Das Prestigeprojekt des Vorstands ist nicht pünktlich an den Start gegangen? Laut Chef „alles kein Problem, wir lernen daraus“.

Gefahr: Diese Zusicherung ist nur ein Lippenbekenntnis; Fehler führen weiterhin zu negativen Konsequenzen – von der Bloßstellung der Beteiligten bis zur Abmahnung oder Kündigung.

Reaktion: Befürwortern von New Work geht es mit diesem Statement darum, dass stärker Neues ausprobiert wird, um so Innovationen zu begünstigen. Wichtig ist dabei, durch eine intensive Prozessanalyse und Kommunikationsroutinen aus eventuellen Fehlschlägen rasch Verbesserungen abzuleiten.

Ein Chef, dem es damit nicht ernst ist, kann dementsprechend so entlarvt werden: „Er bleibt die Antwort schuldig, wie der definierte Prozess dafür aussieht, dass ein Team zukünftig mit Fehlern umgehen und Erfahrungen daraus ableiten kann“, sagt Karriereexperte Slaghuis. Er rät Angestellten, sich konkret zu erkundigen: Wie sollen Fehler transparent gemacht werden? Wer ist bei welchen Fehlern wie zu informieren? Und am wichtigsten: Wie kann das ganze Team von diesen Erfahrungen profitieren?

8. New-Work-Phrase: „Wir müssen unsere Mission leben“

Situation: Plötzlich geben sich Chefs nicht mehr mit der Arbeit ihrer Angestellten zufrieden, sondern fordern zusätzlich noch Begeisterung.

Gefahr: Sogenannte „Emotionsarbeit“ der Mitarbeiter wurde bisher nur im Verkauf – vor allem in der Unterhaltungsindustrie –, im Tourismus und in der Gastronomie erwartet. Die New-Work-Bewegung zielt darauf ab, dass jeder Arbeitnehmer die Chance bekommt, einer erfüllenden Beschäftigung nachzugehen, um daraus Kraft und Befriedigung zu ziehen. Manchmal aber kann es sein, dass Vorgesetzte kurzerhand unterstellen, dass Angestellte, die sich auf diese Emotionalisierung nicht einlassen wollen, auch keine 100 Prozent leisten könnten.

Reaktion: Sollte Ihre Führungskraft Ihnen einmal mangelnden Enthusiasmus vorwerfen und halten Sie diesen Vorwurf für ungerechtfertigt, rät Coach Attila Albert zu dieser Antwort: „Nicht jeder ist extrovertiert und leutselig. Gerade Vielfalt macht Unternehmen stark.“

Anschließend solle man konsequent zu seinem eigenen Stil stehen. „Wird das von Vorgesetzten nicht akzeptiert, bleibt allerdings wohl nur der Wechsel zu einem Arbeitgeber, bei dem Ergebnisse zählen und nicht der schöne Schein“, sagt Albert.

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