Neuorientierung nach der Kündigung: Wohl oder Übel? Quelle: Nuttapong punna via Adobe Stock

Berufliche Neuorientierung nach der Kündigung: Warum die Standortanalyse so wichtig ist

Viele Menschen, die sich beruflich neu orientieren (müssen), haben sofort ihre Ziele im Kopf: „Im nächsten Job will ich endlich etwas Sinnvolleres machen“, „Ich will mehr Verantwortung“ oder „Ich möchte mehr verdienen“. Doch bevor du nach vorn schaust, ist es entscheidend, erst einmal einen genauen Blick auf deinen Status quo zu werfen.

Neuorientierung nach der Kündigung: Wohl oder übel?

Viele Menschen verlieren gerade ihren Job – nicht weil sie schlecht gearbeitet hätten, sondern weil Unternehmen wie Bosch, VW, Thyssenkrupp oder die Deutsche Bank Tausende Stellen abbauen. Die Gründe reichen von wirtschaftlicher Stagnation über Digitalisierung bis hin zu strategischer Neuausrichtung.

Arbeitslos zu sein, ist eine existenzielle Ausnahmesituation. Und oft bleibt keine Zeit, lange zu überlegen. Stattdessen ist jetzt der Moment, aktiv zu werden – und deinen Neustart nicht dem Zufall zu überlassen. Genau dafür braucht es eine Standortanalyse.

Standortanalyse: Warum der Status quo so wichtig ist

In den vergangenen Jahren stand das Thema Wunschjob stark im Fokus. Viele meiner Klient:innen kamen irgendwann an den Punkt, an dem sie so unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation waren. Hauptsache weg – und hochmotiviert, sich beruflich neu zu orientieren. Aber die meisten merkten schnell, dass sie gar nicht genau wissen, wie sie anfangen sollten. Dasselbe passiert, wenn wir viele Jahre in einem Job gearbeitet haben und uns dann mit einem neuen Job beschäftigen müssen.

Drei Fragen helfen, Klarheit zu finden:
Wer bin ich?
Was kann ich?
Was will ich?

Du wirst auch später auf diese drei Fragen zurückgreifen – zum Beispiel wenn du dein persönliches Karrierestatement formulierst. Das brauchst du nicht nur im Bewerbungsprozess, sondern auch für dein Social-Media-Profil oder in Gesprächen mit Headhunter:innen. Je klarer du diese Fragen für dich beantworten kannst, desto überzeugender trittst du auf – egal ob online oder im direkten Austausch.

Durch die Standortanalyse findest du konkret heraus: Was macht dich unzufrieden? Was sind deine Stärken? Was ist dir wirklich wichtig? Und welche Werte treiben dich an?

Bevor wir über Ziele sprechen, müssen wir verstehen, welche Ausgangsposition wir überhaupt haben.

Die Standortanalyse beginnt mit Skalenfragen

In meinen Coachings nutze ich zu Beginn sogenannte Skalenfragen. Diese Methode ist einfach und unglaublich wirksam. Auf einer Skala von 1 bis 10 beantwortest du intuitiv folgende Fragen:

  • Wie zufrieden bist du aktuell in deinem Job? (1 = überhaupt nicht, 10 = vollkommen zufrieden)

  • Steht deine Arbeit im Einklang mit deinen persönlichen Werten?

  • Fühlst du dich angemessen anerkannt und wertgeschätzt?

  • Wie hoch ist deine Arbeitsbelastung? (hier bedeutet 10 eine sehr hohe Belastung)

  • Hast du ein konkretes Interesse an beruflicher Veränderung?

Wichtig: Folge deinem ersten Impuls. Zu langes Nachdenken verfälscht oft das ehrliche Bild.

Meine Erfahrung hat gezeigt, viele Menschen liegen bei der Frage nach der Veränderungsbereitschaft irgendwo zwischen 1 und 5. Das bedeutet oft: „Eigentlich möchte ich etwas anderes, aber ich habe Angst oder Zweifel.“ Vielleicht hast du Verpflichtungen (Haus, Familie), die dich bremsen. Vielleicht weißt du auch noch nicht genau, was du stattdessen willst. All das ist völlig normal. Wichtig ist nur, dass du es erkennst.

Meine Klientin Bettina bewegte sich bei der Frage „Wie zufrieden bist du aktuell in deinem Job?“ auf der Skala bei einer 4. Erst durch gezielte Reflexion erkannte sie: Es war nicht der Job selbst, der sie frustrierte, sondern die Tatsache, dass ihre Führungskraft ihren Einsatz und ihre Arbeit nicht wahrnahm und sie dadurch regelmäßig bei der Vergabe von spannenden Projekten übersehen wurde. Im Coaching haben wir dann an dem Thema Sichtbarkeit gearbeitet, und nach einem Jahr gab es eine 180-Grad-Wende. Wenn dich das Thema interessiert, hör gern mal in diese Podcast-Episode rein.

Ein Satz, der häufig fällt: „Ich dachte, mein Job sei sicher“

Ich erinnere mich an eine Klientin, die nach 17 Jahren im gleichen Unternehmen von heute auf morgen freigestellt wurde. Ihr Satz im Erstgespräch: „Ich dachte, mein Job sei sicher.“

Diese Sicherheit gibt es heute nicht mehr. Was es aber gibt, ist deine Fähigkeit, dich neu zu erfinden – mit Klarheit, mit deinem Netzwerk und mit einer starken Geschichte über das, was dich ausmacht.

Und mal Hand aufs Herz: War das vor 17 Jahren (oder wann auch immer) der Job, den du dir bewusst ausgesucht hast?

Viele meiner Klient:innen stellen in der Rückschau fest: Für den allerersten Job nach Studium oder Ausbildung war oft nicht die Leidenschaft ausschlaggebend – sondern pragmatische Gründe.

Vielleicht war es die einzige Zusage. Oder das Angebot kam von einem Bekannten. Vielleicht war es einfach naheliegend, weil es gut bezahlt war oder man „endlich mal anfangen wollte“.

Siehe da: Wir haben den Job nicht ergriffen, weil wir ihn unbedingt wollten, sondern weil wir damals häufig keine andere Wahl hatten.

Deshalb soll dieser Artikel dir helfen, es jetzt bewusst anders anzugehen.

WER BIN ICH?

Leistung oder Impact: Was treibt dich an?

Ein weiterer Aspekt, den wir analysieren: Was ist dir wichtiger — Leistung oder Impact (Wirkung/Einfluss)?

Auf einer Skala von -5 (reine Leistung) bis +5 (maximaler Impact) kannst du für dich bestimmen, was dir wichtiger ist.

Beispiel: Du arbeitest viel und erfolgreich, aber dir fehlt das Gefühl, wirklich etwas zu bewirken? Dann ist Impact dein stärkerer Antreiber, und du solltest Jobs suchen, die zum Beispiel gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.

Arbeitsumfeld und Beziehungen: Wie wichtig sind sie dir?

Einige meiner Klient:innen erkennen, dass ihnen das „Wie“ fast wichtiger ist als das "„Was“. Deshalb frage ich immer gern:

  • Wie wichtig ist dir ein angenehmes Arbeitsumfeld?

  • Wie wichtig sind dir gute Beziehungen zu Kolleg:innen und Vorgesetzten?

Manche Menschen blühen in einem tollen Team auf — andere ziehen Energie daraus, eigenständig an wichtigen Themen zu arbeiten, selbst wenn die Teamdynamik schwierig ist. Jeder Mensch ist hier anders, wichtig ist nur zu erkennen, was du brauchst.

Der Blick zurück: Deine Prägungen verstehen

In der Standortanalyse schauen wir auch in die Vergangenheit:

  • Was war dir schon als Kind wichtig?

  • Wofür hast du dich früher begeistert?

  • Welche beruflichen Vorbilder hattest du?

  • Welche Werte haben deine Eltern dir vermittelt?

Diese Rückblende hilft, unbewusste Muster und echte Antreiber zu erkennen. So realisierst du, was dir bisher unbewusst wichtig war und kannst nun nach Jobs und Möglichkeiten suchen, die das gezielt bieten.

Eine zentrale Frage: Wie definierst du Arbeit?

Eine meiner Lieblingsfragen im Coaching: „Wie definierst du Arbeit?“

Viele Klient:innen stellen dabei fest: Ihre Definition stammt gar nicht von ihnen selbst, sondern von gesellschaftlichen Erwartungen, oder sie sind das Resultat ihrer Erziehung. Erst wenn du deine eigene, ehrliche Definition gefunden hast, kannst du bewusst neue Entscheidungen darüber treffen, wie du arbeiten möchtest, in welcher Tätigkeit und in welchem Unternehmen.

WAS KANN ICH?

Was kannst du? Die PETES-Übung

Um deine Stärken herauszufinden, nutze ich mit meinen Klient:innen die PETES-Übung:

  • Projekt/Problem: Was war die Herausforderung?

  • Erschwernis: Welche Hindernisse gab es?

  • Tätigkeit: Was hast du konkret getan?

  • Ergebnis/Erfolge: Was war das Resultat und was hast du daraus gelernt?

  • Stärken: Welche Kompetenzen hast du dabei gezeigt?

In Workshops erlebe ich immer wieder, dass echte „Magic Moments“ entstehen, wenn Menschen ihre Geschichten gegenseitig vorlesen und die Stärken heraushören. Das Selbstbewusstsein steigt spürbar.

Fremdwahrnehmung: Hol dir Feedback

Ergänzend empfehle ich, andere um Feedback zu bitten:

  • „In welchen Situationen würdest du mich um Hilfe bitten?“

  • „Welche drei Stärken verbindest du spontan mit mir?“

Erstelle dazu zum Beispiel eine Broadcast-Liste auf WhatsApp und frage mehrere Personen gleichzeitig. Ich erlebe immer wieder, wie Menschen darüber staunen, welche Talente und Stärken andere in ihnen sehen. Diese Antworten öffnen oft neue Perspektiven und geben dir Mut, den neuen Schritt zu wagen.

WAS WILL ICH?

Wertearbeit: Dein innerer Kompass

Ein anderes wichtiges Tool sind deine Werte. Sie bestimmen, was dich langfristig glücklich macht. In meinen Coachings nutze ich dazu gern das „Werte-Battle“:

  • Liste deine wichtigsten Werte auf.

  • Lass sie gegeneinander antreten: Was ist dir wichtiger?

  • Priorisiere die Top-3- bis -5-Werte.

Werte verändern sich übrigens mit Lebensphasen. Was früher Leistung war, kann heute Familie oder Sinnhaftigkeit sein. Deshalb bietet es sich an, die Übung regelmäßig zu machen. So erkennst du, wenn deine Sichtweise und Werte sich ändern und es dadurch vielleicht Zeit wird, Aspekte anzupassen.

Dein Karrierestatement: Klarheit in wenigen Sätzen

Zum Abschluss der Standortanalyse entwickelst du dein persönliches Karrierestatement.

Da sind sie wieder – die drei Fragen, die wir schon zu Beginn bei der Standortanalyse angesprochen haben. Jetzt geht es darum, sie auf den Punkt zu bringen – als kompaktes Statement, das dich und deine beruflichen Ziele klar und selbstbewusst zusammenfasst.

  • Wer bin ich?

  • Was kann ich?

  • Was will ich?

Beispiel: „Mein Name ist Bastian Hughes. Ich bin seit über acht Jahren Karrierecoach und Trainer, mit einem Background im Bereich Recruitment. Meine größten Stärken sind Zuhören, Strategieentwicklung und Umsetzungsstärke. Ich möchte Menschen helfen, eine Karriere zu gestalten, die ihren wahren Wünschen entspricht.“

Noch mal der Hinweis: Dein Karrierestatement kannst du auch für Bewerbungen, Networking oder dein Profil hier auf Xing nutzen.

Standortanalyse als Fundament deiner Neuorientierung

Bevor du weißt, wohin du willst, musst du wissen, wo du stehst. Die Standortanalyse schenkt dir Klarheit, Selbstbewusstsein und eine solide Grundlage, um die nächsten Schritte in deiner beruflichen Neuorientierung zu gehen – ob aus eigenem Wunsch oder weil die Umstände dich dazu zwingen.

Nimm dir bewusst Zeit dafür. Je detaillierter und klarer deine Bestandsaufnahme ist, desto leichter fallen dir die nächsten Schritte.

Wo stehst du gerade?

Das war es wieder von mir.

Bis zum nächsten Mal!

Viele Grüße

Dein Bastian

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Falls du zu den Menschen gehörst, die sich nur schwer allein damit auseinandersetzen können, dann vereinbare gern ein kostenfreies Erstgespräch und lass uns gemeinsam schauen, wie wir dir helfen können.

Übrigens: In meinem Podcast „Berufsoptimierer“ spreche ich regelmäßig über diese Themen und welche Lösungen es geben könnte.

PS: Sofern dir meine Artikel gefallen und du auch über den nächsten Artikel von mir informiert werden möchtest habe ich einen super Tipp für dich: Lade die XING App herunter und folge mir. So bekommst du automatisch eine Benachrichtigung, wenn ein neuer Artikel erschienen ist :-)

Bastian Hughes schreibt über Job & Karriere, Personalwesen

Authentisch. Erfolgreich. Sein. - Genau dabei möchte ich dich unterstützen. Als Ex-Personaler, Podcaster, Karriere Coach und Trainer für Unternehmen & Hochschulen begleite ich seit 2017 Menschen im Bewerbungsprozess und auf den Weg hin zu einer Karriere nach ihren Wünschen und Vorstellungen.

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