Biotech-Unternehmen Biospring will bis zu 1500 neue Arbeitsplätze in Hessen schaffen
Das 1997 gegründete Unternehmen stellt Wirkstoffe für die Pharmaindustrie her. Mit einer neuen Produktionsanlage in Offenbach sollen die Kapazitäten bis 2028 verfünffacht werden.
Frankfurt. Das Biotech-Unternehmen Biospring will in Hessen kräftig in den Ausbau seiner Produktion investieren. Das Unternehmen stellt Wirkstoffe für die Pharmaindustrie her.
Am heutigen Donnerstag war Spatenstich für die neue Anlage in Offenbach, mit der die Produktionskapazitäten zunächst verfünffacht werden sollen. Rund 150 Millionen Euro investiert Biospring in die erste Ausbaustufe. Finanziert wird das aus eigenen Mitteln und mit Krediten.
Zunächst sollen dadurch 200 neue Mitarbeiter in der ab 2028 laufenden Produktion arbeiten. Doch bei nur einer Ausbaustufe soll es für den Weltmarktführer nicht bleiben.
Biospring profitiert von Frankfurter Fachkräften
Zwei weitere Ausbaustufen könnten folgen, sodass langfristig bis zu 1500 neue Arbeitsplätze in Offenbach entstehen könnten, so die Planung.
Die Entscheidung für die Investition in Deutschland fiel trotz der Standortnachteile, die das Management von Biospring sehr wohl sieht: „Wir haben hohe Lohnkosten und zahlen im Vergleich zu Wettbewerbern mit aktuell fast 32 Prozent eine zwei- bis dreifach höhere Unternehmenssteuer“, sagt CEO Sylvia Wojczewski im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Dennoch habe man sich für den Ausbau der Produktion in der Nähe des Hauptsitzes entschieden, „weil wir diese Expansion mit unserem bewährten und eingespielten Team leisten können“, so Wojczewski. Für ein Unternehmen der Größenordnung von Biospring mit etwas über 100 Millionen Euro Jahresumsatz sei das ein gewichtiges Argument, sagt die Firmenchefin.
Außerdem dürfte Biospring in der Region durch die Universitäten und Industriestruktur auch ausreichend Fachkräfte für die neue Produktion finden. Der bisherige Standort im wenige Kilometer entfernten Frankfurter Stadtteil Fechenheim soll weiter bestehen bleiben.
Weltmarktführer bei der Herstellung von Oligonukleotiden
Biospring stellt Wirkstoffe für die Pharma- und Biotech-Industrie her, die auf den Bausteinen des Erbguts basieren, den Nukleinsäuren von DNA und RNA.
Das Unternehmen sieht sich als weltweit führend in der Produktion von synthetischen DNA- und RNA-Fragmenten, sogenannten Oligonukleotiden. Die werden für verschiedene therapeutische Arzneimittel beispielsweise in der Krebstherapie und bei Stoffwechselerkrankungen eingesetzt.
Das 1997 gegründete Unternehmen gehört den beiden geschäftsführenden Gesellschaftern Sylvia Wojczewski und Hüseyin Aygün, der auch der wissenschaftliche Leiter ist (Chief Scientific Officer).
Die promovierten Chemiker hatten Biospring als Studenten der Frankfurter Goethe-Uni zusammen mit vier weiteren Kommilitonen gegründet. Sie sahen den steigenden Bedarf in Forschung und Industrie an bestimmten Nukleinsäureketten, den Oligonukleotiden.
Bereits damals war die sogenannte Antisense-Technologie entdeckt worden. Diese Medikamente wurden etwa bei seltenen genetisch bedingten Erkrankungen eingesetzt. Die Therapeutika haben zu dem Gen, das sie blockieren sollen, eine spiegelbildliche Struktur (Antisense). So können sie sich an das Gen anlagern und es hemmen.
Eines der bekanntesten und größten Mittel dieser Klasse ist das Biogen-Produkt Spinzara, das gegen spinale Muskelatrophie und somit gegen tödlichen Muskelschwund bei Kleinkindern eingesetzt werden kann.
Inzwischen sind andere Klassen von Nukleinsäure-Therapeutika in der Anwendung. Sie werden zunehmend auch gegen weit verbreitete Erkrankungen erforscht und einsetzt. Der Schweizer Pharmakonzern Novartis etwa hat 2021 den neuartigen Cholesterinsenker Leqvio auf den Markt gebracht. Und die ebenfalls in der Schweiz ansässige Roche erforscht aktuell mit der Firma Alnylam Pharmaceuticals ein Therapeutikum zur Behandlung von Bluthochdruck.
CSO rechnet mit höherer Nachfrage
An einer steigenden Nachfrage für seine Produkte hat Biospring-Mitgründer Aygün keinen Zweifel. „Der Bedarf für Oligonukleotide wird in Zukunft weiter stark wachsen. Nukleinsäure-Therapeutika werden in immer mehr Indikationen erforscht: bei Infektionskrankheiten, Krebs, Alzheimer, Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“
Aktuell sind mehr als 650 Menschen für das Unternehmen tätig. Aufgrund des enormen Wachstums wurde Biospring 2021 zum Hessen-Champion in der Kategorie Jobmotor gekürt.
Ein weiteres breites Einsatzgebiet wurde mit der Entdeckung der Genschere Crispr/Cas eröffnet, die es ermöglicht, DNA an bestimmten Stellen gezielt zu verändern. Denn damit eine Genschere ihr Ziel korrekt erreicht, muss sie von einem maßgeschneiderten Oligonukleotid dorthin geführt werden.
Für die Herstellung solcher Führungs-RNAs ist Biospring in den vergangenen Jahren zum Weltmarktführer avanciert, heißt es beim Branchenverband Bio Deutschland.
„Crispr/Cas wurde in der jüngeren Vergangenheit als Werkzeug in der Forschung genutzt. Mittlerweile gibt es einen starken Fokus auf die therapeutische Anwendung; das Potenzial ist riesig“, sagt Aygün.
Mit der neuen Produktion in Offenbach werde Biospring erstmals in der Lage sein, die Wirkstoffe für seine Kunden im Tonnenmaßstab zu produzieren – eine der weltweit größten Produktionsanlagen für Wirkstoffe auf der Basis von DNA und RNA soll entstehen.
Der Oberbürgermeister von Offenbach, Felix Schwenke, freut sich: „Damit wird Offenbach erstmals ein ernst zu nehmender Standort für die weltweit bedeutende Biotechnologie“, sagte er anlässlich des Spatenstichs.
Und der hessische Ministerpräsident Boris Rhein findet, dass Biospring für das stehe, was Hessen als Wirtschafts- und Technologiestandort auszeichne: „Forschung auf höchstem Niveau, hochqualifizierte Arbeitsplätze und Investitionen, die langfristig Wertschöpfung sichern.“
Forderungen an die Bundesregierung
Die Gründer von Biospring, die sich von der Stadt Offenbach bei ihrem Vorhaben gut unterstützt sehen, haben mit Blick auf ihre weitere Entwicklung aber noch Wünsche an die Bundesregierung.
Man erwarte, „dass die angekündigten Abschreibungsmöglichkeiten bei Investitionen und auch die Senkung der Unternehmenssteuern so umgesetzt werden wie angekündigt“, sagt die Firmenchefin. Zudem müssten grundlegende Themen am Standort Deutschland verbessert werden, etwa die überbordende Bürokratie.
„Aber es ist auch die Einstellung zu Zukunftstechnologien wie der Biotechnologie, die endlich stärker in den Fokus genommen werden müssen, damit Deutschland hier vorankommt“, so Sylvia Wojczewski.
