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Bewerbung absagen: Man sieht sich immer zweimal

Knappe Floskeln oder gar völliges Schweigen sind bis heute typische Mitteilungswege für gescheiterte Bewerbungen. Ein Irrweg: Eine gute Absage ist das beste Mittel gegen den Bewerbermangel von morgen.

Jung, weiblich, ein Abschluss in Wirtschaftsingenieurwesen am renommierten Karlsruher Institut für Technologie – eigentlich ein Profil nach dem sich viele Arbeitgeber sehnen. Doch die Coronakrise erschwerte Annika Wollermann im vergangenen Jahr den Berufseinstieg. Circa 20 Bewerbungen schrieb die heute 27-Jährige vor allem an Beratungsfirmen, bevor es endlich klappte mit dem ersten Job. Die Zeit bis dahin hat bei ihr vor allem Frust hinterlassen: Mal hörte sie gar nichts, ein anderes Mal hieß es schlicht, andere hätten bessere Profile gehabt.

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„Viele Beratungen waren intransparent und sehr kurz angebunden“, sagt Wollermann. Einmal erhielt sie direkt nach einem nur 30-minütigen Vorstellungsgespräch einen knappen Anruf, sie würde menschlich nicht reinpassen. Wertschätzung gleich null. „Ein zweites Mal würde ich mich dort sicher nicht bewerben.“

Erfahrungen wie Wollermann machen viele Bewerber, vor allem im vergangenen Jahr, wo sich viele Arbeitssuchende um wenige Stellen rangeln mussten und es auch um die Stimmung in den Personalabteilungen nicht zum Besten stand. Und so merkt jetzt manches Unternehmen, dass da mitunter empfindliche Fehler gemacht wurden. Der Arbeitsmarkt erholt sich, gut ausgebildete Kräfte sind begehrt wie vor der Krise. Von Januar bis Ende Juni wurden 650.000 Stellen mehr ausgeschrieben als 2020. Viele abgelehnte Bewerber wären plötzlich wieder begehrt – wenn sie denn noch wollten. Selbst Personaler, die sich über die große Bedeutung guter Absageschreiben im Klaren sind, fragen sich nicht selten: Wie sieht sie denn aus, eine gelungene Absage?

„Ein Absageschreiben ist schlecht gemacht, wenn es standardmäßig klingt“, sagt Peter Wald, Professor für Personalmanagement an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig. Dieser Eindruck wird vor allem durch Sätze vermittelt wie: „Wir haben uns für einen anderen Bewerber entschieden.“ Der Abgelehnte kommt darin gar nicht vor. Noch schlimmer ist es, wenn der Name falsch geschrieben oder gar ganz verwechselt wird. Deshalb sollten Personaler auch beim Absageschreiben sorgfältig vorgehen. Auf Details des Bewerbungsprozesses Bezug nehmen, sich zumindest die Mühe machen, das genaue Datum des Bewerbungsgesprächs aufzuführen, oder reinschreiben, was sie noch erwartet hätten. „Die abgelehnten Bewerber sehen, dass man sich wirklich mit ihnen beschäftigt hat.“ Das reiche manchmal schon, um einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Doch solch ausführliche Antworten bergen auch Fallen, weiß der Fachanwalt für Arbeitsrecht Jacob Keyl von der Kanzlei Baker Tilly. „Bei Angabe von Gründen ist darauf zu achten, dass diese nicht diskriminierend im Sinne des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sind, da der Bewerber sonst einen möglichen Klagegrund hat“, sagt er. Gleiches gelte für Absagen per Telefon. „Es sollte nie eine Begründung per Telefon übermittelt werden, die man sich nicht getraut hatte zu verschriftlichen.“

20 Prozent kommen wieder

Sabine Schubert greift dennoch häufig zum Hörer, um mit abgelehnten Bewerbern zu sprechen. Sie organisiert beim Autozulieferer Bosch das Recruiting für die deutschen Standorte, befolgt dabei gewisse Grundsätze. Dazu zählt, dass jeder Bewerber eine Eingangsbestätigung bekommt. Wer nur Unterlagen einreicht und dann scheitert, erhält auch eine schriftliche Absage. „Unser Ziel ist es, jeder Bewerberin und jedem Bewerber binnen zwei Wochen eine Rückmeldung zukommen zu lassen“, sagt sie. Wer zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird und dann nicht eingestellt wird, erhält eine mündliche Absage per Telefon. „Vor allem junge Menschen, die sich vielleicht zum ersten Mal bewerben, können bei einem solchen Gespräch etwas lernen“, sagt Schubert. Zum Beispiel, dass sie konkreter werden sollten bei der Begründung ihrer Bewerbung. „Dieses qualifizierte Feedback wird von den meisten Bewerbern positiv aufgenommen“, sagt Schubert.

Und das spiegelt sich auch in Zahlen wider. Die Anzahl derjenigen, die sich ein zweites Mal bei Bosch bewerben, liegt bei etwa 20 Prozent. In einigen Berufsgruppen laden Schubert und ihre Kollegen deshalb gezielt mehr Bewerber zum Gespräch ein. Das gilt etwa beim Thema Software. „So können wir gleich zu mehreren vielversprechenden Kandidaten Kontakt aufbauen.“ Auch Personalmanagementexperte Wald rät dazu, die Zweitplatzierten direkt zu fragen, ob man ihre Daten speichern und mit passenden Angeboten später auf sie zukommen dürfe.

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