Bewerber, die den Textroboter ChatGPT mit Informationen füllen, erhalten ein digitales Anschreiben. - Getty Images
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Bewerbung mit ChatGPT: Wie überzeugend ist ein Anschreiben der KI?

Das Handelsblatt hat ChatGPT den Befehl gegeben, ein Anschreiben zu verfassen – und es zwei Personalchefs vorgelegt. Wie reagieren sie?

Berlin. Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, den Arbeitsalltag zu erleichtern. Das aktuell prominenteste Beispiel ist das automatisierte Chatprogramm ChatGPT. Der sogenannte Bot kann LinkedIn-Post verfassen, Programmcode schreiben oder eine Arbeit für die Uni aufpolieren. Und auch bei der Jobsuche kann die KI bereits bei lästigen Aufgaben unterstützen – zum Beispiel, indem der Bot ein Anschreiben formuliert.

Auf Plattformen wie Youtube oder Tiktok machen Influencer bereits vor, wie das funktionieren kann. Sie geben konkrete Tipps, wie man Arbeitsanweisungen an das Chatprogramm formuliert, dass es sprachlich und inhaltlich ein herzeigbares Ergebnis liefert.

Aber lassen sich Personaler damit überzeugen? Das Handelsblatt hat ChatGPT zwei Anschreiben verfassen lassen: das eine für eine Stelle als Programmierer bei einer SAP-Tochter, das andere für eine Stelle als Verkäufer beim Mineralöl-Riesen BP. Danach wurde das Anschreiben denjenigen vorgelegt, die es zu verantworten haben, die Stellen zu besetzen: Inga Dransfeld-Haase, Personalchefin von BP, und Cawa Younosi, Personalchef beim Softwareentwickler SAP.

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Bewerbung mit ChatGPT: So formuliert die KI das Anschreiben

Wer den Chatbot nutzen will, muss sich registrieren – samt Handynummer und Mailadresse. Ist die Registrierung abgeschlossen, geht es direkt los, auf Grußformeln legt der Bot keinen Wert. Auf die Frage „Welche Informationen brauchst du für ein Anschreiben?“ spuckt ChatGPT in Sekunden eine Checkliste an Informationen aus, die es zu besorgen gilt.

Der Bot benötigt Basisdaten von Absender und Empfänger, den Zweck des Schreibens und optional, welche Qualifikationen der Bewerber hat und ob man handschriftlich oder elektronisch unterschreiben möchte.

Die nächste Arbeitsanweisung an den Chatbot lautet: „Schreibe ein Bewerbungsschreiben an BP von meiner Absenderadresse für folgende Stelle.“ Dafür kopiert man den Text der Stellenanzeige und fügt sie in die Arbeitsanweisung ein. Kurze Zeit später macht ChatGPT einen Formulierungsvorschlag, der sich so verwenden lässt.

Bewerbung mit der KI: Und wie ist das Ergebnis mit ChatGPT aus?

In seinem Anschreiben geht der Chatbot zunächst auf das Unternehmen ein. An BP schreibt er: „Ich bin von dem Ehrgeiz begeistert, den BP hat, Energie neu zu denken und bis 2050 mindestens Netto null zu erreichen. Als ein kompetenter und motivierter Verkäufer mit mehrjähriger Erfahrung und einer abgeschlossenen dreijährigen Ausbildung bin ich überzeugt, dass ich ein wertvoller Teil Ihres Teams werden kann.“ Die Ausbildung hat ChatGPT von sich aus dazugedichtet. Netto null ist eine Ungenauigkeit in der Übersetzung, der gängige deutsche Begriff lautet schlicht Klimaneutralität.

Danach folgt eine Abhandlung, wie „überzeugt“ man von den eigenen Fähigkeiten und wie „begeistert“ man vom tollen Arbeitsumfeld sei. Dabei setzt sich die Ungenauigkeit der Künstlichen Intelligenz fort. Im Anschreiben an SAP sagt ChatGPT zum Beispiel: „Zudem bin ich selbstmotiviert“, eine Formulierung, die es so im Deutschen nicht gibt. An anderer Stelle ist der Genitiv falsch.

Der Datenstand ChatGPTs ist derweil aus dem Jahr 2021 – aktuellere Entwicklungen kennt der Bot nicht. BP hat kürzlich beispielsweise ein Rekordergebnis vorgelegt und einen Strategiewechsel bei seinen Klimazielen verkündet. Darauf kann der Bot in dem Anschreiben nicht eingehen.

Wie schlägt sich das KI-Anschreiben bei Personalchefs von SAP und BP?

„Wir haben schon weitaus Schlechteres gesehen“, sagt BP-Personalchefin Dransfeld-Haase im gemeinsamen Videogespräch mit SAP-Personalchef Cawa Younosi. An manchen Stellen habe es die Künstliche Intelligenz allerdings bei den Formulierungen übertrieben.

Die BP-Personalchefin sagt über das vom Computer erzeugte Anschreiben: „Wir haben schon weitaus Schlechteres gesehen“.
Die BP-Personalchefin sagt über das vom Computer erzeugte Anschreiben: „Wir haben schon weitaus Schlechteres gesehen“.

So wurde in der Stellenbeschreibung von BP ein Kandidat gesucht, der selbstständig und motiviert arbeitet (und nicht selbstmotiviert). ChatGPT hat daraufhin im Anschreiben den Bewerber mit einem „unstillbaren Ehrgeiz zur Verbesserung von mir selbst“ beworben. „Das würde ich in einem Anschreiben nicht verwenden“, sagt Dransfeld-Haase.

Und auch die Übersetzungsfehler sind der Personalerin aufgefallen. „Ich vermute, ChatGPT hat Net Zero aus dem Englischen einfach wörtlich übersetzt. Solche Sachen würde ich im späteren Bewerbungsgespräch ansprechen“, sagt die BP-Personalchefin.

"Für Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ist es ein gutes Hilfsmittel".
"Für Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ist es ein gutes Hilfsmittel".

SAP-Personalchef Cawa Younosi musste bei manchen Formulierungen schmunzeln. Insgesamt sei er eher enttäuscht von dem Anschreiben gewesen. „Von ChatGPT hätte ich viel präzisere Sätze erwartet statt Floskeln wie ,Ich freue mich, ein wertvolles Mitglied Ihres motivierten Teams mit flachen Hierarchien zu werden‘.“

Eine Chance hätte Younosi dem fiktiven Bewerber trotzdem gegeben – schließlich hat die Bewerbung auf eine Stelle als Programmierer abgezielt und nicht auf eine als Pressesprecher. „Für Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ist es ein gutes Hilfsmittel, denn der erste Eindruck zählt, und viele Kollegen legen Anschreiben weg, bei denen Groß- und Kleinschreibung nicht ganz korrekt sind.“ ChatGPT könne so dabei helfen, dass ein Mangel an Sprachkenntnissen kein Ausschlusskriterium ist.

Dransfeld-Haase hätte den Bewerber ebenfalls in die nächste Runde gelassen. Sie sieht es pragmatisch: Bevor jemand wegen sprachlicher Hürden gar keine Bewerbung abgibt, nimmt sie lieber eine Bewerbung, die mithilfe Künstlicher Intelligenz verfasst wurde – und prüft die Fachkenntnisse des Jobkandidaten im nächsten Schritt.

Verändert KI wie ChatGPT damit generell unsere Art zu kommunizieren?

Professor Ina Kayser leitet den Master-Studiengang Business Transformation Management an der IST-Hochschule für Management in Düsseldorf und beschäftigt sich unter anderem mit Digitaler Transformation. Sie hat in vergangenen Wahlkämpfen untersucht, wie stark der Algorithmus die Menschen zum Beispiel in sozialen Medien beeinflusst.

Sie bewertet die Qualität der Ergebnisse bei ChatGPT sehr unterschiedlich – das Spektrum reiche von „hervorragend dargelegt“ bis zu „vollkommenem Nonsens“. Wer sich von smarten Assistenten unterstützen lassen wolle, müsse immer den Inhalt prüfen, sagt sie. Oftmals seien die Ergebnisse auf den ersten Blick auch für Experten nicht klar als korrekt oder falsch erkennbar und sogar Quellen frei erfunden. „ChatGPT selbst warnt auf seinem Portal vor den eigenen Ergebnissen“, sagt die Expertin.

Außerdem sei jede KI nur so gut wie die Menschen, die sie trainieren. „Unbestritten ist, dass jeder von uns einen sogenannten ‚unconscious bias‘ hat“, sagt Kayser. Bedeutet: unbewusste Vorurteile, die sich auch in Sprache und vermittelten Inhalten zeigen. Diese Stereotype würden somit ohne bösen Willen auf ein zu trainierendes KI-System übertragen.

In der Vergangenheit gab es bereits einige Beispiele von KI-Systemen, die sich plötzlich etwa rassistisch, frauenfeindlich oder homophob äußerten. „Hier fehlt es an Kontrollinstanzen und unabhängigen Audits für KI-Systeme, um die Technologie vorbehaltlos einsetzbar und zu einer echten Unterstützung im Alltag zu machen“, sagt Kayser.

Dem Chatbot selbst ist das egal. Gefühle kennt er nicht, nicht mal Emojis verwendet er. Bei der Frage, was ein geeigneter Schlusssatz für einen Text wäre, in dem er selbst die Hauptrolle spielt, wirkt der Bot allerdings sehr selbstreflektiert: „Mit jedem Tag, an dem Künstliche Intelligenz weiterhin Fortschritte macht, werden wir Zeugen einer immer schnelleren Transformation unserer Gesellschaft und müssen uns gleichzeitig den ethischen Herausforderungen stellen, die mit dieser neuen Technologie einhergehen.“

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