Natrium-Ionen-Batterien könnten die Kosten der E-Mobilität in Zukunft deutlich senken. - Foto: Getty Images; PR [M]
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Darum werden E-Autos bald günstiger – und ökologischer

Batterien aus mit Natrium statt Lithium ermöglichen günstige E-Massenmodelle. Noch wird vor allem in China intensiv daran gearbeitet. Doch ein deutscher Autobauer steigt jetzt mit ein.

Düsseldorf. Chery QQ Ice Cream wird seinem Namen gerecht: Das kleine Elektroauto gibt es in einer Milkshake- und Snow-Cone-Version oder in Eisdielenfarben wie Karamell-Mokka oder Haferhaselnuss. Das Besondere an dem chinesischen Fahrzeug ist aber weder der Name noch die poppige Karosserie: Es war das erste Elektroauto mit einer Natrium-Ionen-Batterie.

Dazu kamen schnell mehr: Jmev Yichi Yutu, Sol Ex10, BYD Seagull – die Liste der Elektroautos mit der neuen Batterietechnologie wird immer länger. Alle chinesischen Batteriehersteller wie CATL oder Hina arbeiten daran. Ein Grund dafür sticht besonders heraus: Sie ist preiswert. Mithilfe von Natrium-Ionen-Batterien können Autos wie QQ Ice Cream für 4800 Euro verkauft werden. Zum Vergleich: Derzeit kosten E-Autos schnell 20.000 bis 30.000 Euro und mehr.

Bislang werden vor allem Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos verwendet. Aber selbst nach Preisrückgängen vor Kurzem ist Lithium immer noch viel teurer als Natrium. Das Metall gibt es schließlich im Überfluss, sei es als Salz im Meerwasser oder als Steinsalz. Es ist also preiswerter und kann sowohl leichter als auch ökologischer abgebaut werden. Ein weiterer möglicher Vorteil: Es könnte Europa in der Batterietechnologie unabhängiger von China machen.

Natrium-Ionen-Batterien: VW beschäftigt sich mit der Technologie für Elektroautos

Schon seit den Achtzigerjahren gilt Natrium als Kandidat für Batteriematerial. Aber im Vergleich zu Lithium besitzt es eine deutlich niedrigere Energiedichte. Erst jetzt gelingt es Wissenschaftlern und Ingenieuren, den chemischen Nachteil auszugleichen. Unternehmen und Wirtschaft werden aktiv. Eine neue Analyse von der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB stellt immer mehr Patentanmeldungen und Industrieaktivität fest: „Natrium-Ionen-Batterien sind nicht mehr nur ein Trendthema“, sagt Florian Degen, Bereichsleiter Strategie und Unternehmensentwicklung bei der FFB.

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In den USA installiert das Start-up Natron Energy jetzt mit dem Akkuspezialisten Clarios eine Produktionslinie, der schwedische Konzern Altris baut an einer Anlage für Kathoden auf Natriumbasis.

Noch sind chinesische Hersteller führend in der Technologie. Aber sie weckt das Interesse der Autohersteller, schließlich ist die Batterie mit Abstand der größte Kostenfaktor in einem Elektroauto.

Volkswagen schaut sich die Akkus genau an. Mit Details zu dem Projekt hält sich der Autobauer noch bedeckt. Auf der Automesse IAA in München hatte VW-Technologievorstand Thomas Schmall zuletzt Einblick in den Batteriefahrplan des Konzerns gegeben. Demnach könnte Natrium bereits um das Jahr 2026 herum „wettbewerbsfähig“ zu Lithium-Batterien sein, schätzt der Manager. „Je höher der Preis für Lithium, Kobalt oder Nickel ist“, so Schmall, „desto schneller werden wir uns mit Alternativchemikalien befassen.“

Energiedichte von Natrium-Ionen-Batterien wird immer besser

Bei den bisherigen Batterien tragen Lithium-Ionen die elektrische Ladung zwischen den Polen. Das können auch Natrium-Ionen, allerdings liegt ihre Energiedichte bis zu 40 Prozent unter der von Lithium-Ionen.

Diese chemische Eigenschaft ist kaum aus der Welt zu schaffen. Allerdings können Forscher die Batteriezelle und die Kathoden verbessern. Der chinesische Batteriehersteller CATL erzielt mit seinen Natriumbatterien bislang 160 Wattstunden pro Kilogramm, die nächste Generation soll 200 Wh/kg erreichen. Das könnte sich mit Lithium-Eisen-Batterien messen.

Verschiedene Salze, darunter auch Natriumchlorid, sind in enormen Mengen auf der Erde vorhanden und entsprechend günstig - Foto: dpa
Verschiedene Salze, darunter auch Natriumchlorid, sind in enormen Mengen auf der Erde vorhanden und entsprechend günstig - Foto: dpa

Vorteile bietet Natrium einige: Nicht nur steht es fast unbegrenzt zur Verfügung, beispielsweise in Form von Natriumchlorid, sprich Kochsalz. Natrium-Ionen-Batterien kommen auch ohne Kobalt und Nickel aus und lassen sich leichter recyceln. Dazu ist es stabiler als Lithium, was bedeutet, dass es weniger anfällig für Überhitzung oder einen „Thermal Runaway“ ist. Dabei entzündet sich der Elektrolyt, es kommt zu einer Kettenreaktion, und am Ende kann die Batterie brennen.

Preiswerte E-Autos, E-Bikes, Gabelstapler

Ein weiteres Plus für Natriumbatterien ist die Langlebigkeit. „Man kann sie viel häufiger laden und entladen“, sagt Jonas Henschel, Chemiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter des FFB. Das steigert die Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit, auch sind die mit einer höheren Resistenz gegen Temperaturschwankungen einfacher zu laden. So wird beispielsweise das Schnellladen einfacher.

„Der Einsatz von Natrium-Ionen-Batterien kann überall dort interessant sein, wo der Preis wichtiger ist als die Energiedichte oder das Gewicht der Batterie keine große Rolle spielt“, sagt Wolfgang Weydanz, Fachreferent bei Bosch.

Das trifft auf preiswerte Elektroautos zu, die eher für den Kurzstreckenverkehr gedacht sind. So besitzt der Chery QQ Ice Cream in der Standardversion nur eine Reichweite von 120 Kilometern, das „Long Range“-Modell kommt auf 170 Kilometer.

Aber auch andere Fahrzeugtypen wie Gabelstapler oder E-Bikes kommen infrage. Stationäre Speicher bieten sich ebenfalls an, die für Industrieanlagen oder Haushalte tagsüber die mit Solaranlagen produzierte Elektrizität aufbewahren und nachts zur Verfügung stellen.

Wie groß der Markt für Natrium-Ionen-Batterien wird, darüber scheiden sich die Geister. Die Beratungs- und Forschungsunternehmen erstellen sehr unterschiedliche Prognosen, abhängig vom technologischen Fortschritt und Produktionsaufbau. ID Techex geht von nur 35 Gigawattstunden 2030 aus, während Roland Berger auf 400 und McKinsey auf 700 Gigawattstunden kommen. Zur Einordnung: Laut McKinsey betrug die weltweite Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien 2022 rund 700 Gigawattstunden.

VW will Natrium-Ionen-Batterien bereits 2025 in kleiner Auflage produzieren

Die deutschen Autohersteller beschäftigen sich bereits mit der Natrium-Ionen-Batterie. Der Anbieter Jiangsu Transimage Tech verkündete vor wenigen Wochen die „erste internationale Bestellung für eine chinesische Firma von Natrium-Ionen-Batterien“.

Den Namen des Unternehmens darf er nicht sagen, beschreibt es aber als einen „weltweit anerkannten Autohersteller mit Sitz in Deutschland, der eine Anzahl von bekannten Automarken besitzt“.

Jetzt ist es nicht mehr schwer zu erraten, wer das Unternehmen sein könnte. Die Nachricht passt zu den Informationen, die das Handelsblatt aus Konzernkreisen von VW erhalten hat. Danach will der Autohersteller bereits 2025 Natrium-Ionen-Akkus in kleiner Menge produzieren. Die Fertigung könnte dann je nach Bedarf sukzessive hochgefahren werden.

Als Basis dient VWs prismatische Einheitszelle, die theoretisch mit jeder beliebigen chemischen Zusammensetzung befüllt werden kann. Die ersten Zellen des neuen Formats wird VW ab 2025 im niedersächsischen Salzgitter produzieren – dann allerdings noch auf Lithium-Basis, der heute am meisten verbreiteten Zellchemie in Batterien für Elektroautos.

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Europa muss die Abhängigkeit von China reduzieren

Zwischenfazit: In China wird das Thema vorangetrieben, in Europa zögert man und wartet ab. Dabei will der Kontinent bis 2050 klimaneutral werden. Um das Ziel zu erreichen, braucht es viele Energiespeicher, die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien, Brennstoffzellen oder Elektrolyseuren für Wasserstoff wird sich in den kommenden Jahren laut der EU um das bis zu 30-Fache erhöhen.

Die Konsequenz: Es droht laut der EU eine gravierende Abhängigkeit von China. Ohne Gegenmaßnahmen könne sie bis 2030 so schwerwiegend sein „wie die von Russland vor dem Einmarsch in die Ukraine“, heißt es laut einem neuen Strategiepapier der EU-Ratspräsidentschaft, das die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichte.

Das liegt vor allem am Lithium. Das wird zwar an vielen Orten der Welt gefördert, aber China sicherte sich nach Schätzung der Schweizer Bank UBS bereits rund ein Drittel der weltweiten Lithium-Versorgung im Jahr 2025. Und bislang befinden sich mit Abstand die meisten Raffinerien für die aufwendige Verarbeitung des Alkalimetalls in China.

Der Abbau des Alkalimetalls wie hier in Minas Gerais in Brasilien ist aufwendig, oft umweltschädlich. - Foto: Reuters
Der Abbau des Alkalimetalls wie hier in Minas Gerais in Brasilien ist aufwendig, oft umweltschädlich. - Foto: Reuters

Natrium-Ionen-Batterien könnten die Lage auf einen Schlag ändern. Deren Erfolg wird laut Bosch-Experte Weydanz durch die Verfügbarkeit und die Preise von Rohstoffen „mittelfristig mitentschieden“.

„Wir befinden uns in einer ähnlichen Situation wie vor zehn Jahren“, sagt FFB-Bereichsleiter Degen. „Damals haben sich die deutschen Hersteller dagegen entschieden, Lithium-Ionen-Batterien zu entwickeln. Jetzt haben wir die Chance, das anders zu machen.“

Elektroautos: Natrium-Ionen-Batterien sind eine „Drop-in“-Technologie

Fabian Piontek sieht das allerdings skeptisch. Der Managing Director und Autoexperte von der Beratung Alix Partners warnt vor der Eigenentwicklung von Batterien. Nur wenige Hersteller besäßen die nötige Größe, um sich das leisten zu können. „Denn dafür sind hohe Investitionen und erhebliche Umrüstungen nötig, dafür braucht es eine kritische Masse an Fahrzeugen.“

Das trifft sicherlich auf viele neue Konzepte wie Festkörperbatterien oder Lithium-Schwefel-Batterien zu. Allerdings haben Natrium-Ionen-Batterien einen besonderen Vorzug: Sie sind laut FFB-Forscher Degen relativ leicht in die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien zu integrieren. „Natürlich braucht es Abänderungen, aber keine neuen Maschinen“, sagt Degen. „Gigafactorys sind einfach umzurüsten.“

Fazit: Salz war viele Jahrhunderte ein wertvolles Gut, weil knapp und wichtig für die Ernährung. Heute ist Salz allgegenwärtig – vielleicht bald schon auch in der Batterie.

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