Bis wann Sie laut Experten Ihre Gasheizung ersetzen sollten
Wer seine Gasheizung oder Ölheizung ersetzen will, steht vor einer schwierigen Entscheidung. Ist Eile geboten? Und können Eigentümer auf Förderung beim Umtausch hoffen? Das sagen die Experten.
**Berlin.**In Deutschland sind Ölheizungen und Gasheizungen noch immer die am häufigsten verbreiteten Heizungssysteme. Mit Erdgas wird rund die Hälfte aller Wohnungen beheizt, ein Viertel mit Öl. Doch die stark gestiegenen Preise für fossile Energien und ein wachsender Druck aus der Politik bringen viele Hausbesitzer ins Grübeln.
„Momentan gibt es Tausende verunsicherte Eigentümer, die nicht wissen, was sie machen sollen“, sagt Nordrhein-Westfalens Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) die Nöte der Eigentümer auf den Punkt. Hausbesitzer wüssten oft nicht, ob sie ihre alte Ölheizung oder Gasheizung austauschen sollen und vor allem: gegen was.
Wie schnell müssen Eigentümer also handeln? Welche Förderung gibt es für einen möglichen Ersatz einer Heizung? Der fünfte Teil der Handelsblatt-Serie zur energetischen Sanierung von Immobilien gibt einen Überblick über die wichtigsten Fragen zur Zukunft der Ölheizung und Gasheizung.
Ersatz für Gasheizung & Ölheizung: Dürfen Sie alte Heizkessel nach 2024 weiter nutzen?
Schon ab 2024 sollen neue Heizungen größtenteils mit erneuerbaren Energien gespeist werden. Der Einbau von neuen Gas- und Ölheizungen wäre damit im Regelfall nicht mehr möglich. Es gibt aber keine Austauschpflicht für Anlagen, die noch funktionieren und jünger als Baujahr 1992 sind.
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Eigentümer haben also Zeit, sich den nächsten Schritt zu überlegen. Gasheizungen sind auch nach 2024 nicht verboten, sie müssen dann allerdings nur noch als Ergänzung fungieren, beispielsweise zu einer Wärmepumpe.
„Wenn beispielsweise ein Gasbrennwertkessel vorhanden ist, der noch nicht alt ist, kommt auch eine Hybridlösung in Betracht: Man kann dem Kessel eine Wärmepumpe zur Seite stellen, die die Grundlast abdeckt“, sagt Jan Karwatzki vom Öko-Zentrum NRW.
An den wenigen wirklich kalten Tagen springt dann zusätzlich der Gaskessel an. „Das kann für manchen Altbau eine vernünftige Übergangslösung sein.“
Ölheizung austauschen: Besteht Eile für eine neue Heizung?
Nein. „Auch bei den gestiegenen Energiepreisen rate ich dazu, die Nerven zu bewahren und nichts zu überstürzen“, sagt Lamia Messari-Becker, Bauingenieurin und Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Uni Siegen. „Denn die gesetzliche Lage und die Förderoptionen sind noch unklar.“ Offen sei etwa die Frage, was bei den 65 Prozent angerechnet werden dürfe und was nicht.
Gasheizung-Verbot: Sollten Sie jetzt noch eine Gasheizung einbauen?
Noch ist der Einbau einer neuen Gasheizung erlaubt. Energieexperten raten davon aber ab. Abgesehen vom Klimaaspekt und der aktuellen Unsicherheit bei der Gasversorgung werde Heizen mit Gas auch immer teurer.
Hinzu kämen die immer höheren CO2-Abgaben. „Wenn Gastechnologie für ein neues Heizsystem verwendet wird, sollte sie höchstens eine unterstützende Funktion haben, etwa in Verbindung mit einer Wärmepumpe“, so Reinhard Loch, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale NRW.
Lässt sich eine einheitliche, neue Lösung für alle finden?
Nein. „Deutschlands Gebäudebestand ist sehr heterogen. Einheitliche Lösungen für alle Gebäude passen daher nicht. Ohne Kenntnis über das Gebäude lässt sich keine vernünftige Wahl treffen“, sagt Markus Staudt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (BDH).
Grundsätzlich ist daher Expertenrat gefragt. Viele Kommunen bieten Beratung an, oft auch gemeinsam mit den Verbraucherschutzzentralen oder den örtlichen Stadtwerken. Auch zertifizierte Energieberater können diese Aufgabe übernehmen. Wenn bestimmte Kriterien beachtet werden, fördert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) die Energieberatung.
Dabei darf man das Gebäude nicht isoliert betrachten. Welche Pläne die Kommune verfolgt, hat Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Heizungssystem. Die Berliner Ampelkoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, sich „für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze einsetzen“ zu wollen.
Was bedeutet das?
Das Bundeswirtschaftsministerium misst Fernwärmenetzen eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 zu. Über Wärmenetze, auch Fern- oder Stadtwärme genannt, lassen sich viele Haushalte mit grüner Wärme versorgen, auch Abwärme aus industriellen Prozessen kann über Wärmenetze genutzt werden.
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Das Problem: Bislang werden nur 14 Prozent der Wohnungen in Deutschland mit Fernwärme beheizt. Zudem sind nur weniger als 20 Prozent der Fernwärme grün. Der Großteil beruht auf fossilen Energieträgern, vor allem auf Gas. Um das zu ändern, will die Bundesregierung bis zum Sommer Eckpunkte für die Einführung einer kommunalen Wärmeplanung vorlegen.
Wie schnell geht es dann an die Umsetzung?
Es dürfte noch Jahre dauern, ehe eine kommunale Wärmeplanung Standard geworden ist. Das Instrument stecke in Deutschland noch in den Kinderschuhen, sagt Jan Walter vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Allerdings gibt es Vorreiter, etwa Städte wie Hamburg oder Freiburg.
In Baden-Württemberg ist die kommunale Wärmeplanung für Städte ab 20.000 Einwohner seit Herbst 2020 Pflicht. Kleinere Städte und Gemeinden werden finanziell unterstützt, wenn sie die Aufgabe angehen. „Die kommunale Wärmeplanung sorgt dafür, dass Hauseigentümer nicht mehr alleingelassen werden, wenn es um die Wahl einer klimafreundlichen Heizung geht“, sagte Walter.
Für den richtigen Schub soll das Bundesförderprogramm effiziente Wärmenetze (BEW) sorgen. Damit will das Wirtschaftsministerium noch in diesem Jahr „den Ausbau und die Transformation von Wärmenetzen und damit einen direkten Wechsel auf erneuerbare Energien“ anreizen.
Außerdem werde der Neubau von Wärmenetzen mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien und Abwärme gefördert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte jüngst, es gebe eine „vorläufige positive Bewertung“ der EU-Kommission für die beihilferechtliche Genehmigung dieser Bundesförderung.
Ersatz für Ölheizung und Gasheizung: Werden neue Heizungen gefördert?
Ja. Die Bundesregierung plant, den Austausch von Öl- und Gasheizungen mit einem „Aufbauprogramm Wärmepumpe“ anzureizen. Ein „Umsetzungsanreiz Handwerk“ soll die knappen Ressourcen im Handwerk zielgerichtet in die Heizungssanierung und dort zum Einbau von Wärmepumpen lenken. „Ziel ist, die Zahl neu installierter Wärmepumpen bis 2024 auf über 500.000 Stück pro Jahr zu steigern“, heißt es.
Denn die Zeit für neue Gas- und Ölheizungen läuft ab. Ab 2024 seien „Öl- und Gasheizungen selbst mit Solarthermie kombiniert keine Alternative mehr“, sagt Stefan Materne, Energieberater beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Ersatz für Ölheizung und Gasheizung: Ist die Wärmepumpe die beste Alternative für einen Austausch?
„Es gibt keine pauschalen Antworten auf die Frage nach der richtigen Heizungsart“, sagt BDH-Hauptgeschäftsführer Staudt. „Natürlich kann in vielen Fällen die elektrische Wärmepumpe die beste Lösung sein. Doch das gilt längst nicht für alle Fälle.“
Wenn der Anschluss an ein Wärmenetz „nicht absehbar ist, ist die elektrische Wärmepumpe eine naheliegende Lösung“, sagt Karwatzki vom Öko-Zentrum NRW. „Für energetisch unsanierte Gebäude gilt das allerdings nur mit Einschränkungen. Hier sind unter Umständen neben der Wärmepumpe selbst weitere Investitionen in die Wärmeverteilung im Haus erforderlich“, fügt er an.
„Hoch sanierte Gebäude vertragen grundsätzlich viele Optionen, inklusive Wärmepumpen“, meint Messari-Becker. Bei unsanierten Gebäuden könnten möglicherweise auch Quartierslösungen sinnvoll sein, etwa Blockheizkraftwerke, die erneuerbar befeuert würden.
Andere Gebäude wiederum könnten auf saisonale Solarspeicher umsteigen, andere auf Holzpellets. „Die Liste ist lang.“ Fernwärme oder Wärmepumpen seien jedenfalls keine Garantien dafür, den Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien zu erreichen, warnt sie.
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