Das Ungleichgewicht zwischen den wichtigsten Sparten zwingt Continental-Chef Nikolai Setzer zu Strukturmaßnahmen. - Foto: dpa, Continental, Elektrobit
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Conti-Vorstand und Arbeitnehmer sind gegen Automotive-Verkauf

Unter Arbeitnehmervertretern und im Vorstand wächst der Widerstand gegen Pläne des Aufsichtsratschefs, das Autogeschäft abzuspalten.

Düsseldorf. Am Montag erwarten die Aktionäre von Continental-Chef Nikolai Setzer endlich Klarheit über die Zukunft des Unternehmens. Dann präsentiert Setzer auf dem jährlichen Kapitalmarkttag seine mittelfristigen Pläne für den Dax-Konzern. Ob die Anteilseigner diese Klarheit bekommen, ist jetzt, wenige Tage vor der Präsentation, aber noch völlig offen. Im Zentrum steht die Frage zur Zukunft der Automotive-Sparte.

Wolfgang Reitzle, der nun seit 14 Jahre Vorsitzender des Aufsichtsrates von Continental ist, sieht sich bei seinem Plan, die Sparte abzuspalten und Conti auf das Reifen- und Industriegeschäft zu konzentrieren, inzwischen einer breiten Front gegenüber.

Vorstand, Arbeitnehmervertreter und wichtige Aufsichtsräte bevorzugen nach Informationen des Handelsblatts aus Unternehmenskreisen eine andere Lösung: Eine Verschlankung der Sparte – die aber fundamentaler Teil des Konzerns bleiben soll.

Außerdem solle die Sparte unter Automotive-Vorstand Philipp von Hirschheydt für größere Partnerschaften mit anderen Unternehmen geöffnet werden. Hirschheydt lässt sich bei den Umbaumaßnahmen unter anderem von der Unternehmensberatung McKinsey beraten.

Welches Szenario am Ende umgesetzt wird, hängt von Ankeraktionär Schaeffler ab, der 46 Prozent der Anteile an Continental hält – und ob sich der noch vor Montag positioniert, ist ungewiss.

Continental selbst äußert sich auf Anfrage nicht zu den Spekulationen. Die Argumente für einen Komplettverkauf sind aus Sicht wichtiger Management- und Aufsichtsratsmitglieder aber nicht stichhaltig.

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Automatisiertes Fahren verschlingt hohe Investitionssummen

„Die Lösung der Probleme innerhalb der Automotive-Sparte ist sehr komplex und aufwändig, deswegen wird auch ein Verkaufsszenario durchgespielt. Doch dieses Szenario ist schlichtweg nicht plausibel“, heißt es aus Aufsichtsratskreisen. „Zum einen löst ein Verkauf die internen Probleme nicht. Zum anderen stellt sich die Frage, wer das Automotive-Geschäft im jetzigen Zustand überhaupt kaufen solle.“

Die Probleme von Continental hängen mit der Transformation der Autoindustrie und Managementfehlern der vergangenen Jahre zusammen. In der Automotive-Sparte bündelt Continental sein Zukunftsgeschäft. Hier werden Software und Sensorik für das automatisierte Fahren entwickelt, Software für Auto-Betriebssysteme und diverse Autokomponenten gefertigt, wie zum Beispiel Bremsen, Displays und Steuergeräte.

Die Entwicklung des automatisierten Fahrens und der Auto-Betriebssysteme verschlingen seit Jahren riesige Investitionssummen, tragen jedoch kaum zum Gewinn bei. In der Sparte selbst, die über Jahre durch milliardenschwere Übernahmen gewachsen ist, werden nach wie vor zu wenige Synergien gehoben – von den Synergien mit den Geschäftsfeldern Reifen und Industrie ganz zu schweigen.

Dass Continental unterm Strich profitabel ist, verdankt das Unternehmen vor allem seinem traditionellen Reifengeschäft, das zuverlässig zweistellige Margen liefert. Dieses Ungleichgewicht im Unternehmen zwingt die Konzernverantwortlichen zu Strukturmaßnahmen.

Auffällig ist, dass das interne Ringen um die Zukunft von Continental zuletzt auch verstärkt extern ausgetragen wurde. Seit sich immer mehr herausstellt, dass ein Komplettverkauf der Automotive-Aktivitäten mittelfristig wohl keinen Sinn machen würde, würden gehäuft scheinbar negative Meldungen über die Sparte verbreitet, berichten Konzerninsider.

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Personalabbau in Verwaltung keine Notmaßnahme

So hatte beispielsweise das „Manager-Magazin“ zuletzt berichtet, dass es größere Probleme mit einem Bremssystem gebe, das Continental an Alfa Romeo liefere. Von einem möglichen Rückruf war sogar die Rede. Aus Konzernkreisen jedoch heißt es, dass das Problem mit den Bremsen gemeinsam mit dem italienischen Autohersteller schon vor Monaten gelöst wurde. Ein möglicher Rückruf sei verhindert worden.

Auch der Personalabbau in der Verwaltung der Automotive-Sparte sei in Presseberichten wie eine Notmaßnahme dargestellt worden. Setzer, der bis Mai 2023 auch für das Automotive-Geschäft verantwortlich war, hätte die Maßnahmen nicht früh genug umgesetzt, hieß es. „Die Erzählung ist nicht korrekt“, berichten aber mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen dem Handelsblatt.

Der Abbau der überbordenden bürokratischen Prozesse innerhalb der Sparte wurde seit Monaten vorbereitet. Auch die Arbeitnehmervertreter hatten einen sozialverträglichen Bürokratieabbau gefordert. Genau deswegen wurde die intern seit Wochen bekannte Maßnahme von den Arbeitnehmervertretern lediglich „zur Kenntnis“ genommen, wie es in deren Mitteilung heißt. Die IG Metall hat sich zu den Vorgängen sogar überhaupt nicht geäußert.

Spekulationen treiben Aktienkurs

„Es ist sehr ärgerlich, dass die geplanten Maßnahmen mit dieser Deutungsweise so kurz vor dem Kapitalmarkttag öffentlich werden“, heißt es wiederum aus Aufsichtsratskreisen. „Es scheint, als wolle jemand die Automotive-Sparte und Konzernchef Nikolai Setzer in ein schlechtes Licht rücken.“ Diese Störgeräusche sorgen mit Blick auf den Kapitalmarkttag kommenden Montag für Nervosität bei der Belegschaft, berichten arbeitnehmernahe Kreise.

Das Unternehmen ringt um die Zukunft der Automotive-Sparte. - Foto: Bloomberg
Das Unternehmen ringt um die Zukunft der Automotive-Sparte. - Foto: Bloomberg

An den Aktienmärkten hingegen treiben die Spekulationen über Joint Ventures oder mögliche Verkäufe von Geschäftsteilen das Papier des Autozulieferers. Seit Ende Oktober ist die Conti-Aktie, die bis dahin kaum vom Fleck kam, um rund 16 Prozent gestiegen. Das dürfte vor allem Ankeraktionär Schaeffler freuen.

Die Erwartungen an den Kapitalmarkttag sind jedenfalls hoch. Der Conti-Vorstand muss Investoren und Analysten glaubhaft darstellen, wie der Unternehmenswert gehoben werden kann. Dieser ist von über 45 Milliarden Euro im Jahre 2017 auf zuletzt etwas mehr als 14 Milliarden Euro abgestürzt.

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