Breuninger-Interessent: Wer sich etwas gönnen will, der geht zu El Corte Inglés
Während die Konkurrenz darbt, geht es der spanischen Kaufhauskette El Corte Inglés so gut, dass sie nun sogar nach Breuninger greift. Das Erfolgsrezept klingt einfach: Niemand pflegt seine Kunden so gut und ist dabei so rentabel.
Der Eintritt in den grünen Konsumtempel auf dem Paseo de la Castellana in Madrid ähnelt einem Eintauchen in einen eigenen Kosmos, wo es Delikatessen aus aller Welt gibt und weltgewandte Verkäufer, die auf Chinesisch, Arabisch oder Englisch beraten. Das Stammhaus der Kaufhauskette „El Corte Inglés“ symbolisiert all das, was die Marke so begehrenswert macht, was den Häusern ihren ikonischen Status verleiht – und was dem Unternehmen eine Rendite ermöglicht, die in der Welt des stationären Handels anno 2024 wie eine Utopie klingt.
Bis 22 Uhr abends klingeln hier jeden Tag die Kassen. Die 80.000 Angestellten der Gruppe werden immer internationaler, die Kunden aber schwören ihrem Kaufhaus oft ewige Treue. Rund 12 Millionen von ihnen sind im Besitz der hauseigenen Vorteils- und Bezahlkarte, mit der inzwischen auch in anderen Geschäften bezahlt werden kann. Wer sich etwas gönnen will, der geht zu El Corte Inglés. Und so konnte das Kaufhausunternehmen im vergangenen Geschäftsjahr, das im Februar 2024 endete, einen von Einmalfaktoren bereinigten Gewinn von 359 Millionen Euro erzielen, ein Plus von 73,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Beeindruckende Zahlen sind das. Und sie animieren offenbar zu Wachstumsambitionen, die von deutschen Handelsketten schon lange nicht mehr zu hören waren. El Corté Ingles, so wurde jüngst durch einen Bericht der WirtschaftsWoche bekannt, interessiert sich für den Erwerb der zum Verkauf stehenden Bekleidungskette Breuninger.
Börsengang geplant
Zum Anspruch der Spanier passen würde das. Das europaweit umsatzstärkste Kaufhaus braucht gute Zahlen, eine gute Story, denn das Unternehmen hat ein klares Ziel: den Börsengang. Der genaue Zeitpunkt ist noch nicht klar. Aber „die Richtung stimmt“, sagt Luxus- und Markenexperte der EAE Business School in Madrid, Ramon Solé. Im vergangenen Geschäftsjahr wuchsen die Einnahmen immerhin um 5,4 Prozent auf 16,3 Milliarden Euro. Der größte Teil des Umsatzes kommt aus dem Einzelhandel, aber die Spanier verdienen auch Geld mit Finanzdienstleistungen sowie mit ihren Reisebüros. Neben dem Warenhaus haben sie auch Super- und Verbrauchermarktketten und eigene Modemarken im Sortiment.
Dabei hat auch das Vorzeigeunternehmen eine schwierige Zeit hinter sich, die wie so oft mit dem Ende der Ära eines Patriarchen einherging. Als Isidoro Álvarez 2014 abtrat, staute sich der Investitionsbedarf bereits, es folgten zähe Jahre der Unklarheit. 2019 dann übernahm die Stieftochter Marta Álvarez den Vorsitz der Gruppe – eine der wenigen Frauen in diesem Segment.
Seitdem geht es wieder bergauf beim El Corte Inglés. Die Familienstiftung Fundación Ramón Areces, die immer noch 40 Prozent an der Gruppe hält, hat sich neu erfunden und mit dem schon vor der Pandemie gefundenen chinesischen Partner AliExpress auf Reset gedrückt, bevor die Schulden wie bei Galeria das Aus vieler Standorte zur Folge gehabt hätte.
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Expansion durch AliExpress gesichert
Der vor kurzem neu ernannte CEO, der Argentinier Gastón Bottazzini, der zuvor das chilenische Kaufhaus Falabella geleitet hat, soll nun dort weiter machen, wo El Corté Ingles anders als die Konkurrenz einen Grundstock bereits gelegt hat. Den Online-Erfolg der Gruppe in Lateinamerika und Asien und damit die Digitalisierung und Logistik soll er weiter vorantreiben. Mit dem Partner AliExpress will er in Osteuropa und China expandieren. Die Angebotswochen des Warenhauses sind inzwischen bis über die Grenzen bekannt und locken junge Schnäppchen-Jäger und Influencer auf die Internetseiten.
Das Referenzhaus für die neue Strategie ist jenes auf der Madrider Prachtstraße Paseo de la Castellana. Es ist direkt mit der Metro an den Flughafen angebunden, 14 Millionen Menschen passieren das Kaufhaus so im Jahr. Auch das Kaufhaus selbst ist auf die Bedürfnisse der global reisenden Elite ausgerichtet: Vor Ort können Spezialitäten wie iberischer Bellota-Schinken, frischer galizischer Fisch und diverse regionale Backwaren gekostet werden. Nach dem Einkaufen können nicht nur die Taschen von anderen ins Hotel gebracht oder an die Heimadresse im Ausland geschickt werden, einen Aufbau- und Lieferservice für Möbel und Haushaltswaren gibt es ebenfalls. Amazon ist zwar ein bedeutender Wettbewerber, aber einer, der beim Service nicht mithalten kann.
Fokus auf Service und Markenwerbung
Um zu verstehen, wie die Spanier die Kurve in schwierigen Zeiten noch gekriegt haben, muss man aber das Zentrums Madrid verlassen und sich etwa anschauen, wie die Kaufhausmitarbeiter etwa ihre älteren Stammkunden pflegen, die aus dem ländlichen Umland nach Sevilla kommen, um in ihrem geliebten El Corte Inglés zu shoppen. Sie werden mit besonderen Programmen gehegt und gepflegt. Für Solé ist klar, dass der Erfolg darin liegt, dass das Warenhaus gerade für diese Generation immer noch eine Garantie für ein angenehmes und sicheres Shoppen ist: „Hier gibt es nicht nur Waren zu kulanten Konditionen, sondern das ganze Haus wird zur kühlen Freizeitalternative im Sommer, weil dort bei heruntergekühlten Temperaturen auch gegessen werden kann.“ Auf der Dachterrasse in Sevilla, Madrid, Palma oder Barcelona kann ein Blick auf die Stadt genossen werden, was die Standorte auch zur Touristenattraktion macht.
Die millionenschwere Werbung mit internationalen Stars, die unter Umständen noch nie vom El Corte Inglés gehört haben, sorgen für Glamour, selbst bei den Eigenmarken: „Dieses Jahr wird ohne Zweifel noch besser als das vergangene,“ glaubt Solé.
Schulden müssen sinken
Der neue CEO Bottazzini hat nun primär zur Aufgabe, die Schulden weiter zu senken. Nach den turbulenten Zeiten zwischen 2009 und 2016 konnte das Warenhaus zwar im vergangenen Geschäftsjahren die Nettoschulden auf 2,05 Milliarden Euro verringern, was dem 1,9-fachem des Ebitda entspricht – der niedrigste Stand der letzten 16 Jahre. Aber die vielen verschiedenen Ketten und Häuser sind nicht alle rentabel und kosten im Unterhalt. „Weitere Eröffnungen wird es nicht geben“, ist sich Solé sicher. Nicht nur musste in den vergangenen Jahren massiv Personal entlassen werden, im vergangenen Geschäftsjahr wurden zudem erneut zwei der 76 Standorte geschlossen. Der Erlös aus dem Verkauf der Immobilien dient dem Schuldenabbau. Doch das nun kolportierte Interesse an den Häusern von Breuninger zeigt: Bei aller Sparsamkeit ist El Corté Ingles auf einem Wachstumskurs, der auf dem Kontinent seinesgleichen sucht.
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