Corona-Krise und Kurzarbeit als Härtetest für Unternehmen
Interview mit Stefanie Kästle (Geschäftsführerin, Mader GmbH Co. KG) und Ulrike Böhm (Change Management, Mader GmbH Co. KG)
Welche Auswirkungen hat(te) die Corona-Krise auf Ihr Unternehmen?
Stefanie Kästle: Um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, haben wir sehr schnell ein Hygienekonzept ausgearbeitet. Das beinhaltete neben den üblichen Maßnahmen wie häufiges Händewaschen auch mobiles Arbeiten sowie das Arbeiten in Schichten innerhalb der Abteilungen in der immer gleichen Zusammensetzung.
Die neue Situation war für uns alle eine Herausforderung. Da war nicht nur die Sorge um die eigene Gesundheit und um die Menschen um einen herum. Auch ganz operative Themen wie die Organisation der Kurzarbeit, die durch den eingebrochenen Umsatz notwendig wurde, die unterbrochenen Lieferketten zu Beginn der Krise, die abgesagten oder verschobenen Kundentermine als auch der regelmäßige Austausch mit Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice. Für viele war die Situation, nicht im Büro zu sein, anfangs gewöhnungsbedürftig. Vor allem für die Führungskräfte stellten sich ganz neue Fragen und Herausforderungen.
Für die Geschäftsführung bedeutete die Gesamtsituation: noch mehr kommunizieren als sonst, um der Unsicherheit aller Beteiligten zu begegnen und offen auf Fragen einzugehen, Transparenz schaffen und Zusammenhalt signalisieren.
In dieser Krise zeigte sich für uns einmal mehr, dass unsere Strategie, neben dem reinen Produktgeschäft auf Dienstleistungen zu setzen, die Richtige ist. Das hat uns vor einem noch tiefgreifenderen wirtschaftlichen Einbruch bewahrt.
Die akute Phase der Krise hat bewiesen, dass jene Unternehmen, die in der Digitalisierung weiter sind, besser durchkamen. Wie geht es Mader?
Ulrike Böhm: Wir hatten bereits einige Monate vorher alle softwaretechnischen Voraussetzungen für eine virtuelle Zusammenarbeit umgesetzt. Den Plan einer langsamen Einführung der neuen Tools, mussten wir dann aber sehr schnell ändern. Als erste Maßnahme haben wir alle mobil arbeitenden Kolleginnen und Kollegen fit gemacht für den Einsatz von Videotelefonie und der Nutzung von Microsoft Teams. Der Rest kam dann nach und nach dazu. So haben sich dann auch Online-Meetings schnell durchgesetzt, um in Kontakt zu bleiben. Selbst mit Kunden und Lieferanten waren solche Meetings „plötzlich“ kein Problem mehr. Dass wir hier bereits „vorgebaut“ hatten, ermöglichte uns eine relativ schnelle Anpassung an die neuen Gegebenheiten.
Stefanie Kästle: Mittelfristig glauben wir, dass die Krise auch unseren digitalen Dienstleistungen wie beispielsweise dem Thema Überwachung und Fernwartung von Druckluftanlagen einen Anschub geben wird. Schließlich haben die Unternehmen durch die Krise „hautnah“ erlebt, wie wertvoll ein solcher Kanal sein kann, um alles „am Laufen“ zu halten. Gleichzeitig haben sie erlebt, welche Vorteile es hat, eben nicht immer vor Ort sein zu müssen. Kunden, die diese Services bereits bei uns in Anspruch nehmen, haben sehr davon profitiert.
Musste das Unternehmen durch den Shutdown Auftragsrückgänge verbuchen?
Stefanie Kästle: Im Bereich Pneumatik hat sich leider die Tendenz der vorhergehenden Monate verschärft. Hier sind wir abhängig von der Entwicklung des Maschinenbaus, und der hat in der Krise gelitten. Im Bereich Druckluftservice und Projektierung war eher das Problem, dass wir nicht zum Kunden konnten. So wurden einige Service- und Projekteinsätze verschoben. Das zieht aber inzwischen wieder an.
Derzeit ist die Nachfrage aus der Automobil- und Luftfahrtindustrie sehr gering. Spüren Sie die Auswirkungen auch in Ihrer Branche?
Stefanie Kästle: Wir spüren das eher indirekt über die sinkende Nachfrage aus dem Maschinenbau, der hier in der Region aber stark auf die Aufträge aus der Automobilindustrie angewiesen ist.
Wo lagen und liegen die Herausforderungen der Umstellung auf Homeoffice?
Stefanie Kästle: Im ersten Schritt war es die Ausstattung mit passender Hardware, um mobil arbeiten zu können. Hier hat unsere IT alle Kräfte gebündelt, um Kolleginnen und Kollegen, die standardmäßig keinen Laptop haben, die passende Hardware zur Verfügung zu stellen. Die Infrastruktur, wie ein sicherer VPN-Zugang, existiert bereits seit längerem bei uns, da wir bereits zuvor in einigen Bereichen mobil arbeiten. Mit der Einführung von Microsoft Office 365 Ende 2019 haben wir die Weichen für eine intensivere virtuelle Zusammenarbeit gesetzt. Das hat sich in der Krise sehr ausgezahlt.
Ulrike Böhm: Die rein technische Lösung für mobiles Arbeiten ist das eine. Das andere ist die veränderte Arbeitsweise abseits des Büros, nicht mehr vor Ort zu sein und nur noch per Telefon oder Videotelefonie mit den Kolleginnen und Kollegen zu kommunizieren. Viele beschreiben das „Alleinsein“, die veränderten Anforderungen an die persönliche Arbeitsorganisation und das Gefühl des kommunikativen „Abgeschnittenseins“ als besondere Herausforderung in dieser Zeit. Führungskräfte, die ihre Präsenz im Team als Basis für eine wirksame Führung verstehen, kamen ins Grübeln: Kann man virtuell führen? Wenn ja, wie?
Ich glaube, dass diese besondere, herausfordernde Zeit und die „verordnete Ruhe“ im Homeoffice auch dazu geführt hat, dass der/die Ein/e oder Andere ins Nachdenken kam. Annahmen, Prozesse, Strukturen und Handlungsweisen, die gegebenen schienen oder als solche angenommen wurden, sind ordentlich durcheinandergewirbelt worden. Gleichzeitig wurde in der körperlichen Abwesenheit die Bedeutung guter Kommunikation noch sehr viel deutlicher.
Wie wird es mit Homeoffice jetzt weitergehen?
Stefanie Kästle: Mobiles Arbeiten war bereits vor der Krise in einigen Bereichen möglich. Das haben wir während der Krise ausgeweitet und werden das auch zukünftig, wo es gewünscht und möglich ist, beibehalten.
Die Corona-Krise und Kurzarbeit waren ein Härtetest für Sie. Wie veränderte das die Unternehmenskultur?
Stefanie Kästle: Die Qualität der Unternehmenskultur zeigt sich gerade in einer Krise. Bleibt man handlungsfähig? Ziehen alle an einem Strang? Werden die propagierten Unternehmenswerte auch in schwierigen Zeiten gelebt? Uns war es wichtig, Entscheidungen offen, transparent und für alle nachvollziehbar zu kommunizieren. Das haben wir schon vorher so gehandhabt und in der Krise intensiviert. So konnten wir den Unsicherheiten, die die Situation mit sich brachte, besser begegnen und den Zusammenhalt stärken. Gleichzeitig erforderten die sich zeitweise täglich verändernden Rahmenbedingungen von uns allen schnelles Handeln und erhöhte Flexibilität.
Ulrike Böhm: Eine solch schwierige Zeit prägt ein Unternehmen. Das hat sich mit der Wirtschaftskrise 2009 gezeigt. Damals reagierte die Geschäftsführung von Mader auf den beträchtlichen Umsatzeinbruch mit Kurzarbeit und schaffte es so, alle Arbeitsplätze zu sichern. Mitarbeitende, die diese Unternehmensphase erlebt hatten, fühlen sich dem Unternehmen besonders verbunden und äußern ein großes Vertrauen in die Entscheidungen der Unternehmensführung. Die damalige Krise hat zu einer strategischen Veränderung geführt, von der das Unternehmen in der derzeitigen Situation profitiert.
Entscheidend wird sein, dass wir es schaffen, die Erfahrungen, die wir alle in der Krise gesammelt haben, für eine aktive Zukunftsgestaltung zu nutzen. Wir haben erlebt, dass wir alle sehr viel wandlungs- und anpassungsfähiger sind, als wir je gedacht hätten und dass Dinge möglich werden, wenn man sie einfach tut. Das Bewusstsein „es geschafft zu haben“, die Krise zu meistern, könnte Kräfte freisetzen, die wir dringend für weitere Zukunftsvorhaben benötigen.
Wie lange wird Ihrer Meinung nach eine Erholung des Marktes dauern?
Stefanie Kästle: Von den drei möglichen Konjunkturszenarien – Experten sprechen ja von einer V-, U-, oder L-Kurve der Konjunktur - gehe ich am ehesten vom U-Szenario aus. Ein V-Szenario erscheint mir zumindest in unserem Geschäft als unwahrscheinlich. Die Erholung der Wirtschaft wird länger dauern und nur langsam an Fahrt aufnehmen. Erst 2021 wird die Erholung wirklich spürbar sein.
Was bildet die Basis für eine gute Entwicklung Ihres Geschäfts?
Stefanie Kästle: Was externe Faktoren angeht, sind wir abhängig von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, insbesondere im Maschinenbau. Gleichzeitig sind wir überzeugt davon, dass wir intern die Basis für eine gewisse Krisenresistenz legen können. Dazu gehören qualifizierte, motivierte Mitarbeitende, die sich mit den Zielen des Unternehmens identifizieren, gemeinsam Veränderungen anstoßen und umsetzen, offen sind für neue Entwicklungen und Innovationen vorantreiben.
Wie haben Sie die Rückkehr ins Unternehmen nach Corona organisiert? Gab es einen Rückkehrplan?
Ja, wir haben einen Rückkehrplan erstellt und die Kollegen schrittweise wieder ins Büro geholt. Gleichzeitig gilt weiterhin unser Hygienekonzept. Unter diesen Bedingungen versuchen wir zu einer „neuen Normalität“ zurückzufinden.
Geht alles so weiter wie vorher? Wie stabilisieren Sie Ihr Unternehmen?
Stefanie Kästle: Wir sind froh, dass wir bereits vor der Krise die technischen Voraussetzungen geschaffen haben, um virtuelle Zusammenarbeit zu ermöglichen. Diesen Weg werden wir nun weitergehen und professionalisieren. Wir werden zukünftig z.B. mehr auf virtuelle „Besuche“ bei Kunden und Lieferanten setzen, als das vor Corona der Fall war. Und wir sehen uns darin bestärkt den digitalen Wandel im Unternehmen voranzutreiben.
„Die schwierigste Zeit in unserem Leben ist die beste Gelegenheit, innere Stärke zu entwickeln“, sagte der Dalai Lama. So sehe ich das auch für unser Unternehmen. Die Krise und die Veränderung, die damit einhergeht, ist eine unglaubliche Chance z.B. für die Digitalisierung. Bei Themen wie Druckluft 4.0, Remote Services und Fernüberwachung werden Türen aufgehen, die vor der Krise verschlossen schienen.
Stellt Ihr Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie weniger Auszubildende ein als in den Vorjahren?
Stefanie Kästle: Wir bilden in den Bereichen Groß- und Außenhandel sowie Lagerlogistik aus. Wir werden die Bereiche Aus-/Weiterbildung trotz der Krise weiterverfolgen. Denn nach der Krise werden Nachwuchskräfte und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin wichtig sein. Der Ausbildungsmarkt ist allerdings aktuell sehr schwierig. Die Anzahl der Bewerbungen ist stark rückläufig.
Was müssen Sie künftig anders machen als vorher, um weiterhin nachhaltig erfolgreich zu sein? Wie kann ein neuer Weg aussehen?
Stefanie Kästle: Im Grunde sehen wir uns in unserem bisherigen Weg bestätigt. Wir werden weiterhin unsere Dienstleistungen ausbauen und zunehmend digitalisieren. Dazu gehört auch eine noch stärkere Einbindung digitaler Medien z.B. für virtuelle Kundenbesuche oder Online-Seminare für Kunden. Zudem hat sich in dieser Krise gezeigt, wie wichtig es ist mit Veränderungen konstruktiv umzugehen.
Weiterführende Literatur:
Ulrike Böhm: Die Macht der kleinen Schritte. Wie man als mittelständisches Unternehmen zum Klimaretter wird. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Ulrike Böhm: Ein Mittelständler digitalisiert sich – Von Erfolgen, Hürden und Nachhaltigkeit. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2020.
Stefanie Kästle und Werner Landhäußer: Druckluft 4.0 goes green: Herausforderungen, Chancen und innovative Lösungen am Beispiel der Mader GmbH & Co. KG. In: CSR und Digitalisierung. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2020.