Controlling und Nachhaltigkeitsmanagement: Richtige Bewertung braucht Zahlen
Das Wesen der Realität verstehen
Der Begriff Controlling klingt nach Bürokratie. Schon beim Wort "Kennzahlen" bekommt der Business-Experte Hermann Scherer ein "ungesundes Hautbild", schreibt er in seinem Buch "Fokus!". Doch richtige Bewertung braucht Zahlen, die vertrauenswürdig sind und ihre Grundlagen offenlegen. Zukünftig wird das Thema Nachhaltigkeit noch weiter an Bedeutung gewinnen - es zeichnet sich auch ab, dass die variablen Gehaltszahlungen des Managements an Nachhaltigkeitskennzahlen gekoppelt werden, womit die Nachhaltung dieser Kennzahlen an Bedeutung gewinnen wird.
Was Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit tun und wie sie dazu öffentlich berichten, hat durch die Erwartungen von Investoren, Politik, Zivilgesellschaft oder Kunden in den vergangenen Jahren stark an Relevanz gewonnen. In Deutschland ist die nichtfinanzielle Berichterstattung seit April 2017 durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) geregelt. Es verpflichtet große Unternehmen, im Zuge ihrer Berichterstattung auch Informationen in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung offenzulegen.
Wird Zählen und Messen als Versuch verstanden, das vielfältige Wesen der Realität zu verstehen, dann ist das nützlich und nichts Schlechtes. Kritik ist nur dort angebracht, wo Zahlen einseitig betrachtet und interpretiert werden, wo Menschen nicht richtig mit ihnen umzugehen wissen. Unternehmen sind heute besonders gefordert, nicht nur über Kosten und Nutzen ihres Handelns, sondern auch über ihr nachhaltiges Engagement zu informieren. Dazu brauchen sie nachvollziehbare, messbare Systeme. Mittels Nachhaltigkeitsreporting werden diffuse Daten in klare, messbare Einheiten und Größen umgewandelt. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung legt die sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen und Perspektiven des eigenen Handelns offen. Doch nicht alle Nachhaltigkeits- und CSR-Berichte, die Unternehmen heute herausgeben, können wirklich belegen, wie nachhaltig sie tatsächlich wirtschaften. Besonders kleine und mittelständische Firmen stehen vor einer besonderen Herausforderung: Sie engagieren sich in sozialen Projekten, achten auf Energieeffizienz oder setzen auf Recycling-Materialien. Doch wie nachhaltig die einzelnen Projekte und die gesamte Unternehmensführung tatsächlich sind, wissen sie nicht genau - es fehlt ihnen häufig der Überblick.
Zur Analyse und Steuerung der Aktivitäten gehört es, Nachhaltigkeitsdaten systematisch zu erfassen und zugänglich zu machen. Mit alten Methoden ist eine zeitgemäße Bewertung (wahrnehmen, erinnern, denken, urteilen) allerdings nicht möglich. Vieles funktioniert bei den heutigen disruptiven Veränderungen nicht mehr - um den Überblick zu behalten, werden neue Perspektiven und Werkzeuge benötigt, weil die Aufgaben zu komplex geworden sind. Auch der Stellenwert von Wissen wird in Unternehmen und Organisationen künftig immer wichtiger: Wissenschaftler gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte allen Wissens hier verpufft, wenn es nicht systematisch erfasst und organisiert wird. Deshalb ist konsequentes Wissens- und Nachhaltigkeitsmanagement von besonderer Bedeutung – ebenso die permanente Anpassung und der Austausch von Informationen.
Kennzahlen ermöglichen es Unternehmen und Organisationen, konkrete Nachhaltigkeitsziele festzulegen und quantifizierbar zu machen. Voraussetzung ist, dass sie aussagekräftig sind und aus fundierten Daten entwickelt werden, die über einen längeren Zeitraum verfolgt werden. Außerdem muss die Messbarkeit der Daten gewährleistet sein. Erst dann ist eine kontinuierliche Beobachtung von Entwicklungstendenzen möglich. Werden Kennzahlen auf Organisationsebenen gebildet (Prozesse), eignen sie sich vor allem als Planungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrument für die jeweiligen Fachabteilungen. Um Schwachstellen ermitteln und Korrekturmaßnahmen rechtzeitig einleiten zu können, empfiehlt es sich, sie in kürzeren Zeitabständen zu erheben (z.B. viertel- oder halbjährlich).
Kennzahlen für Nachhaltigkeitsberichte
Das ist zu beachten:
Vergleichbarkeit: Die Kennzahlen müssen einen Vergleich ermöglichen und Veränderungen der Auswirkungen widerspiegeln (= Impact).
Zielorientierung: Die gewählten Kennzahlen müssen auf Verbesserungsziele hinwirken, die vom Unternehmen beeinflussbar sind.
Ausgewogenheit: Die Kennzahlen müssen die gezeigten Leistungen möglichst repräsentativ wiedergeben und Problembereiche ebenso wie Chancen ausgewogen darstellen.
Kontinuität: Um vergleichende Aussagen zu ermöglichen, müssen die Kennzahlen in jeder Periode nach den gleichen Erfassungskriterien aufgestellt werden, sich auf vergleichbare Zeiträume beziehen und in vergleichbaren Einheiten gemessen werden.
Aktualität: Die Kennzahlen müssen häufig genug ermittelt werden, um rechtzeitig Einfluss auf Zielgrößen nehmen zu können und keine veralteten Informationen zu liefern.
Verständlichkeit: Die dargestellten Kennzahlen müssen klar und verständlich sein und den Informationsbedürfnissen des Unternehmens und seiner Anspruchsgruppen entsprechen.
Instrumente zur Mess- und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeit
Problematisch ist im Hinblick auf die sozialen und kulturellen Aspekte der Nachhaltigkeit deren Mess- und Vergleichbarkeit. Im Gegensatz zu ökonomischen und ökologischen Aspekten sind Aktivitäten in diesen Bereichen weitaus schwieriger zu messen und zu vergleichen. Dennoch ist eine Mess- und Vergleichbarkeit unternehmensweiter Aktivitäten zu diesen Dimensionen der Nachhaltigkeit unverzichtbar. Die bekannteste und wichtigste Initiative zur Bildung von Nachhaltigkeitsindikatoren auf internationaler Ebene ist die Global Reporting Initiative (GRI), die in Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmen und Organisationen die sog. GRI-Kennzahlen entwickelte. Sie enthalten – neben den ökologischen und ökonomischen – auch gesellschaftliche Leistungsindikatoren. Nachhaltigkeitsmanagement verlangt nach verlässlichem und transparentem Monitoring der gesetzten Ziele, die elementare Bestandteile eines jeden Managementsystems sind. Unternehmen sollten sich deshalb an GRI grob orientieren und die für sie wichtigen Indikatoren definieren.
Viele Unternehmen und Organisationen bilden ihre Kennzahlen allerdings noch zu wenig systematisch ab - obwohl genügend Daten vorhanden sind, die eine Basis schaffen könnten für eine Auswahl von Kennzahlen, die über einen langen Zeitraum hinweg zu einem vollständigen Kennzahlensystem wachsen können. Nachhaltigkeitsmanagement verlangt nach verlässlichem und transparentem Monitoring der gesetzten Ziele, die elementare Bestandteile eines jeden Managementsystems sind. Sie verdeutlichen den Handlungsbedarf in Unternehmen und sind für die Erfolgskontrollen erforderlich.
Indikatoren messen anhand von Kennzahlen Zustände und Eigenschaften und geben Auskunft darüber, inwieweit Standards und Sollwerte in der Tendenz erfüllt oder nicht erfüllt sind. Damit werden die gestiegenen Informationsbedürfnisse seitens der Anspruchsgruppen befriedigt, indem es sich an Kriterien wie Transparenz, Offenlegungspflichten und Selbstverpflichtungen orientiert.
Vorgehensweise zum Aufbau eines Kennzahlensystems:
1. Situationsanalyse/Bestandsaufnahme
2. Festlegung des Kennzahlensystems
3. Datenerfassung und Kennzahlenbildung
4. Anwendung der Kennzahlen
5. Überprüfung des Kennzahlensystems.
Right Practice
Wissen bedeutete früher Macht, heute gewährleisten die neuen technischen Systeme im digitalen Zeitalter einen offeneren Datenzugang. An Kennzahlen orientierte Prämienmodelle, die Unternehmenserfolg bedeuten (Rohertrag bzw. EBIT) sind im Mittelstand häufig transparenter und dem Geschäftsverlauf angemessener als in Großunternehmen, wo sie oft kontraproduktiv oder im Extremfall sogar geschäftsschädigend sind. Wesentliche Kennzahlen sind über ein Online-Tool für alle Mitarbeiter jederzeit einsehbar. Mitarbeiter ohne dauerhaften PC-Arbeitsplatz werden regelmäßig informiert. Stefanie Kästle, Geschäftsführerin bei der Mader GmbH & Co KG, bemerkt, dass die Bedeutung der Kommunikation von Kennzahlen sowie die gemeinsame Analyse mit den entsprechenden Kollegen unverzichtbar ist, um gegebenenfalls auch Verbesserungspotenziale zu ermitteln: „Sie müssen für alle verständlich sein und auf die Strategie und Ziele in den einzelnen Bereichen heruntergebrochen werden. Denn es geht nicht um eine reine Betrachtung der Zahlen, sondern um die Wahrnehmung des Gesamtbildes. Eine Kennzahl ist nur ein Indikator. Einzelbetrachtungen sind nicht aussagefähig, sondern nur der übergeordnete Zusammenhang.“
Erst mit einer ausreichenden Zahl verschiedener Daten können die Umrisse ihrer Dynamik fokussiert werden: Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto schärfer ist die Unternehmenslandkarte. Kennzahlen werden beim Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader, der auch regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht herausgibt, nicht nur qualitativ gemessen, sondern auch quantitativ. Prozesssteuerung wird hier ebenfalls unter dem Begriff Controlling gefasst, was die Verbindung zum Thema Qualitäts- und Umweltmanagement einschließt.
Der Controller 21.0
Der Controller ist heute gleichsam ein Navigator. In Ergänzung zum Rechnungswesen bietet das Controlling die erforderlichen Erkenntnisse, um Engpässe und Probleme frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Signale zum Gegensteuern zu liefern. Controlling ist damit die Basis eines jeden Nachhaltigkeits- und Risikomanagementsystems. Es sind zwei Formen des Controllings zu unterscheiden: das operative und das strategische Controlling.
Aufgaben:
Operatives Controlling: Soll und Ist zu vergleichen, um Abweichungen zwischen Plan und Realität zu erkennen und sofort gegenzusteuern.
Strategische Controlling: Es hat einen längeren Zeitraum im Fokus und soll helfen, Strategien zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu entwickeln.
Die Nachhaltigkeitsthematik kann im strategischen Controlling und operativen Controlling implementiert werden. Controlling ist somit der Versuch, das rein vergangenheitsbezogene, auf die möglichst exakte Abbildung der Wirklichkeit ausgerichtete Rechnungswesen um eine vorausschauende (nachhaltige) Sicht zu ergänzen. Es orientiert sich dabei eng an den jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten. Die Integration der Nachhaltigkeitsthematik in ein Controlling-Steuerungssystem wird als „Sustainable Controlling“ bezeichnet. Die traditionelle Balance Scorecard mit den vier Perspektiven (Finanz-, Prozess-, Kunden-, Mitarbeiterperspektive) wird im Rahmen des Nachhaltigkeitscontrollings um die Säulen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie und Soziales) erweitert. Die Zieldimensionen der Nachhaltigkeit werden hierbei zur Abbildung des Images und der Akzeptanz gegenüber externen Dritten in der Perspektive „Gesellschaft“ zusammengefasst. Die Einbindung der Gesellschaftsperspektive in die Balance Scorecard stellt lediglich den ersten Schritt im Nachhaltigkeitscontrolling dar. Nachhaltigkeitskennzahlen für Umweltschutzziele und sozialorientierte Ziele können ebenso in der Kunden- und Mitarbeiterperspektive implementiert werden.
Das Controlling, verstanden als fortlaufender Prozess, kann das Management bei der Verwirklichung einer Steuerung entsprechend des Nachhaltigkeitsgedankens unterstützen, und es muss einen aktiven Part einnehmen. Deshalb werden bei Mader auch Themen wie Energieeffizienz und die Ermittlung von Umweltkennzahlen nicht losgelöst betrachtet. „Damit verbunden ist auch die Stärkung des Umweltbewusstseins der Mitarbeiter und Kunden“, sagt Stefanie Kästle.
Der Controller sieht (wie der CSR-Manager) seine Aufgabe nicht im Liefern von Zahlen, sondern versucht stets, das operative Geschäft und die strategische Unternehmensausrichtung durch Kennzahlen, Cockpits und viele mehr positiv zu beeinflussen und aktiv zu begleiten. Controlling ist also weitaus mehr als Kontrolle. Es muss (wie das CSR-Management) organisatorisch direkt an die Unternehmensleitung angebunden sein, da hier die relevanten Informationen zusammenlaufen und über die Konsequenzen entschieden wird.
Weiterführende Informationen:
CSR und Nachhaltigkeitsmanagement richtig umsetzen: Die wichtigsten Schritte und Werkzeuge - mit zahlreichen Praxistipps und Mustervorlagen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
CSR-Manager gesucht! Ein Berufsbild zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2017.