Bewerbung undercover oder Jobsuche Out Loud?
Sind Sie gerade jobsuchend? Oder kennen Sie jemanden, der gerade einen neuen Job sucht?
Die Wahrscheinlichkeit ist nicht unbedingt gering, planen doch laut einer aktuellen Studie über ein Drittel aller Arbeitnehmer einen Jobwechsel. Das sind bei über 33 Millionen Beschäftigten immerhin 11 Millionen latent oder akut jobsuchende Beschäftigte. Hinzu kommen bestimmt noch mal eine Million bei den Freiberuflern und Solopreneuren, die an der Grenze des Prekären ihrer Selbständigkeit nachgehen und viel lieber eine sichere Angestelltentätigkeit hätten. Zusammen macht das 12 Millionen beschäftigte Jobsuchende plus die über drei Millionen Arbeitslosen und Unterbeschäftigten.
Summasummarum sind das 15 Millionen Jobsuchende bei 45 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland insgesamt.
Da red‘ mir noch einer vom kollektiven Fachkräftemangel.
Also – die Wahrscheinlichkeit, dass Sie jemanden kennen, der gerade einen neuen Job sucht, ist groß. Sehr groß sogar. Vielleicht suchen Sie gar selbst gerade?!
Jobsuche – ein mühsames Unterfangen
Dass so viele suchen, ist übrigens der Grund dafür, dass bei einer halbwegs guten Stelle, die ausgeschrieben wird, nach wie vor einige Dutzend Bewerbungen eintrudeln – allen Fachkräftemangel-Rufen zum Trotz. Es sind ja eben nicht nur die Bewerber zwischen zwei Jobs, also Arbeitslose, sondern viele andere latent jobsuchende Arbeitnehmer, die sich auf offene Stellen bewerben. Ein mühsames Unterfangen also.
Es liegt daher nahe, dass es hilfreich ist, andere Menschen wissen zu lassen, wenn ich gerade jobsuchend bin. Und hier haben Arbeitssuchende sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Das möchte ich anhand zweier realer Beispiele erläutern, die aus Beratungsgesprächen mit Jobsuchenden stammen, die ich kürzlich führte.
„Jobsuche Out Loud“ – Sichtbare Jobsuche
Zum einen war da – nennen wir sie – Daniela, die eine eigene Webseite für ihre Jobsuche gebaut hat. Mit viel Professionalität, Mühe und großer Social-Media-Begleitung per Twitter, XING, Facebook und Co. berichtet sie seit einiger Zeit von ihrer Jobsuche, ihren Erfahrungen mit den bisweilen skurrilen Bewerbungsverfahren sowie ihren Ups und Downs im Bewerbungsprozess. Sie lässt ihr Netzwerk teilhaben an ihrer Suche, was wiederum ihr Netzwerk ihre Suchbegehren teilen lässt. So wissen zumindest ganz viele Menschen davon, dass Daniela auf Jobsuche ist. Sie erfahren sogar, was sie genau sucht und welche Werte und Themen ihr im Beruf besonders wichtig sind.
Danielas Strategie könnten wir also gewissermaßen als eine „Jobsuche Out Loud“ bezeichnen, ganz in Anlehnung an „Working Out Loud“. Das ist eine spannende Methode oft im Kontext von New Work und agilen Arbeitsumgebungen, in der die Sichtbarkeit der eigenen Arbeit und der Aufbau von Beziehungen im Zentrum stehen, weil das „besser für Dich, besser für Dein Unternehmen“ sei. „Jobsuche Out Loud“ – eigentlich müsste es natürlich konsequenterweise „Jobhunting Out Loud“ heißen – steht in meinen Augen also für die öffentliche, sichtbare Jobsuche, bei der alle mitfiebern, aber auch mit unterstützen dürfen. Extreme Jobsuche: Alles ist transparent. Jobsuche Out Loud – alle dürfen es wissen.
Bewerbung undercover
Auf der anderen Seite – Hermann heißt er hier – ist da der Manager mit dreißig Jahren Konzernerfahrung. Er zeigte mir seine Social-Media-Profile: „Freier Berater und Consultant“. Seit drei Jahren. Selbst im Lebenslauf steht: „Aktuell selbständig.“ Perfekte Legende als Freiberufler. Keine Spur von Jobsuche. Kein Wunder, es weiß auch keiner. Also gut, die Ehefrau. Aber selbst seine ehemaligen Kollegen wissen nichts von seiner dreijährigen Arbeitslosigkeit. Das würde den Marktwert senken und die Chancen schmälern.
Hermann bewirbt sich daher tapfer Woche für Woche weiter auf offene, in Jobbörsen veröffentlichten Stellen. Nur selten passen sie wirklich, schließlich werden C-Level-Stellen selten ausgeschrieben und Quereinstiege per Bewerbung funktionieren ohnehin meist nicht im offenen Stellenmarkt. Extreme Jobsuche: Keiner darf es wissen. Bewerbung undercover.
Laute Jobsuche oder leise Bewerbungen
Die meisten Jobsuchenden werden sich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen bewegen. Die einen lauter, die anderen leiser.
Wenn Sie zu den jobsuchenden Arbeitnehmern gehören, tun Sie gut daran, die Bewerbung undercover zu betreiben. Im Businessnetzwerk steht höchstens unter „Ich suche“ die Phrase „Neue Herausforderungen“, aber natürlich ist auch das bereits verdächtig. Sie wollen ja schließlich die alten Kollegen und den Chef nicht über ihre Ambitionen informieren, bevor Sie einen neuen Job haben. Oder doch?!
Drei Empfehlungen für Ihre Jobsuche
Wenn Sie hingegen zwischen zwei Jobs stehen, also Fulltime-Bewerber, sprich arbeitslos sind, haben Sie den Vorteil, dass Sie offen und sichtbar schreiben können, dass Sie frei sind für neue Aufgaben. Sie tun neben fabelhaften Bewerbungen gut daran, Klarheit auszustrahlen und ihr Netzwerk wissen zu lassen, dass sie offen und ab sofort verfügbar für neue Aufgaben sind. Meine Empfehlungen für Bewerber zwischen zwei Jobs lauten deswegen:
Klare und eindeutige Profile in den Businessnetzwerken schaffen: Schreiben Sie deutlich, dass Sie akut suchen und welche Tätigkeiten Sie in welcher Branche ausüben wollen. Vermeiden Sie Freiberufler-Geschwurbel, wenn Sie definitiv eine Angestelltentätigkeit erreichen möchten.
Das Netzwerk aktivieren: Lassen Sie Ihr Netzwerk – online und offline – wissen, dass und unbedingt auch was Sie suchen. Das „Was“ wird nämlich oft vergessen, aber es ist so entscheidend, damit ihre Kontakte einschätzen können, welche Stellen zu Ihnen passen.
Die Kür laufen: Hier kommt Ihre persönliche Präferenz ins Spiel. Wenn Sie wie Daniela Ihre Jobsuche zum öffentlichen Thema machen möchten, geben Sie alles. Eigene Webseite, öffentlicher CV, Social Media, „Jobsuche Out Loud“ eben. Vielleicht haben Sie es aber gerne eine Nummer leiser: Besuche von Fachmessen, Pflege der Kontakte, Recherche in den Online-Netzwerken, also „einfach“ Systematisch Kaffeetrinken. Ihrer Phantasie und Ihrem Engagement sind keine Grenzen gesetzt.
Und jetzt Sie!
Falls Sie gerade jobsuchend sind oder wenn Sie es mal waren: Wie bewegen Sie sich? Eher „Bewerbung undercover“? Oder doch nahe an „Jobsuche Out Loud“?