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Reduce, Reuse, Repair and Recycle. Wie bekommen wir das hin? - Pixabay

Circular thinking in der Baubranche: Der gesamte Gebäudelebenszyklus muss berücksichtigt werden

Laut des European Green Deals müssen Wirtschaftliche Aktivitäten einem von sechs vereinbarten Umweltzielen dienen. In der Baubranche sind jetzt vor allem Architekt:innen gefordert.

Klimaschutz ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission sind Investitionen von jährlich rund 180 Milliarden Euro notwendig, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Dem Finanzsektor kommt damit eine wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen Transformation zu. Unternehmen werden von Investoren, Kunden, Analysten und Regulatoren verstärkt dazu aufgefordert, neben den klassischen Finanzkennzahlen auch Environmental Social Governance (ESG)-Informationen transparent zu machen. Aber auch internationale Initiativen wie die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen und das Pariser Weltklimaabkommen setzen neue Rahmenbedingungen, die von der Wirtschaft neue Lösungen erfordern. Die EU-Taxonomie definiert anhand detaillierter Kriterien, ob Unternehmen und Finanzmarktakteure nachhaltig wirtschaften. Sie ist damit ein wichtiger Baustein des European Green Deal, mit dem die Staatengemeinschaft bis 2050 klimaneutral werden will. Das Regelwerk (EU-Taxonomieverordnung) trat ab 1. Januar 2022 teilweise in Kraft. Wirtschaftliche Aktivitäten müssen einem von den folgenden sechs Umweltzielen dienen: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

In seiner 25-seitigen Stellungnahme zur Kreislaufwirtschaft heißt es: „Bei unverändertem Ressourcenverbrauch und gleichzeitig wachsender Weltbevölkerung bräuchte es bis 2050 ‚drei Erden‘, um den Rohstoffbedarf zu decken.“ Der RNE möchte nun eine gesellschaftliche Debatte anstoßen, bei der die Bauwirtschaft mit in den Fokus rückt, denn in Deutschland entstehen überall neue Wohnungen und Gebäudekomplexe – auch in der Coronakrise gab es keinen Stillstand. Selbst steigende Material- und Energiekosten halten den Bauboom nicht auf. 2021 ist nach Angaben des Statistischen Bundesamts die Zahl der Baugenehmigungen für Wohn- und Nichtwohngebäude auf rund 145.000 angestiegen (der höchste Wert seit 2006). Auf die Herstellung von Zement entfallen etwa acht Prozent der globalen CO2-Emissionen. Zwar wird an klimafreundlicheren Herstellungsprozessen gearbeitet, doch völlig CO2-frei werden die notwendigen chemischen Prozesse nicht. Hinzu kommt der Abbau von Kalkstein, Sand und Ton, der die Umwelt schädigt und die Biodiversität gefährdet. In der Branche steht immer mehr die Frage im Mittelpunkt, wie sich der Lebenszyklus von Gebäuden und deren Bestandteilen langfristig denken lässt.

Denn „sie beeinflussen mit ihrem Entwurf sämtliche Kriterien des Lebenszyklus‘ eines Bauwerks. Sie sind im Grunde diejenigen, die für eine sogenannte nachhaltige Produktentwicklung verantwortlich sind. In der Planungsphase werden die Weichen für die Auswahl von Baumaterialien, eine flexible Grundrissgestaltung, eine klimaneutrale Nutzungsphase sowie eine Wiederverwendbarkeit von Baustoffen gestellt. Definiert der Architekt diese Anforderungen an das Gebäude, wird die Bauwirtschaft genau diese Produktanforderungen erfüllen. Natürlich gehören dazu auch aufgeschlossene Bauherren. Aber auch hier kommt es auf den Architekten an. Eine Darstellung des gesamten Gebäudelebenszyklus zeigt Bauherren, dass Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich sinnvoll ist“, sagt Matthias Schäpers, der beim Baudienstleister und Projektentwickler Krieger + Schramm die Bereiche Nachhaltigkeit und Wohngesundes Bauen leitet und an der Entwicklung und Implementierung einer ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie arbeitet, die zum Geschäftsfeld und der Kernkompetenz des Unternehmens passt.

„Wir müssen uns dabei einmal vor Augen führen, wie eigentlich die Natur funktioniert. Hier ist alles ein Kreislauf. Nur der Mensch handelt anders, wie ein Konstruktionsfehler im System. Wir entnehmen aus der Natur Ressourcen, verarbeiten diese zu Produkten, Nutzen die Produkte und werfen sie hinterher weg ohne sie wieder der Natur zuzufügen. Die Natur funktioniert ganz anders. Denn alles was einmal lebte oder genutzt wurde, kommt wieder in den Kreislauf und erhält dadurch ein überlebenswichtiges Gleichgewicht.“ Deshalb ist es wichtig, schon bei der Auswahl der Ressourcen darauf zu achten. Auch müssen wir uns „für Materialien entscheiden, die am Lebensende dem Kreislauf wieder zugeführt werden können. Nur unter Beachtung dieser gesamten Wertschöpfungskette kommen wir ansatzweise dahin, was in der Natur selbstverständlich ist“, so Schäpers.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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