Wie Sie Zielvereinbarungsgespräche so führen, dass das Gesagte auch wirklich ankommt | © Grady R/Stock Photo

Darauf kommt es beim Zielvereinbarungsgespräch an

Sie haben den Eindruck, dass Ihre Mitarbeiter Ihnen einfach nicht richtig zuhören? Dass die von Ihnen ausgegeben Ziele nur halbherzig verfolgt werden? Oder dass Ihre Vorgaben schlicht ignoriert werden?

In Fällen wie diesen ist es emotional einfach, einen Sündenbock zu suchen. Die Wahrheit ist aber: Schwierige Mitarbeiter im Team sind in den seltensten Fällen allein für die Problematik verantwortlich. Viel wahrscheinlicher ist, dass Sie Ziele nicht richtig kommunizieren. In diesem Beitrag zeige ich Ihnen, wie Sie Zielvereinbarungsgespräche so führen, dass das Gesagte auch wirklich ankommt. Und Sie am Ende mit Ihren Mitarbeitern an einem Strang ziehen.

Was ist ein Zielvereinbarungsgespräch?

Zielvereinbarungen gehören zu den wichtigsten Führungstechniken überhaupt und kommen seit Jahrzehnten in nationalen und internationalen Unternehmen zum Einsatz. Zurück geht die klare Vereinbarung von Zielvorgaben auf den US-Ökonom Peter Ferdinand Drucker und dessen Management by Objectives-Ansatz, was so viel wie „Führung durch Zielvorgaben“ bedeutet.

So viel zur Theorie. Wo genau ein Zielvereinbarungsgespräch in der Praxis anzusiedeln ist, ist allerdings oft gar nicht so leicht abzuschätzen. Immerhin ist der Führungsalltag durchsetzt von Mitarbeiter- bzw. Feedbackgesprächen aller Art. An dieser Stelle möchte ich Ihnen daher eine kurze Einordnung geben – immerhin spielen „Ziele“ auf die eine oder andere Weise in jedem Mitarbeitergespräch eine Rolle.

  • Jahresgespräche finden genau einmal im Jahr statt. Auch hier können Ziele vereinbart werden – diese sind jedoch meist grundlegender als bei einem Zielvereinbarungsgespräch. Oft geht es im Jahresgespräch darum, eine Vision zu entwickeln, um die Mitarbeitermotivation zu steigern.

  • Entwicklungsgespräche dienen primär dazu, die Wünsche, Karriereziele und Herausforderungen Ihrer Mitarbeiter kennenzulernen. Es stehen weniger die Unternehmensziele als die individuellen Ziele der Mitarbeiter im Vordergrund.

  • Zielvereinbarungsgespräche haben im Gegensatz zu Entwicklungsgesprächen die externen Unternehmensziele zum Inhalt. Es geht hier also darum zu vermitteln, was das Unternehmen von den jeweiligen Mitarbeitern erwartet. Oder anderes formuliert: Es geht darum, die Ziele so zu stecken, dass sie zum besten Ergebnis für das Unternehmen als Ganzes führen.

  • Beurteilungsgespräche wiederum sind ein Anlass, um die Leistung eines Mitarbeiters zu beurteilen. Dabei kann auch überprüft werden, inwieweit die im Zielvereinbarungsgespräch gesteckten Vorgaben erreicht werden konnten.

Die Inhalte des Zielvereinbarungsgesprächs lassen sich also klar von den übrigen Mitarbeitergesprächen abgrenzen.

Klare Kommunikation ist der Schlüssel für zielführende Gespräche

Inhaltlich können die formulierten Ziele eine Aufgabe beschreiben (z.B. den Quartalsgewinn um 5 % steigern), ein Verhalten thematisieren (z.B. einen zweiwöchentlichen Jour fixe abhalten und teaminterne Abstimmungen vornehmen) oder sich auf eine Entwicklung beziehen (z.B. eine Fortbildung absolvieren).

Für Führungskräfte stehen im Zielvereinbarungsgespräch allerdings weniger die Ziele selbst (diese haben Sie ja bereits im Vorfeld entwickelt und mit der Unternehmensführung abgestimmt), sondern die Art der Kommunikation im Fokus. Denn damit Ziele erreicht werden können, müssen diese auch richtig bei den Mitarbeitern ankommen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Das ist leichter gesagt als getan. Viele Klienten, die zu mir ins Führungskräfte-Coaching kommen, stellen oft erst im Laufe unserer Gespräche fest, dass die nicht erreichten Ziele ihres Teams auf eine schlechte bzw. unklare Kommunikation ihrerseits zurückgehen. Zum Beispiel, weil sie gerne mal um den heißen Brei herumreden. Weil sie Andeutungen machen und Dinge implizieren, die für sie selbst klar sein mögen, für die Mitarbeiter – gerade für die neuen im Team – allerdings nicht. Oder weil sie von Hintergrundwissen ausgehen, dass ihrem Team unmöglich zur Verfügung stehen kann.

An dieser Stelle muss ich an meinen Klienten Thorsten K. denken. Dieser hatte einen Mitarbeiter in seinem Team: Stephan. Stephan arbeitete bereits seit über 10 Jahren im Unternehmen. So wirklich zufrieden war allerdings niemand mit ihm. Einige Vorgesetzten waren sogar der Meinung: „Der muss endlich raus!“ Thorsten fragte schließlich: „Hat denn schon mal jemand mit Stephan gesprochen?“ Betretenes Schweigen. Klar kommuniziert hatte die Unzufriedenheit nämlich niemand. Also holte Thorsten das nach und erzählte Stephan das Gleichnis vom Pony. Letzteres kann springen – und das sogar verdammt gut. Allerdings immer nur so hoch wie es unbedingt muss. Keinen Zentimeter höher. Und dann gibt es Springpferde. Diese KÖNNEN nicht nur springen, sie LIEBEN es. Deshalb springen Sie stets aus freien Stücken höher und weiter als sie es eigentlich MÜSSTEN. Am Ende fragte Thorsten: „Bist du ein Pony oder ein Springpferd?“ So hatte noch nie jemand mit Stephan gesprochen, der bislang gar nicht wusste, dass seine Performance als mau angesehen worden war. Für Stephan war klar: Er ist ein Springpferd! Ich habe kürzlich wieder mit Thorsten gesprochen, deshalb kann ich Ihnen sagen: Heute – rund drei 3 Jahre später – ist Stephan eines der besten Pferde im Stall. Ein echter High Performer.

Diese 5 Faktoren zeichnen eine „smarte“ Zielvereinbarung aus

Wenn Sie meinen Blog oder Podcast seit längerem verfolgen, wissen Sie: Ich bin keine Freundin von „Mustern“, „Vorlagen“ oder starren „Techniken“ – auch und gerade, wenn es um die Gesprächsführung geht. Was Zielvereinbarungen betrifft, möchte ich Ihnen aber trotzdem ein Konzept ans Herz legen. Die sogenannte „SMART“-Formel, die in meinen Augen zurecht als Goldstandard bei der Formulierung und Kommunikation von Zielen gilt. Das ebenfalls auf den bereits erwähnten Ökonom Peter Ferdinand Drucker zurückgehende Konzept sieht folgende Bedingungen als essenziell für eine gute Zielvereinbarung an:

  • Specific (Spezifisch): Ein Ziel muss eindeutig definiert sein. Es darf keinerlei Interpretationsspielraum geben.

  • Measurable (Messbar): Alle formulierten Ziele sollten messbar sein. Etwa durch die Festlegung klarer KPI (Key-Performance-Indicator = Leistungskennzahlen).

  • Achievable (Erreichbar): Die Ziele müssen von den Mitarbeitern auch wirklich als erstrebenswert angesehen werden.

  • Reasonable (Angemessen): Die Ziele müssen realisierbar sein. Keinesfalls dürfen Sie überzogene Erwartungen an Ihre Mitarbeiter stellen – das ist Gift für die Moral.

  • Time-bound (Terminiert): Das Ziel sollte an einem bestimmten Datum erreicht worden sein. Gerade bei längerfristigen Zielen empfiehlt sich eine Aufteilung in Meilensteine.

Folgen Sie der SMART-Formel, können Sie sicher sein, dass die formulierten Ziele beim Empfänger ankommen – und am Ende auch wirklich mess- und überprüfbar sind.

Zielvereinbarungsgespräch vorbereiten: So gehen Sie vor

Wenn Sie sich bei der Vorbereitung der anstehenden Zielvereinbarungsgespräche an die SMART-Formel halten, stehen Ihre Gespräche schonmal auf soliden Beinen. Zusätzlich sollten Sie alle Informationen aus vorangegangen Mitarbeitergesprächen heranziehen, um das folgende Gespräch sinnvoll einordnen zu können. Weiterer Tipp: Halten Sie rechtzeitig nach einer passenden Location für das Zielvereinbarungsgespräch mit Ihren Mitarbeitern Ausschau. Das eigene Büro ist in der Regel kein guter Ort. Zu groß ist das sichtbare Hierarchie- und Machtgefälle. In der Folge wären viele Mitarbeiter angespannt und nervös – kein guter Ort, um sicherzustellen, dass Ihre formulierten Ziele auch auf offene Ohren stoßen. Besser sind daher Plätze mit einer lockeren Atmosphäre. Das kann die gemütliche Lounge-Ecke im Büro sein. Oder das ruhige Café zwei Straßen weiter.

3 Tipps für produktive Zielvereinbarungsgespräche

Abschließend will ich Ihnen noch drei Tipps für produktive Zielvereinbarungsgespräche an die Hand geben, die sich in meiner mittlerweile 30-jährigen Coachingpraxis immer wieder bewährt haben.

1.) Führen Sie einen echten Dialog auf Augenhöhe

Wie viele meiner Klienten begrüße ich eine direkte Kommunikation grundsätzlich. Gerade im Zielvereinbarungsgespräch verstehen so manche Führungskräfte unter einer „direkten Kommunikation“, dass sie ihren Mitarbeitern die entwickelten Ziele sozusagen „vor die Füße werfen“. Getreu dem Motto: „Das sind die fixen Vorgaben, sieh zu, wie du sie umsetzt.“ Sie können sich vorstellen, dass dieses Vorgehen nicht selten auf Widerstände stößt. Niemand möchte gerne mit vollendeten Tatsachen konfrontiert werden. Verdeutlichen Sie sich daher, dass Sie tatsächlich ein GESPRÄCH führen, sprich einen Dialog auf Augenhöhe. Das bedeutet:

  • Erklären Sie die Hintergründe der gesteckten Ziele.

  • Lassen Sie Raum für Rückfragen.

  • Besprechen Sie, wie die Ziele erreicht werden könnten – und hören Sie sich die Vorschläge Ihrer Mitarbeiter an.

  • Geben Sie Ihren Mitarbeitern die Chance, zu den gesteckten Zielen Stellung zu beziehen. Womöglich sind einige Punkte doch nicht so realistisch, wie Sie es sich erhofft hatten.

2.) Entwickeln Sie mit jedem Mitarbeiter eine individuelle Chipkarte

Eines der wesentlichen Kriterien der oben vorgestellten SMART-Formel lautet „Achievable“. Dahinter steht die Forderung, dass Ziele von den Mitarbeitern als ansprechend bzw. erstrebenswert angesehen werden müssen. Das gelingt immer dann, wenn sich die (äußeren) Unternehmensziele weitestgehend mit den (inneren) persönlichen Karrierezielen des jeweiligen Mitarbeiters decken.

Mein Rat an Sie: Erstellen Sie zunächst gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern eine individuelle „Chipkarte“. Eine Beispiel-Chipkarte können Sie hier kostenfrei herunterladen. Was ich damit meine? Stellen Sie sich vor, dass Sie sämtliche Stärken, Motive, Werte und Besonderheiten Ihres Mitarbeiters auf engstem Raum komprimieren – eben auf einer Chipkarte, wie wir sie z.B. von Krankenkassen kennen. Jetzt haben Sie beide im Blick, was den jeweiligen Mitarbeiter auszeichnet – und wie dessen individuellen Ziele aussehen. Auf dieser Basis können Sie Strategien entwickeln, um die individuellen Ziele mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen. Das setzt sehr wahrscheinlich mehrere Gespräche voraus. Aber der Aufwand lohnt sich! Denn am Ende sind Ihre Mitarbeiter intrinsisch motiviert – und erreichen die gesteckten Ziele umso schneller!

3.) Machen Sie einen Realitätscheck

Es ist absolut verständlich, dass Sie gerade den Könnern und Leistungsträgern in Ihrem Team hohe Ziele setzen wollen. Immerhin liefern diese ja erfahrungsgemäß immer wieder ab. Sei die Herausforderung auch noch so groß. Doch der Grat zwischen anspornender Herausforderung und demotivierender Überforderung ist schmal – und die Gefahr abzurutschen groß. Aus gutem Grund berichten mir viele meiner Klienten – allesamt selbst echte Könner und Leistungsträger –, dass sie von ihren Vorgesetzten Ziele gesetzt bekommen, die bei Lichte betrachtet schlicht nicht realisiert werden können. Das Tückische: Viele Leistungsträger können nur schwer „Nein“ sagen – und werden auf Gedeih und Verderb versuchen, die unrealistischen Vorgaben umzusetzen. Kommen Sie dabei nicht voran, werden Sie den Fehler zuallererst bei sich suchen, anstatt die vom Vorgesetzten gesteckten Ziele in Frage zu stellen. Das heißt für Sie: Sie dürfen sich nicht darauf verlassen, von den entsprechenden Mitarbeitern zeitnah eine Rückmeldung zur Umsetzbarkeit Ihrer Zielvorgaben zu erhalten. Es liegt daher an Ihnen, die gesetzten Ziele frühzeitig einem Realitätscheck zu unterziehen. Anderenfalls droht früher oder später Frust auf allen Seiten, was die Performance Ihres Teams erheblich beeinträchtigen kann.

Fallbeispiel: Ich erinnere mich noch gut an meine Klienten Julia W. Julia ist eine bodenständige Könnerin, die in ihrem Unternehmen für den Vertrieb verantwortlich war. Ihr Chef war extrem von ihr angetan und bot ihr – zusätzlich zur bestehenden Aufgabe – auch noch den Posten des Bereichsvorstands an. Ein Angebot das sie, typisch Leistungsträgerin, dankend annahm. Ebenso wie an die alte Position waren auch an die neue eine ganze Reihe von Zielen geknüpft, die sie erreichen sollte. Am Ende landete Julia verzweifelt in meinem Coaching, weil sie keines der Ziele zu ihrer Zufriedenheit erfüllen konnte. Die Betonung liegt auf KONNTE. Denn tatsächlich ist es einfach nicht möglich, zwei Vollzeitstellen gleichzeitig zufriedenstellend zu besetzen. Dieses Ziel ist absolut unrealistisch.

Herzliche Grüße

Gudrun Happich

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Gudrun Happich schreibt über Job & Karriere, Personalwesen, Wirtschaft & Management, Bildungswesen

Gudrun Happich ist sei rund 20 Jahren Führungskräfte Coach sowie SparringsPartnerin für Top Manager. Die Diplom-Biologin blickt selbst auf langährige Führungserfahrung zurück u.a.war sie als Geschäftsführerin verantwortlich für mehr als 1000 Mitarbeiter im DACH-Raum. Sie ist Autorin mehrerer Bücher.

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