Hans-Jürgen Vandrey

Bitte nicht stören! Glückskugeln gehen in Winterschlaf

„Ich liebe den schlingernden Gang so eines Igels – er erinnert mich an einen alten Mann mit lahmer Hüfte, der vom Pub nach Hause wankt.“ Dave Goulson

Der in 1982 in St. Petersburg geborene Journalist Tim Neshitov bemerkte einmal, dass immer mehr Menschen emotional erfüllt sind, wenn sie einem hilfsbedürftigen Wesen ganz konkret geholfen haben. Der Igel (Erinaceidae) gehört in Deutschland dazu – auch „ist ihm ja schneller geholfen als einer ausgebombten Familie in Aleppo“, schrieb er 2017 in der Süddeutschen Zeitung. Das zu den Säugetieren gehörende Tier frisst Insekten, verschmäht aber auch Aas und kleine Wirbeltiere nicht. Die Eingänge zu ihren Nestern sind für uns Menschen nur schwer zu finden, weil sie meistens in dichter Vegetation verborgen sind. Ab Mitte November, wenn die Bodentemperatur dauerhaft gegen null Grad geht, ziehen sie sich zurück. Ihre perfekte Überlebensstrategie ist im Winter der Schlaf, denn dann gibt es für sie kaum Nahrung.

Damit Igel für die kalten Monate ein geeignetes Quartier finden, sind sie auf unsere Hilfe angewiesen. Vor allem städtische Igel sind eine bedrohte Spezies, denn Straßen, Zäune und Mauern zerschneiden ihren Lebensraum. Jährlich sterben in Deutschland Hunderttausende Igel im Straßenverkehr. Gärten sind wichtige Lebensräume für Igel. Besonders solche, die naturnah gestaltet und gut zugänglich sind und wo die kleinen Tiere Unterschlupf finden können. Am liebsten machen sie es sich in Verstecken wie Treppenaufgängen, Reisighaufen oder Hecken bequem. Hier legen sie oft auch ihr Winterquartier an, in dem sie die kalten Monate in tiefem Schlaf verbringen und so überwintern. Ab Mitte November, wenn die Bodentemperatur dauerhaft gegen null Grad gehen, ziehen sie sich zum Winterschlaf zurück. Dann ist bei Gartenarbeiten besondere Vorsicht geboten, um die Quartiere nicht aus Versehen zu zerstören und die Tiere aufzuwecken. Das würde ihren Tod bedeuten, denn jedes Aufwachen kostet die Igel viel Kraft. Es gehen also eine Menge Energiereserven verloren, die die Tiere im Winter nicht auffüllen können, weil sie keine Nahrung finden. Ein selbst gezimmertes und mit Laub ausgelegtes Igelhaus ist ein gemütliches und sicheres Quartier für die die Gartenbewohner. In Deutschland werden auch ehrenamtlich Igelstationen von Igelschutzvereinen betrieben. Wildtiere in Deutschland zu schützen und Menschen für die Schönheit und Einzigartigkeit der heimischen Wildtiere zu begeistern ist das Anliegen der Deutschen Wildtier Stiftung.

Vielleicht ist unsere Hilfsbereitschaft und Sympathie für diese Tiere besonders ausgeprägt, weil wir auch gern einmal ungestört wären – im Bewusstsein, dass sich jemand um uns kümmert: „Kugeln des Glücks“ (Tim Neshitov).

Weiterführende Informationen:

Dave Goulson: Wenn der Nagekäfer zweimal klopft. Das geheime Leben der Insekten. Aus dem Englischen von Sabine Hübner. Carl Hanser Verlag München 2016.

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Gartenzeit: Wie wir Natur und Kultur wieder in Gleichklang bringen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Timofey Neshitov: Liebesspiel. Warum Igel im Sommer so häufig Polizeieinsätze auslösen. In: DER SPIEGEL (2.8.2019), S. 47.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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