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Chief Data Officers: Karriere machen mit Daten

Chief Data Officers, das belegen neue Studien, halten sich oft nicht lange auf ihrem Posten. Doch mit den richtigen Ansätzen, Zielen und Verbündeten können auch sie ausdauernd Erfolg haben.

Von Thomas H. Davenport, Randy Bean und Josh King

Vor 30 Jahren war es ein gängiger Witz, dass CIO – die Abkürzung für Chief Information Officer – in Wirklichkeit bedeute "career is over", zu Deutsch: Die Karriere ist vorbei. Doch je länger die Amtszeiten wurden und je mehr die Rolle international an Gewicht gewann, desto mehr verlor der Witz seine Relevanz. Heute ist es vermutlich eher der Chief Data Officer (CDO), der den instabilsten Job der Vorstandsetage besetzt. Die Amtszeiten sind kurz, die Fluktuation ist hoch, und wie in den Anfangstagen der CIO-Rolle wissen viele Unternehmen offenbar nicht genau, was sie von Führungskräften auf dieser Position genau erwarten.

Aber der Job eines CDO muss keineswegs unsicher sein. Wir glauben, dass es möglich ist, seinen Wert deutlicher zu machen und seine Vorteile schnell genug zu erreichen, um die Dauer der Beschäftigung zu verlängern. Es könnte auch hilfreich sein, die Rolle klarer zu definieren, mit einem stärkeren Fokus auf dem Geschäft statt auf der Technik.

In großen Unternehmen hat die CDO-Funktion in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. In einer Umfrage von New Vantage Partners unter großen, datenintensiven Unternehmen aus dem Jahr 2021 gaben 65 Prozent an, einen Chief Data Officer zu beschäftigen. Das ist ein rasantes Wachstum seit 2002, als diese Funktion erstmals beim US-Finanzdienstleister Capital One eingeführt wurde, und deutlich mehr als in einer New-Vantage-Umfrage aus dem Jahr 2012, bei der 12 Prozent der Unternehmen einen CDO in der Vorstandsetage hatten.

Am häufigsten werden CDOs von Finanzdienstleistern eingesetzt. Inzwischen ernennen jedoch auch Unternehmen in anderen Branchen CDOs, wenn sie über umfangreiche Datenbestände verfügen – darunter der Einzelhandel, das Gesundheitswesen und sogar Behörden.

Dieser Trend spiegelt die Erkenntnis wider, dass Daten ein wichtiger Unternehmenswert sind, der es wert ist, von einem Topmanager gesteuert zu werden. Unternehmen wird zudem zunehmend bewusst, dass Datenbestände nicht nebenbei vom CIO oder vom Chief Technology Officer (CTO) gemanagt werden sollten. Daten und Technologie sind nicht dasselbe, beide Bereiche erfordern unterschiedliche Managementansätze. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte.

Alles deutet darauf hin, dass CDOs noch immer eine eher schwache Position in ihrem Unternehmen haben. Laut einer Gartner-Umfrage und unserer eigenen Analyse liegt die durchschnittliche Amtsdauer zwischen zwei und zweieinhalb Jahren. Nur wenige CDOs sind seit mehr als drei Jahren in dieser Funktion tätig. Und während die meisten von ihnen beim Amtsantritt noch große Unterstützung erleben, endet die rosige Zeit oft abrupt nach etwa 18 Monaten, wenn sie größere Umgestaltungen verantworten müssen.

Sogar bei Finanzdienstleistern, wo es diese Position häufiger gibt, herrscht eine hohe Fluktuation. So gab es in den vergangenen zwei Jahren CDO-Abgänge (und einige Neueinstellungen) bei JPMorgan Chase, Wells Fargo, Goldman Sachs und vielen anderen. Da sie sehr gefragt sind, finden selbst CDOs, die ein Unternehmen verlassen haben, meist schnell eine neue Stelle. Aber die meisten erleben auf ihrem nächsten Posten die gleiche Mischung aus hohen Erwartungen und fehlenden Möglichkeiten, schnell Werte zu schaffen.

Hinzu kommt, dass die CDO-Position an Bedeutung verliert, je mehr neue Vorstandsfunktionen geschaffen werden. So gehörte in den meisten Unternehmen ursprünglich die Datensicherheit zu den Aufgaben eines CDO; heute kümmert sich dagegen oft ein Chief Information Security Officer um dieses Thema. Früher waren CDOs auch für den Datenschutz zuständig, doch diese Aufgabe haben einige Chief Privacy Officers übernommen.

Womöglich sind dies nur Anlaufschwierigkeiten für CDOs, und vielleicht wird sich ihre Rolle in der Unternehmensorganisation mit zunehmender Bekanntheit der Funktion stabilisieren. Doch offenbar definieren und fokussieren viele Unternehmen und CDOs die Aufgaben der Stelle nicht richtig, was zu Problemen führt.

Warum ist die Rolle so problematisch? Dafür gibt es sicher viele Gründe. Der wichtigste ist wohl oft eine ungenaue Definition der Aufgabe. Viele Unternehmen erwarten zu viel und setzen unklare Prioritäten. Oft können CDOs keine ideale Datenumgebung schaffen, weil groß angelegte Änderungen bei den Altsystemen und Datenumgebungen ihrer Unternehmen oft sehr teuer werden können.

Auch für die CDOs selbst kann es schwierig sein, ihre Erfolge zu verkaufen. Selbst wenn sie Verbesserungen bei der Datennutzung erreicht haben, sind diese für interne User oft kaum sichtbar und in geschäftlicher Hinsicht sehr schwer zu messen. Und wenn ein CDO über profunde IT-Kenntnisse verfügt, fehlt es ihr oder ihm meist an Erfahrung in der Chefetage und an Führungsqualitäten auf Vorstandsebene. Oft werden CDOs vom ersten Tag ihrer Amtszeit an zur Zielscheibe – wegen der Höhe ihres Gehalts, wegen ihrer fehlenden Vorstandsvergangenheit oder wegen ihres Mangels an lange antrainiertem politischen Geschick.

Dabei sind viele Unternehmen heute daran interessiert, nicht nur die Datenumgebung zu verbessern, sondern auch die Unternehmenskultur in Richtung Datenorientierung zu verändern. Für Kandidaten mit überwiegend technischem Werdegang kann dies eine ungewohnte Herausforderung sein. Vielleicht kann ein Blick auf die CDOs datengetriebener Unternehmen klären, wie sich ihre Rolle und Ziele besser in die Praxis umsetzen lassen.

Tipps vom langjährigen CDO

In den kommenden fünf bis zehn Jahren dürfte die Rolle des CDO auch von der obersten Führungsebene besser akzeptiert werden. CDOs, die kurzfristig überleben wollen, könnten jedoch einige Ratschläge von Guy Peri, Chief Data and Analytics Officer bei Procter & Gamble (P&G), berücksichtigen. Er arbeitet seit mehr als sechs Jahren in dieser Funktion, war davor mehrere Jahre Leiter der Abteilung für Analytik und ist seit fast 25 Jahren bei P&G. Wir sind überzeugt, dass CDOs ihren Job länger behalten können, wenn sie lernen, Datenanalytik und künstliche Intelligenz so zu verbinden wie Peri. In diesen Bereichen lassen sich viel einfacher Werte schaffen als im Datenmanagement.

Als wir Guy Peri fragten, wie CDOs und CDAOs (Chief Data & Analytics Officers) die Wertschätzung für ihre Arbeit verbessern können, lieferte er mehrere Ideen:

  • Schaffen Sie gleich zu Anfang eine klare Verbindung zur Unternehmensstrategie. Nennen Sie konkrete Beispiele, wie Datenanalysen die Geschäftsergebnisse verbessern können (Umsatz, Gewinn, Cash, Verwaltungsaufwand).

  • Führen Sie gemeinsam mit einem oder zwei zukunftsorientierten Business Partnern, um zu zeigen, was möglich ist. Diese Partner werden zu Veränderern im gesamten Unternehmen.

Peri argumentiert – und wir stimmen ihm zu –, dass Datenstrategien mit den Strategien der Geschäftsbereiche verknüpft sein und diese fördern müssen. Sobald die Ziele vereinbart sind, kann der CDO beim Aufbau von Datenbeständen, passenden Managementansätzen und -fähigkeiten helfen, damit der Geschäftsbereich die Ziele erreichen kann. Ein Ergebnis dieses Prozesses ist eine Plattform, die Daten aufnimmt, umwandelt und vereinheitlicht und die so die wichtigsten Anwendungsfälle der Geschäftseinheit unterstützt. Dazu gehört auch eine demokratisierte Datenumgebung mithilfe von Datendiensten und Business-Intelligence-Tool-Sets.

CDAOs sollten nach Ansicht von Peri nach dem Aufbau von Pilotprojekten skalierbare und nachhaltige Daten-/Analytikprodukte einführen, um die Zeit bis zur Wertschöpfung für die Geschäftseinheiten zu verkürzen. Unserer Meinung nach sind solche Produkte der Schlüssel, um die Werthaltigkeit von Datenbeständen und Analytik zu belegen.

Wir finden, dies sind gute Strategien, um als CD(A)O erfolgreich zu sein. Besonders wichtig ist es, hochwertige Anwendungsfälle für Analytik und künstliche Intelligenz auszuwählen und dann mit Führungskräften zusammenzuarbeiten, um deren Daten- und Analysebedarf zu verstehen, passende Initiativen auszuwählen und umzusetzen. CDOs werden sich nur dann für längere Zeit halten können, wenn sie es schaffen, ein Gleichgewicht zwischen schnellen Erfolgen für die Business Partner und längerfristigen Daten- und Analyseaufgaben zu erzielen. Dafür müssen sie die Erwartungen, wie schnell das alles möglich sein wird, in eine realistische Richtung steuern.

Geschäftskenntnisse, Führung und Einfluss, Kommunikation und die Fähigkeit, Veränderungen zu steuern, sind für den oder die CD(A)O von heute unabdingbar. Ohne diese Qualifikationen würde die Rolle auf Backoffice-Aktivitäten reduziert, ähnlich wie bei herkömmlichen CIOs, die sich nur auf Rechenzentren, Infrastruktur und die Bereitstellung von Anwendungen konzentrieren.

Wir sind davon überzeugt, dass geschäftserfahrene CDAOs sich in Zukunft zu CIOs, Chief Digital Officers und sogar CEOs weiterentwickeln werden. Ein Problem bekommen CDOs nur dann, wenn für sie die Geschäftsziele sekundär sind und sie lieber Datenmanagement und -architektur in den Vordergrund stellen. © HBP 2021

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"CDOs solten mehr strategische Verantwortung übernehmen"

<div>Als Chief Digital Officer ist James Kugler (33) der wichtigste Mann fürs Datenmanagement beim Chemie- und Pharmakonzern Merck. Der Amerikaner ist Ingenieur für Biomedizintechnik und leitet eine Abteilung in der Bostoner Niederlassung des Unternehmens aus Darmstadt.</div>

Mit James Kugler sprach Michael O. R. Kröher, Redakteur des Harvard Business manager.

Harvard Business manager: Herr Kugler, Sie verantworten seit fast sechs Jahren die digitalen Prozesse, die Voraussetzung dafür sind, Mercks umfassenden Datenbestand zu nutzen. Sie sind somit die lebende Antithese zur Aussage unserer Autoren, wonach die meisten CDOs nach spätestens drei Jahren diesen Posten wieder verlassen. Wie haben Sie das geschafft?

James Kugler: Für meinen Werdegang bei Merck habe ich mich auf meinen Job konzentriert. Was heißt: Durch die konsequente und systematische Nutzung von Daten habe ich meine Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützt, neue Geschäftsfelder zu erobern. Dabei bin ich in kleinen Schritten vorgegangen, habe also zunächst überschaubare Projekte durchgeführt, die schnell und überzeugend positive Ergebnisse gezeigt haben. Erst danach habe ich umfassendere Maßnahmen angepackt.

Unsere Autoren beklagen bei vielen CDOs fehlende Führungsfähigkeiten, die bei Weltkonzernen in den obersten Managementebenen aber gebraucht werden. Wie sehen Sie dieses Problem?

Ich durfte zum Glück andere Erfahrungen machen: Bevor ich im Jahr 2016 zu Merck kam, habe ich bei Sigma Aldrich gearbeitet, einem Zulieferer der Biotech- und Pharmaindustrie, den Merck ein Jahr zuvor übernommen hatte, zuletzt als Chef des E-Commerce. Ich habe dieses Geschäft aufgebaut zu einem Volumen von mehr als einer Milliarde Dollar pro Jahr. Dort hatte ich nicht nur ein fantastisches Team, das mich bei unserem ambitionierten Vorgehen getragen und unterstützt hat, sondern auch sehr geduldige Vorgesetzte, die mir viel beigebracht haben und von deren Führungsstil ich mir viel abschauen konnte.

Das operative Geschäft eines CDO krempelt in der Regel die Arbeit, Verantwortlichkeiten und Bedeutung etlicher Abteilungen um und erzeugt daher oft Widerstand bei den Beschäftigten. Lässt sich das vermeiden? Können CDOs beliebter werden?

Wird die Position des CDO neu eingeführt, geht es oft darum, das Geschäftsmodell an entscheidenden Stellen zu ändern. Dadurch ändern sich etliche Abläufe grundlegend, manchmal auch Strukturen eines Unternehmens. Der CDO muss dann die Beschäftigten von Notwendigkeit und Nutzen der Veränderungsprozesse überzeugen. Dafür braucht es eine sorgfältige, verantwortungsbewusste Kommunikation. Das ist mühsam, aber unumgänglich – und letztendlich lohnend.

Was denken Sie: Sollten CDOs generell strategische Verantwortung übernehmen, wie es unsere Autoren fordern?

Ja, unbedingt. Die Digitalisierung macht vor keiner Branche und vor keinem Unternehmen halt. Fachleute für die Nutzung von Daten sind folglich überall gefragt, um die Zukunft aller Firmen und ihrer geschäftlichen Weiterentwicklung mitzubestimmen.

Wird das Zeitalter der CDOs irgendwann enden oder wird diese Position im Gegenteil immer wichtiger für die erfolgreiche Führung von Unternehmen, sodass immer mehr CDOs in die Position des CEO aufrücken?

Bei der Besetzung von Spitzenpositionen im Management gibt es sicher viele Faktoren zu berücksichtigen. Für mich ist klar, dass die Nutzung von Daten zunehmend zur Wertschöpfung beiträgt und somit wirtschaftlich auch immer wichtiger wird. Wie sich diese Entwicklung in der Besetzung von obersten Leitungsebenen niederschlägt, das muss jedes Unternehmen selbst entscheiden.

Wohin wollen Sie persönlich sich in den kommenden zehn Jahren entwickeln?

Ich möchte mit meinen Kenntnissen und Fähigkeiten dazu beitragen, dass das 353 Jahre alte Unternehmen Merck zu einem der weltweit führenden Wissenschaftskonzerne und Techplayer wird. Mir ist dabei wichtig, dass die Menschen neue Technologien nicht als Belastung oder gar Bedrohung erfahren, sondern als Entlastung und zugleich Bereicherung. Sie sehen: Ich habe gut zu tun.

Autoren

Thomas H. Davenport ist Professor für IT und Management an der privaten Business School Babson College, Forschungsbeauftragter am MIT Center for Digital Business, Mitbegründer des International Institute for Analytics und Senior Advisor bei Deloitte Analytics. Er ist Autor des neuen Buchs "Big Data at Work" und des Bestsellers "Competing on Analytics".

Randy Bean ist Autor von "Fail Fast, Learn Faster: Lessons in Data-Driven Leadership in an Age of Disruption, Big Data, and AI" sowie Gründer und CEO von New Vantage Partners, einer strategischen Unternehmensberatung.

Josh King leitet den Bereich Technologie bei Ridgeway Partners, einer Executive- Search-Personalberatung.

Dieser Artikel erschien in der November-Ausgabe 2021 des Harvard Business managers.

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