Corona-Leugner und Impfverweigerer: Anleitung für heikle Gespräche am Arbeitsplatz
Geimpft oder ungeimpft? Mit Maske oder ohne? Mit der Rückkehr in die Büros sind oft schwierige Gespräche verbunden. Viele fürchten die Konfrontation. Dabei ist gute Vorbereitung die halbe Miete.
Von Joseph Grenny und Derek Cullimore
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden derzeit in die Büros zurückgebeten. Sie kommen voller Bedenken. Eine Umfrage unter 1697 Arbeitnehmern in den USA zeigt: Eine Mehrheit von 58 Prozent hat Angst vor anstehenden Gesprächen mit Kollegen, Managerinnen und Vorgesetzten über ihre Wünsche und Sorgen. Fast ein Drittel (29 Prozent) gaben an, sie wollten lieber weiter aus dem Homeoffice arbeiten, und sorgten sich, ihr Unternehmen oder Vorgesetzter könne dagegen sein.
In den Gesprächen schilderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ganz konkrete Situationen und Konflikte:
• "Ich habe zwei direkte Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen. Sie sind auch gegen das Tragen von Masken. Unsere Richtlinie besagt, dass sie nicht auf den Campus zurückkehren können, aber ich weiß, dass wir ständige Gespräche darüber führen werden, auf die ich mich nicht freue."
• "Ich habe eine Kollegin, die nicht geimpft ist. Sie hat mir gesagt, dass sie zur Arbeit kommen und keine Maske tragen will. Ist es meine Aufgabe, solche Dinge zu besprechen?"
• "Ich möchte nicht offenlegen müssen, ob ich geimpft bin oder nicht. Ich glaube nicht, dass man das verlangen sollte. Ich habe meine Meinung dazu und glaube, dass jeder ein Recht darauf hat."
• "Unsere Führungskräfte predigen 'Flexibilität' und 'Mitgefühl', aber sie zwingen uns mittlere Führungskräfte, Botschaften weiterzugeben, die nicht mit diesen Werten übereinstimmen – wie zum Beispiel den Zwang, die Arbeit wieder nur von einem Ort auszuüben."
• "Meine Chefin sagt, dass wir weiterhin von zu Hause aus arbeiten können, aber ich habe gehört, dass sie auch zu jemandem gesagt hat: 'Die Geschäftigen wollen ins Büro zurückkehren, wo sie wichtige Kontakte knüpfen und mehr erledigen können!'"
Diese Themen sind brisant, das Unbehagen nachvollziehbar. Bei Gesprächen über die erwähnten Konflikte steht viel auf dem Spiel, es geht um gegensätzliche Meinungen und starke Emotionen. Wenn solche Gespräche nicht gut (oder überhaupt nicht) geführt werden, wirken sie sich negativ auf die Beziehungen und Ergebnisse eines Teams aus. Umso wichtiger ist es, heikle Gespräche gründlich vorzubereiten. Nutzen Sie dazu die folgenden Grundsätze.
Sorgen und Angst sind eine Reaktion auf die wahrgenommene Bedrohung eines Wertes, der Ihnen wichtig ist. Zum Beispiel könnte Ihr Arbeitsplatz in Gefahr sein, wenn Sie verlangen, weiterhin von zu Hause aus zu arbeiten. Es wäre möglich, dass Sie ausgegrenzt werden, wenn Sie sich mit einem ungeimpften Chef anlegen, der keine Maske tragen will. Das Problem: Wir verstärken unsere Ängste, solange wir nicht akzeptieren, dass wir die Risiken gegeneinander abwägen und Abstriche machen müssen.
Setzen Sie Prioritäten. Das reduziert die Angst oft sofort. Sie müssen zum Beispiel entscheiden, ob Ihnen der Job wichtiger ist als die Flexibilität am Arbeitsplatz oder ob eine angenehme Beziehung zu Ihrem Chef wichtiger ist als ein erhöhtes Gesundheitsrisiko.
Wenn Sie sich weigern, diese Entscheidungen zu treffen, dann riskieren Sie, dass sich Ihre Ängste in Ressentiments verwandeln. Sie fangen an, andere dafür zu beschuldigen, dass sie Ihnen nicht die Welt bieten, die Sie sich wünschen, an-statt die Verantwortung dafür zu übernehmen, sich der Welt zu stellen, in der Sie sich befinden.
In der alten Welt konnten Sie vielleicht eine freundliche Beziehung zu Ihrem Chef und den Wunsch nach körperlicher Sicherheit gut vereinbaren. In der neuen Welt ist das mit einem Vorgesetzten, der Impfung und Maske verweigert, nicht möglich. Die Realität Ihrer Situation zu verleugnen ist eine Form von Anspruchsdenken – und dies erzeugt Groll.
Eine reife Akzeptanz der Realität verringert die Angst. Voraussetzung dafür ist, dass Sie sich mit den Kompromissen auseinandersetzen, die das Leben Ihnen abfordert. Akzeptieren Sie, dass man Prioritäten setzen muss.
Durch Anspruchsdenken verstärken wir unsere Ängste unnötig, wie wir gerade gezeigt haben. Der zweite Angstverstärker entsteht durch Vernachlässigung, wenn wir keine Verantwortung für die Risiken übernehmen, die mit der Umsetzung unserer Prioritäten verbunden sind.
Ein Beispiel: Angenommen, Sie sind überzeugt, dass der Impfstoff gefährlich ist, und Ihr Unternehmen verlangt, dass Sie sich impfen lassen. Dann leben Sie wahrscheinlich in ständiger Angst vor Konfrontationen. Diese Angst lässt messbar nach, sobald Sie einen Plan für die unvermeidlichen Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Unternehmensrichtlinien entwickeln. Es liegt in Ihrer Verantwortung, entweder einen Arbeitgeber zu finden, der Ihren Ansichten zustimmt, oder aktiv eine Vereinbarung mit Ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu treffen, die Ihren Überzeugungen entgegenkommt.
Wer Auseinandersetzungen mit anderen fürchtet, ignoriert oft genug einen Konflikt in sich selbst.
Wenn wir es versäumen, Verantwortung für unsere persönlichen Werte zu übernehmen, neigen wir dazu, anderen Vorwürfe zu machen und unseren eigenen Anteil an einem Konflikt zu übersehen. Wir geraten innerlich aufgewühlt mit anderen in Streit.
Wer Auseinandersetzungen mit Kolleginnen und Kollegen fürchtet, ignoriert zudem oft genug einen Konflikt in sich selbst: Eigentlich wissen Sie, dass Sie Verantwortung für Ihre Bedürfnisse und Prioritäten hätten übernehmen müssen. Sie haben es jedoch nicht getan. Das hat unvermeidliche Konsequenzen, für die Sie nun allen anderen die Schuld in die Schuhe schieben. Mit dieser Haltung gehen Sie mit einer Art vorweggenommener Wut ins Gespräch – nicht wegen der unangemessenen Forderungen anderer, sondern weil Sie die Verantwortung für Ihre Bedürfnisse ablehnen. Verringern Sie diese Angst, indem Sie die Risiken Ihrer Prioritätensetzung einkalkulieren.
Ein Großteil unserer Angst vor schwierigen Gesprächen entsteht, weil wir unsicher sind, wie wir diese anfangen sollen. Ein guter Plan lässt Sie sofort ruhiger schlafen – bereiten Sie in etwa die ersten 30 Sekunden vor. Meine Kollegen und ich haben uns jahrzehntelang damit beschäftigt, wie man diese "gefährliche halbe Minute" angeht.
Ihre erste Aufgabe besteht nicht darin, das Problem zu lösen, sondern psychologische Sicherheit herzustellen. Wenn Gesprächspartnerinnen und -partner sich bei Ihnen sicher fühlen, können sie sich auf Meinungsverschiedenheiten einlassen und produktiv damit umgehen. Fühlt sich Ihr Gegenüber hingegen unsicher, können selbst die kleinsten Streitpunkte unüberwindbar erscheinen.
Sie können anderen helfen, sich psychologisch sicher zu fühlen, indem Sie ihnen zwei Dinge versichern. Erstens: Sie kümmern sich um die Bedürfnisse und Anliegen, und zweitens: Sie respektieren diese. Beides erreichen Sie am besten, indem Sie die Werte bestätigen, die Ihr Gegenüber Ihrer Meinung nach in das Gespräch einbringt.
Wenn Sie sich beispielsweise unwohl fühlen, weil Ihr ungeimpfter Chef ohne Maske an persönlichen Besprechungen teilnimmt, sollten Sie das Gespräch nicht mit der Forderung beginnen, eine Maske zu tragen. Bestätigen Sie stattdessen zum Auftakt die Werte, die seiner Entscheidung zugrunde liegen könnten: "Mir ist bewusst, dass Masken und Impfstoffe ein schwieriges Thema für Sie sind. Und ich respektiere Ihr Recht, sich dagegen zu entscheiden. Ich muss auch meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich weiß nicht, ob meine Bedürfnisse mit Ihren vereinbar sind. Können wir darüber reden?"
Wenn Ihr Chef während des Gesprächs kämpferisch oder defensiv wird, erinnern Sie sich daran, dass es bei seinem Verhalten um die psychologische Sicherheit geht. Versuchen Sie, diese Sicherheit wiederherzustellen, indem Sie die Werte Ihres Chefs anerkennen und Ihren Respekt bekräftigen.
Machen Sie sich dabei Folgendes bewusst: Weder Bestätigung noch Respekt bedeuten Zustimmung. Es geht keineswegs darum, dass Sie so tun, als ob Sie mit der Meinung Ihres Chefs einverstanden wären. Sie sollten aber auch einer Person, deren Meinung Sie gar nicht teilen, das Recht zugestehen, eigene Entscheidungen zu treffen und ihr Leben so zu leben, wie sie es für richtig hält – ohne dafür verurteilt oder verspottet zu werden.
Am besten bereiten Sie sich auf die gefährliche halbe Minute vor, indem Sie ein grobes Skript entwerfen, das psychologische Sicherheit erzeugt und den Raum für einen gesunden Austausch bereitet.
Indem Sie anerkennen, dass Sie Kompromisse eingehen müssen, sich auf Risiken vorbereiten und ein Skript für ein gutes, respektvolles Gespräch vorbereiten, können Sie sich auf Ihre Rückkehr an den Arbeitsplatz einstellen und konstruktiv mit eigenen Ängsten umgehen. Hoffentlich überwiegt dann die Vorfreude auf das Wiedersehen mit Menschen, die Sie mögen und respektieren. © HBP 2021
Autoren
Joseph Grenny ist Mitbegründer des Weiterbildungsanbieters VitalSmarts. Er ist zudem Autor des Bestsellers "Crucial Conversations" (2011).
Derek Cullimore ist HR-Chef von VitalSmarts und zertifizierter Trainer für die "Crucial Conversations"-Kurse.
Dieser Artikel erschien in der November-Ausgabe 2021 des Harvard Business managers.
