Bewerbungsgespräch: Mit diesen 15 Fragen erfährst du alles über Chef und Kollegen
"Woran machen Sie in 6 Monaten fest, dass ich hier einen guten Job mache?" 15 Fragen, die du als Bewerber im nächsten Vorstellungsgespräch besser stellen solltest, um mehr über Chef und Kollegen zu erfahren.
Mit „Fragen im Vorstellungsgespräch“ verbinden die meisten Bewerber die fiesen Fangfragen von Personalern nach ihren schlimmsten Schwächen oder echten Wechselgründen, die ein neuer Arbeitgeber am besten nie erfahren sollte. Auch als Bewerber Fragen zu stellen, erscheint für viele in dieser Ausnahmesituation nachrangig und manchmal sogar abwegig.
Doch wenn ich mit Bewerbern Vorstellungsgespräche vorbereite, dann verbringen wir mehr Zeit damit, über genau solche Fragen zu sprechen, statt Musterantworten auf die typischen Personalerfragen zu formulieren.
„Ach, stimmt, ich sollte dort auch Fragen stellen!“ ist für viele meiner Klienten eine wichtige Erkenntnis und sollte auch Teil deiner Haltung als Bewerber*in sein, die dir in Gesprächen nicht nur Stärke verleiht, sondern auch das eigene Urteilsvermögen aktiviert, bei der Wahl deines neuen Arbeitgebers genau hinzusehen.
Chef und Kollegen sind entscheidender als die Aufgabe
Fast alle Klienten, mit denen ich im Karriere-Coaching darüber spreche, was ihren zukünftigen Job ausmachen sollte, nennen mir zuerst Eigenschaften, die sie sich von ihrer neuen Führungskraft oder von den Kollegen wünschen. Schließlich verlassen viele Angestellte ihre Arbeitgeber nicht wegen der Aufgaben selbst, sondern aufgrund von chronischen Problemen mit schlechten Chefs und nervigen Kollegen. Ob du in deinem neuen Job glücklich wirst, hängt maßgeblich von guter Führung und wertschätzender Zusammenarbeit im Team ab.
Im Coaching schreiben wir alles das auf, was einen Traum-Chef oder die beste Chefin der Welt ausmachen würde. Vor allem Berufserfahrene, die schon unterschiedliche Führungsstile erlebt haben, besitzen eine sehr klare Vorstellung darüber, wie sie zukünftig geführt werden möchten, was sie von ihrer Führungskraft erwarten und was ein gutes Team für sie ausmacht. Ist diese Chef-Kollegen-Wunschliste komplett, bekomme ich von allen Bewerbern dies hier zu hören: „Das ist ja schön, dass ich mir das alles so wünsche, aber sowas bekommt man doch nicht in einem Vorstellungsgespräch heraus!“ – Genau hier bin ich anderer Meinung.
Antworten abspulen oder selbst Fragen platzieren
Ja, in einem Bewerbungsgespräch, in dem du Angst erfüllt nur die Fragen der Gegenseite beantwortest und brav abwartest, bis du in den letzten fünf Minuten zu „Haben Sie noch Fragen“ aufgerufen wirst und dann nur auswendig gelernte Allgemeinschauplätze zu Arbeitszeit, Einarbeitungsplan und Urlaubstagen abfragst, solange wirst du nach dem Gespräch über deinen neuen Chef im schlimmsten Fall nicht viel mehr als seinen oder ihren Namen und maximal die Größe des Teams erfahren haben.
Du darst und solltest stattdessen im Vorstellungsgespräch deinem potenziellen neuen Chef alle Fragen stellen, um selbst ein gutes Gefühl dafür zu entwickeln, wie sie oder er tickt und ob dies der Job ist, der dich in den nächsten Jahren wirklich erfüllen wird.
Und damit du eine Idee davon bekommst, welche Fragen du stellen kannst, um mehr über Chef und Kollegen zu erfahren, statt blind die Katze im Sack zu kaufen, habe ich hier 15 Fragen für dich zusammengestellt, die sich gut für das erste oder auch ein zweites, weiterführendes Gespräch mit deiner potenziellen neuen Führungskraft eignen:
Was in meinem Lebenslauf hat für Sie den Ausschlag gegeben, mich einzuladen?
Du erfährst, was dein Chef für die in seinem Team zu besetzende Position besonders wertschätzt. Diese Frage eignet sich auch psychologisch im ersten Teil eines Gesprächs gut. Denn so verbinden deine Gesprächspartner noch einmal bewusst etwas Positives mit dir.
Woran werden Sie in 6 Monaten festmachen, dass ich hier einen guten Job mache?
Dies ist aus meiner Erfahrung eine der wichtigsten Fragen, die jede*r Bewerber*in im ersten oder zweiten Gespräch stellen sollte. Denn über die Jahre meiner Arbeit mit Bewerbern stelle ich fest, dass in Vorstellungsgesprächen viel zu wenig über die gegenseitigen Erwartungen gesprochen wird. Hier sollte dein*e zukünftige Chef*in konkret formulieren, woran er/sie dich auf dieser Stelle misst. Ich erlebe im Coaching viele Angestellte, die ihre Probezeit nicht bestanden haben. Mit dieser Frage und einer klaren Antwort darauf wäre dies in den meisten dieser Fälle sicher vermeidbar gewesen.
Gibt es etwas, das Sie besonders an Ihrem Team schätzen?
Hier erfährst du gleich mehrere Aspekte: Wie gut kennt dein Chef sein Team wirklich? Ist sie/er in der Lage, wertschätzend über andere Menschen zu sprechen? Was ist es, was sie/er aus der Führungsrolle heraus wertschätzt? Es ist ein Unterschied, ob eine Führungskraft über sein Team sagt: „Die erfüllen halt die monatlichen KPIs“ oder „Die Kollegen unterstützen sich gegenseitig, arbeiten sehr eigenverantwortlich und fragen mich, wenn sie nicht weiterwissen.“ Diese Antwort sagt viel über den Führungsstil eines Chefs sowie auch über die Kultur im Unternehmen aus.
Was motiviert Sie persönlich bei Ihrer Arbeit?
Zugegeben, diese Frage ist sehr persönlich und es ist wichtig, dass du sie als Bewerber selbst aus einer echt interessierten Haltung heraus fragst. Sonst könnte es so wirken, als ob du plump die Prüfungssituation umdrehen möchtest. Hier erfährst du, was deine potenzielle Führungskraft bei ihrer täglichen Arbeit antreibt und welche Werte sowie Ziele ihr oder ihm im Beruf besonders wichtig sind. Du kannst ableiten, inwiefern dies auch mit deinen persönlichen Werte- und Zielvorstellungen zusammenpasst.
Was gefällt Ihnen an diesem Unternehmen besonders gut?
Dies ist bewusst eine sehr offene Frage. Du erfährst, woran dein Gegenüber mit Blick auf das Unternehmen denkt. Sind es die Branche oder Produkte, die historische oder zukünftige Entwicklung des Unternehmens, die Menschen und die Art der Zusammenarbeit, die Unternehmenskultur, Internationalität oder vielleicht auch die eigenen Entwicklungsperspektiven? Diese Frage eignet sich natürlich auch für Personaler oder Kollegen aus dem Team, sofern sie im Gespräch mit dir am Tisch sitzen.
Was sind die Ziele, anhand derer Sie gemessen werden?
Diese Frage halte ich insbesondere bei Bewerbungen auf Führungspositionen für wertvoll, um selbst als Manager eine Idee über die Ziele in der künftigen Rolle zu entwickeln. Ziele werden vom Top-Management bis zur Basis weitergegeben. Wenn du erfährst, woran dein Chef gemessen wird, kannst du auch für dich und ggf. dein eigenes Team ableiten, was in dieser Position in den nächsten Jahren wichtig sein wird, zu erreichen.
Wie können Sie mich dabei unterstützen, mich weiter zu entwickeln?
Vielen Angestellten ist es heute wichtig, sich in ihren Jobs fachlich und persönlich weiter zu entwickeln. Den meisten geht es weniger um die klassischen Karrierestufen, mehr Status, Macht oder hierarchischen Aufstieg, sondern sie möchten inhaltlich gefördert und auf Basis ihrer Stärken gefordert werden. Sie wünschen sich einen Chef als Mentor auf Augenhöhe, der selbst ein Interesse daran hat, sich und sein Team weiter zu entwickeln. Hast du im Gespräch das Gefühl, dein potenzieller Chef empfindet diese Frage als unverschämt, dann liegt die Vermutung nahe, dass du in den nächsten Jahren als fleißiges Bienchen einfach nur einen guten Job machen sollst.
Wie würden Sie Ihre Art der Mitarbeiterführung beschreiben?
Kaum ein Chef wird diese Frage spontan konkret beantworten können, ohne sich mit allgemeinen Floskeln, wie „respektvoll“, „wertschätzend“ oder „partizipativ“ zu schmücken. Doch ich halte es für wichtig, dass sich Führungskräfte ihres Führungsstils und zugehöriger innerer Haltung bewusst sind. Frage im Gespräch nach, falls die Antwort zu unkonkret ausfällt: „Woran würde ich als Ihr Mitarbeiter bemerken, dass Sie … führen/sind? Dass sich auch Chefs im Bewerbungsgespräch selbst reflektieren, kann ja nicht schaden ;-)
Was glauben Sie, würden mir Ihre Mitarbeiter über Sie unter vier Augen sagen?
Auch hier erfährst du wieder zweierlei: Wie reagiert sie/er auf die Frage selbst und was sind die Themen, über die sie/er in der Antwort spricht? Hat sie/er ein Gespür dafür, was die Mitarbeiter im Team bewegt und mit welchen Augen sie ihre*n Chef*in sehen?
Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Team in den nächsten Monaten?
Oft höre ich von Klienten, dass sich die Jobs nach dem ersten Arbeitstag als völlig anders als in der ursprünglichen Stellenausschreibung gezeigt haben. Weil große Projekte anstanden, Themen von anderen Kollegen übernommen werden mussten oder mal wieder umstrukturiert und reorganisiert wurde. Mit dieser Frage bekommst du ein gutes Gespür dafür, was die Top-Themen in den nächsten Monaten – auch außerhalb des operativen Tagesgeschäfts – sein werden.
Wie werden in Ihrem Team und im Unternehmen Entscheidungen getroffen?
Für viele Angestellte ist es heute wichtig, dass vom Management bis ins Team klare Entscheidungen getroffen und auch strukturiert umgesetzt werden. Wischi-waschi-Führung und Kuschelkurs gehen heute vielen Mitarbeitern auf die Nerven. Sie möchten mit ihrer Meinung gehört und bei bestimmten Entscheidungen einbezogen werden. Themen sollen nicht demokratisch unter Kollegen totgeredet werden, sondern Führungskräfte sollen in ihrer Rolle die nötige Verantwortung übernehmen. Insbesondere für Bewerber vom Typ „Macher“ ist diese Frage überlebenswichtig.
Angenommen, ich entdecke einen Fehler von Ihnen. Wie soll ich darauf reagieren?
Hier geht es nicht nur um die grundsätzliche Fehlerkultur im Unternehmen, sondern konkret um die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. Auch diese Antwort verrät viel darüber, wie modern ein*e Chef*in tickt und ob es ein Arbeitsverhältnis auf Augenhöhe sein wird.
Welches berufliche Erlebnis hat Sie persönlich bisher am stärksten geprägt?
Auch dies ist eine sehr persönliche Frage und am besten wartest du damit, bis ihr euch im Gespräch etwas besser kennengelernt habt. Mit dieser Frage erhältst du im besten Fall auch einige Informationen über den Werdegang deines Gegenübers. Ob und wie offen und ehrlich sie/er auf die Frage antwortet zeigt auch, welches Vertrauensverhältnis ihr beide im bisherigen Gespräch bereits aufbauen konntet.
Mit welchen Bereichen sind Sie und Ihre Mitarbeiter besonders gut vernetzt?
In fast keinem Job arbeitest du isoliert von anderen Abteilungen, sondern es wird immer Schnittstellen ins Unternehmen geben. Du erfährst mit dieser Frage, was die wichtigsten Schnittstellen sind und vielleicht auch, welchen Blick dein*e neue*r Chef*in auf die anderen Teams und Bereiche hat. Schimpft der Vertrieb über das Marketing, bekommt HR nichts auf die Kette oder ist die IT unfähig, fachliche Vorgaben umzusetzen? Wie wertschätzend schaut dein Gegenüber auf die Kollegen der anderen Abteilungen?
Was werden Sie dazu beitragen, dass ich mich hier schnell einarbeite?
Ein Frage-Klassiker vieler Bewerber ist „Wie sieht bei Ihnen die Einarbeitung aus?“. Ich empfehle, die Frage konkreter zu stellen und gleichzeitig deine Führungskraft in die Verantwortung zu nehmen. Auch wenn sie/er nicht persönlich die Einarbeitung übernehmen muss, so gehört es in meinem Verständnis von guter Führung mit dazu, für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter sowie für ihre richtige Integration in das Team zu sorgen.
„Fragen stellen im Vorstellungsgespräch – ist das nicht viel zu gefährlich?“
Das Vorstellungsgespräch ist ein Gespräch über gegenseitige Vorstellungen. Was spricht also dagegen, auch während des Gesprächs – und nur dann wird es übrigens auch ein gutes Gespräch als echter Dialog – Fragen an deinen neuen Chef sowie andere am Tisch sitzende Gesprächspartner zu stellen? Solche Fragen zu stellen, nicht um pflichtbewusst irgendwelche Fragen zu stellen, sondern um wirklich wichtige Informationen zu gewinnen, die du für deine Entscheidung für oder gegen diesen Job und Arbeitgeber benötigst.
Auf der anderen Seite bemerken deine Gesprächspartner so auch, dass du dir Gedanken gemacht habst, Klarheit über das zu dir passende Arbeitsumfeld besitzt und es dir wichtig ist, eine gute Job-Entscheidung zu treffen. Und mal ehrlich, wer in der Rolle als Führungskraft auch nur eine der obigen 15 Fragen als unverschämt oder unpassend empfindet, der wird – und sollte – nicht dein neuer Chef werden. Erwarte jedoch nicht, dass dein Gegenüber jede Frage wie aus der Pistole geschossen beantworten kann – dafür sind diese Fragen zu individuell und für viele Führungskräfte auch herausfordernd.
Mein Tipp: Achte nicht nur inhaltlich auf die Antworten, sondern auch auf die Reaktionen deines Gegenübers auf die Fragen. Möchte dort jemand nur ein einseitiges Interview als harte Prüfung von kleinen Bewerbern zelebrieren oder lassen sich die Menschen dir gegenüber wirklich auf ein Gespräch als guten Austausch auf Augenhöhe ein?
Und noch ein Hinweis: Bitte verstehe diese 15 Fragen auf gar keinen Fall als auswendig zu lernende Liste, die du in jedem Gespräch exakt so abfeuern musst. Du bist ja schließlich nicht der Personaler – kleiner Scherz ;-)
Es sind Beispiele von mir als Ideen und Impulse, in welche Richtung du bei Fragen im Vorstellungsgespräch (auch) denken kannst und darfst. Mache es immer von der Situation und dem Verlauf eines Gesprächs sowie von deinem persönlichen Gefühl und den Eindrücken abhängig, was dir wichtig ist, dort zu erfahren.
Denn schließlich geht es nicht darum, plump den Spieß als Bewerber umzudrehen und Arbeitgeber schonungslos auf den Prüfstand zu stellen, sondern um einen guten und ehrlichen Austausch beider Seiten, um eine möglichst sichere Entscheidung für die nächsten Jahre zu treffen.
Ich wünsche dir gute Gespräche, falls auch du gerade oder demnächst auf Jobsuche bist!
Dein
Diesen Beitrag habe ich zuerst auf meinem Karriere-Blog veröffentlicht.
Was sind deine Erfahrungen aus Vorstellungsgesprächen? Was hast du erlebt, wie Recruiter und Führungskräfte auf deine Fragen reagiert haben? Welche Fragen stellst du gerne und was ist dir als Bewerber besonders wichtig, im Gespräch zu erfahren?
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