Bewirbt sich noch ein echter Mensch …? Warum Techfirmen vom Videointerview abrücken

Google und Co. sind unverdächtig, KI nicht für eine Zukunftstechnologie zu halten – doch im Recruiting rücken sie von ihr ab. Die Gründe.

Google-CEO Sundar Pichai hat kürzlich angekündigt, dass Bewerbungsprozesse bei Google künftig wieder verpflichtend persönliche Interviewrunden enthalten werden. Auch andere Tech-Unternehmen wie CISCO gehen diesen Schritt, wie kürzlich ein Beitrag bei golem.de bezugnehmend auf einen Bericht des Wall Street Journal aufzeigte.

Tja, ich würde sagen, Google, CISCO und Co. dürften relativ unverdächtig sein, KI nicht für eine Zukunftstechnologie zu halten. Und trotzdem wird wieder eine Mensch-Mensch-Bewertung verpflichtend in den Auswahlprozess integriert.

Wahrscheinlich aber nicht „trotzdem“, sondern eher „deshalb“ …

Denn mittlerweile können Bewerbende selber so viel KI im Rahmen ihrer Bewerbung einsetzen, dass es fraglich ist, ob überhaupt noch der Mensch und dessen Fähigkeiten bewertet werden – das gilt auch und insbesondere für das Videointerview.

Wir sprechen im „Recrutainment Blog“ schon sehr lange vom drohenden Rattenrennen. Dort sind etliche Beispiele zusammengestellt, wie Bewerbende KI einsetzen können, um im Auswahlprozess kompetenter erscheinen als sie sind. Nicht nur beim Anschreiben oder Lebenslauf, sondern auch und gerade bei Auswahlinstrumenten, die man aufgrund der „persönlichen Beobachtung“ für fälschungssicher gehalten hat – etwas das Videointerview.

Also: Persönliche Interviews, um sicherzustellen, dass es
a. überhaupt ein echter Mensch ist, der sich beworben hat, und
b. um auch dessen persönliche Fähigkeiten zu überprüfen (und nicht die KI-Skills bzw. Skills der KI) …

Kann man (vielleicht) machen, wenn man gefühlt unendliche Ressourcen hat wie Google. Denn mit jedem Bewerbenden ein persönliches Vor-Ort-Interview geht mächtig in die Ressourcen. Man möchte diesen Aufwand ja doch eigentlich möglichst auf diejenigen beschränken, bei denen auch eine hohe Erfolgsvermutung vorliegt, also als Baustein der finalen (Positiv-)Selektion.

Eine Möglichkeit: In der Vorauswahl wird ein remote Online-Assessment eingesetzt. Ja, auch das ist nicht 100-prozentig KI-fest, das heißt bei einigen Aufgabentypen kann KI bei der Bearbeitung helfen. Aber erstens gilt das nicht für alle Aufgabentypen – bei einer ganzen Reihe von Tests scheitert die KI immer noch grandios – und zweitens kann die KI das Online-Assessment nicht allein bearbeiten (schon gar nicht so, dass man auch gut abschneidet).

D.h. die Bearbeitung eines Online-Assessments ist immer auch eine Ernsthaftigkeitshürde UND ein Nachweis, dass es sich um einen realen Bewerbenden handelt. Neben dem diagnostischen Erkenntnisgewinn für die Vorauswahl ist das Online-Assessment also auch eine Art „CAPTCHA“ der Bewerbung – zwei Fliegen, eine Klappe.

Wer daran interessiert ist, wir haben da so ein, zwei Lösungen im Angebot

Joachim Diercks schreibt über Recruiting, Online-Assessment, Personalmktg.

Gründer und Geschäftsführer von CYQUEST. Entwickelt Instrumente für Personalauswahl ("Online-Assessment", "Matching"), Employer Branding und Personalmarketing. Gastdozent für Eignungsdiagnostik an der HS Fresenius. Buchautor, Referent und Keynote-Speaker. Herausgeber Recrutainment Blog.

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