„Check your Privilege!“ – Was du über unverdiente Vorteile am Arbeitsplatz wissen musst
„Check your Privilege“ ist zur eingedeutschten Redewendung geworden. Aber was steckt eigentlich dahinter? Und wie lässt sich am Arbeitsplatz dafür sorgen, dass alle die gleiche Chance haben und fair behandelt werden?
Im Sommer vergangenen Jahres hatte ich starke Knieschmerzen. Der Arzt diagnostizierte eine Zyste, so groß wie ein Tennisball. Die Ursache: Überbelastung durch Sport. So richtig was dagegen tun könne man nicht, eine Schiene könnte das Knie schonen. Die Schiene, die ich verschrieben bekam, war ein Standard-Kassenmodell, ich durfte zwischen S, M und L aussuchen.
Nachdem ich das erste Mal mit der Schiene joggen war, war die Haut ums Knie aufgescheuert. Am Oberschenkel war die Schiene zu eng, direkt am Knie hingegen zu weit. Ich ging zurück zum Orthopäden, der mir bestätigte, sie sei unpassend. Eine Alternative hatte er allerdings nicht. Denn: Diese Schiene sei ein Standardmodell, das nicht explizit für Frauen designt würde. Zwar gäbe es auch Knieschienen für die weibliche Anatomie, diese würden aber in meinem Fall nicht von der Kasse übernommen.
Was macht etwas zu einem Privileg?
Privilegien beziehen sich auf Vorteile, die jemand aufgrund seiner oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfährt. Männer genießen zum Beispiel das Privileg, dass viele Designentscheidungen an ihren Körpern ausgerichtet werden. Aufgrund von historisch gewachsener Strukturen sind sie die Norm. Das führt zum Beispiel dazu, dass die neutrale Knieschiene Männern im Durchschnitt besser pass als Frauen.
Privilegien können das Leben erleichtern, und so auch im Arbeitskontext. Sie begünstigen Beschäftigungschancen, Glaubwürdigkeit oder ein sorgenfreies Auftreten. Gleichzeitig kann das Fehlen von Privilegien Diskriminierung, Ausschluss und Zugangsprobleme zu Ressourcen und Chancen bedeuten.
Privilegien sind an Machtstrukturen gekoppelt
Privilegien sind keine willkürlichen Annehmlichkeiten, die z.B. dem einen am dem einen und der anderen an dem anderen Tag das Arbeitsleben erleichtern. Sie haben ihre Wurzeln in gesellschaftlichen Machtstrukturen und Normen. Wer „normal“ ist, hat mehr Privilegien. Dabei sind Privilegien so tief verwurzelt und normalisiert, dass ihre Existenz oft übersehen wird. So wird sich der Mann, dem eine passende Knieschiene verschrieben wird, nicht besonders darüber freuen. Genauso wenig freue ich mich darüber, wenn es eine auf mich zugeschnittene Toilette auf der Arbeit gibt. Ich gehe davon aus. Mein Privileg als Cis-Frau.
Alltägliche Vorteile machen das Leben ein bisschen leichter
Die gesellschaftlichen Vorteile auf Basis von Privilegien prägen Perspektiven und Erfahrungen. Und dabei geht es längst nicht nur um Knieschienen. In ihrem Bestseller „Invisible Women“ zeigt Caroline Criado-Perez auf, dass Frauen bei einem Autounfall eher sterben (17% höhere Wahrscheinlichkeit) und dass der durchschnittliche Büroplatz fünf Grad zu kalt für sie ist.
Der durchschnittliche Büroplatz ist 5 Grad zu kalt für Frauen.
Privilegien sind aber längst nicht nur in Bezug auf Geschlecht von Relevanz. Jede Person genießt in Bezug auf unterschiedliche Aspekte ihrer Identität Privilegien. Erfahrungen im Job finden im Zusammenspiel verschiedener Identitäten statt, sie sind intersektional. So kann ich zwar in meiner Identität als Frau Nachteile erfahren, wiederum als weiße Person ohne Behinderung mit heller Haufarbe und deutschem Pass in vielerlei Hinsicht Vorteile gegenüber anderen haben. Privilegien entstehen nämlich:
aus gesellschaftlichen Machtstrukturen und Unterdrückung,
verbunden mit Zugehörigkeit zu normativen oder mächtigen sozialen Gruppen,
in Zusammenspiel mit Intersektioanlität, erzeugt verschiedene Vorteile oder Benachteiligungen.
Privilegien am Arbeitsplatz
Was leiten wir daraus ab? Eine Auseinandersetzung mit Privilegien sollte über die Anerkennung von Vorteilen hinaus gehen. Mitarbeiter*innen sollten darin unterstützt werden, unterliegende gesellschaftliche Machtstrukturen und ihren Einfluss auf individuelle Erfahrungen zu erkennen und verstehen. Durch das Annehmen unserer Privilegien können wir eine inklusivere und gerechtere Arbeitswelt schaffen.
Erst wenn ich ein Bewusstsein darüber habe, dass viele meiner alltäglichen Selbstverständlichkeiten für andere Hürden aufweisen, kann ich mich dafür einsetzen, diese Hürden abzubauen. So können z.B. nicht alle „einfach die Treppe nehmen“, wenn der Fahrstuhl kaputt ist und das Meeting gleich anfängt.
Genau um diese Einsicht geht es auch bei der Redewendung „check your privilege!“. Dahinter verbirgt sich die Aufforderung danach, die alltäglichen Annehmlichkeiten zu bemerken, die die (Arbeits-)Wwelt für den einen oder die andere leichter macht. Workshops und andere Austauschformate können Perspektivwechsel ermöglichen und offenlegen, dass so manche Normalität für jemanden anders gar nicht so selbstverständlich ist. Dieses Bewusstsein ist die Grundlage für eine Anpassung von Strukturen oder Praktiken im Arbeitsalltag.
Was machst du, um dich für deine Privilegien zu sensibilisieren?