Darf ich tatsächlich nicht zur Konkurrenz wechseln?
Die Konditionen bei seinem neuen Arbeitgeber entsprechen nicht den Vorstellungen unseres Lesers. Er will weg. Kann sein Arbeitgeber ihm den Jobwechsel verbieten?
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Die Frage: Unser Leser ist vor einigen Monaten aus dem Ausland nach Deutschland gezogen, um in der Zentrale seines Arbeitgebers zu arbeiten. Da er nun Steuern und Sozialabgaben in Deutschland zahlen muss, verdient er deutlich weniger als gedacht. Ein Konkurrenzunternehmen möchte ihn abwerben, aber sein Arbeitgeber verwehrt ihm den Wechsel mit Verweis auf eine zweijährige Wettbewerbsklausel. Ist das rechtens?
Die Antwort vom WiWo Coach, Arbeitsrechtler Marcus Iske: Arbeitnehmer unterliegen während der Laufzeit ihres Arbeitsverhältnisses einem umfassenden gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Sie dürfen weder im Marktbereich ihres Arbeitgebers tätig werden, noch dürfen sie vertrauliche Informationen oder Betriebsgeheimnisse ihres Arbeitgebers nutzen oder Kunden oder Mitarbeiter abwerben. Demgegenüber sind Wettbewerbsverbote, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses greifen, nur unter sehr strengen Voraussetzungen wirksam. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssen beispielsweise zwingend schriftlich vereinbart werden.
Darüber hinaus muss das Wettbewerbsverbot angemessen sein: Es darf nicht länger als 24 Monate dauern, geographisch nicht zu weit gefasst sein und sich nicht generell auf jede Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen erstrecken. Ferner muss der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Einschränkung der zukünftigen Arbeitsplatzwahl seines ehemaligen Arbeitnehmers haben, beispielsweise zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen oder Kundenbeziehungen.
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Ein besonders wichtiger Punkt, der immer wieder zu rechtlichen Auseinandersetzungen führt, ist die Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung. Nach dem Gesetz müssen Arbeitgeber dem Arbeitnehmer während der gesamten Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mindestens 50 Prozent der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen zahlen.
Konkret heißt das, dass neben dem Grundgehalt auch etwaige Boni, Weihnachtsgeld oder ein privat genutzter Dienstwagen in die Berechnung der Entschädigung einfließen. Ist die Karenzentschädigung zu niedrig angesetzt oder fehlt sie komplett, ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unwirksam oder gar nichtig.
Wurde jedoch eine wirksame Klausel vereinbart und verstößt der Arbeitnehmer dagegen, drohen ihm möglicherweise Vertragsstrafen, Schadensersatzforderungen oder eine gerichtliche Unterlassungsverfügung, die den Wechsel zum Konkurrenten verhindern soll.
Allerdings bestehen auch hier oft Möglichkeiten, die Bindung zu umgehen: Beispielsweise kann ein Wechsel in eine andere Branche oder eine andere geografische Region erlaubt sein. Außerdem kann eine einvernehmliche Aufhebung der Klausel mit dem bisherigen Arbeitgeber in Betracht kommen. Einer Aufhebung stehen Arbeitgeber nicht selten offen gegenüber, da bei einem Verzicht auf das Wettbewerbsverbot auch die Pflicht zur Zahlung einer teuren Karenzentschädigung entfällt.
Gerade für internationale Fach- und Führungskräfte wie in Ihrem Fall ist es ratsam, Wettbewerbsverbote frühzeitig juristisch prüfen zu lassen, um Risiken beim Arbeitgeberwechsel zu minimieren und gegebenenfalls rechtliche Handlungsspielräume zu nutzen.
Marcus Iske ist Partner bei der Kanzlei Fieldfisher. Er berät Unternehmen und Führungskräfte zu sämtlichen Themen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.
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